Alexa Hennig von Lange

Die karierten Mädchen

Roman
Cover: Die karierten Mädchen
DuMont Verlag, Köln 2022
ISBN 9783832181680
Gebunden, 368 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Blind und mit über neunzig Jahren beginnt Klara, ihre Erinnerungen auf Kassette aufzunehmen. Auf der Suche nach dem Menschen, der sie einmal war, vertraut sie den Bändern ein Geheimnis an, von dem nicht einmal ihre Kinder etwas wissen. Ist ihre Familie bereit für die wahre Geschichte ihres Lebens? Siebzig Jahre zuvor: Die junge Klara ist überglücklich. Mitten in der Weltwirtschaftskrise 1929 bekommt sie eine Stelle als Lehrerin in einem Kinderheim in Oranienbaum. Als dort eines Tages Tolla, ein einjähriges Mädchen, abgegeben wird, fühlt sich Klara ihm auf Anhieb stark verbunden. Doch bald spitzt sich die wirtschaftliche Lage des Heims zu. Klara, die das Haus inzwischen leitet, sucht die Nähe der neuen nationalsozialistischen Machthaber in der Hoffnung auf Rettung. Zu spät erkennt sie, mit wem sie sich eingelassen hat. Die Nationalsozialisten wollen aus dem Heim eine Ausbildungsstätte für junge Frauen machen, in der Klara ihren Schülerinnen die Liebe zu Volk und Kind vermitteln soll, statt sie zu eigenständig denkenden Menschen zu erziehen. Gleichzeitig ist sie unter der Hakenkreuzflagge und den ständigen Besuchen der Nazi-Funktionäre plötzlich selbst in Gefahr: denn Tolla, das Waisenmädchen, das inzwischen wie eine Tochter an Klaras Seite lebt, ist jüdischer Herkunft. 'Die karierten Mädchen' ist der erste Band einer Trilogie, die vom Ende der Zwanziger- bis in die Sechzigerjahre reicht. Sie ist inspiriert von den Lebenserinnerungen von Alexa Hennig von Langes Großmutter, die diese im hohen Alter auf mehr als 130 Tonbandkassetten aufgenommen hat.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.08.2022

Rezensentin Erika Thomalla hält Alexa Hennig von Langes Roman, der den Auftakt einer Trilogie macht, für eine verpasste Gelegenheit. Das Buch orientiert sich an den Aufzeichnungen der Großmutter der Autorin, diese blickte auf insgesamt 130 Kassetten auf ihre eigene Lebensgeschichte zwischen 1908 und 1965 zurück, erfahren wir. Leider bereinigt die Enkelin die Geschichte der Großmutter, die in den 1930er Jahren als Leiterin einer Erziehungsanstalt für Mädchen arbeitete, während nebenan eine Synagoge brannte, von jeglichen Widersprüchen und Ambivalenzen. Alles Politische werde auf reines Gefühl heruntergebrochen, klagt Thomalla. Dadurch geraten Handlung und Figuren aus Sicht der Rezensentin zu moralischen, klischeehaften und vorhersehbaren Schablonen. Diese Vereinfachungen führen zu "Kitsch", den die Rezensentin in den ursprünglichen Aufzeichnungen aus dem "echten Leben" der Großmutter gerade nicht vermutet.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 11.08.2022

Rezensentin Shirin Sojitrawalla ist nicht ganz überzeugt: Alexa Henning von Lange erzählt in ihrem Roman von der sich im Jahr 1999 in ihrem 91. Lebensjahr zurückerinnernden Klara, deren Leben und Karriere im Nationalsozialismus. Zur Vorlage der Protagonistin diente Langes Großmutter, die 130 Tonbandkassetten mit Erinnerungen aufnahm, weiß Sojitrawalla. Mitreißend erzählt findet die Rezensentin die anfänglichen Versuche Klaras, sich der politischen Gegenwart zu entziehen, doch die Autorin flieht immer wieder in den Pathos, bedauert sie. Klara nimmt sich dann auch noch eines jüdischen Säuglings an und ergibt sich immer wieder ihrem Schicksal, was Sojitrawalla zufolge ihre Entscheidungen alternativlos erscheinen lässt und das Klischee der unwissenden Deutschen bestärkt. Insgesamt liest man hier also einen unkomplizierten, oftmals ausschweifenden und biografisch leicht verfälschten Unterhaltungsroman, der das Schweigen der Großmutter leider nicht ergründet, schließt die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.08.2022

Rezensent Kai Sina findet Alexa Hennig von Langes teils aus Dokumenten der Großmutter der Autorin entstandenen Text über eine Erzieherin im NS-System nicht nur "kreuzbieder" erzählt, sondern mit seiner menschelnd-empathischen, das Mitläufertum der Figur rechtfertigenden Art auch höchst fragwürdig. Eine (Erzähl-)Haltung, die die Schuld stets bei anderen sucht und historische Tatsachen "umschifft", mag Sina bei diesem Thema nicht akzeptieren.