Albrecht Koschorke

Wahrheit und Erfindung

Grundzüge einer Allgemeinen Erzähltheorie
Cover: Wahrheit und Erfindung
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012
ISBN 9783100389114
Gebunden, 480 Seiten, 24,99 EUR

Klappentext

Überall wird von der prägenden Kraft der Erzählung gesprochen: in der Geschichtsschreibung, in Recht, Politik und Ökonomie. Erzählerisch werden Konfliktzonen vermessen, gesellschaftliche Institutionen begründet, Vergangenheiten und Zukünfte imaginiert. Insofern stellen kollektive Erzählungen ein wichtiges Medium der Selbststeuerung von Gesellschaften dar. Noch immer fehlt es aber an einer Erzähltheorie, die systematisch über ihren klassischen Geltungsbereich, die Literatur, hinausgeht. Das hier vorgelegte Buch zeigt Wege auf, um diese Lücke zu schließen. Es stellt den dichterischen Fiktionen nicht nur die Vielfalt unmittelbar mit der sozialen Praxis verflochtener Erzählweisen gegenüber, sondern fragt allgemeiner nach den kulturellen Transformationsregeln zwischen Wirklichkeit und Fiktion.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.09.2013

Für Christoph Lüthy scheint es ein Glück zu sein, dass der Konstanzer Literaturwissenschaftler Albrecht Koschorke am Ende seines anregenden Ritts durch die Erzähltheorie hinsichtlich einer endgültigen theoretischen Festlegung unentschlossen bleibt. Koschorkes Kenntnis der Sachliteratur, seine Beobachtungs- und Formulierungsgabe, die klare Gliederung des Buches und die Präzision des Zugriffs genügen dem Rezensenten einstweilen, um mit dem Autor zu verstehen: das Unwägbare, Ungenaue gehört zum Narrativen, zur erzählenden Kommunikation dazu, ja erhöht sogar ihre Kraft und Lebensdauer.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 14.05.2013

Moritz Baßler liest Albrecht Koschorkes "Wahrheit und Erfindung" als ein Lob begrifflicher Unbestimmtheit. Dem Konstanzer Germanisten und Kulturwissenschaftler geht es darum, den "Funktionswert des Erzählens in der sozialen Dimension" zu skizzieren, wobei die "Erzählung" hier ziemlich weit gefasst ist, erklärt der Rezensent. Nur in ziemlich eingeengten Spezialgebieten ist Sinn halbwegs fixiert, im unübersichtlichen Durcheinander der Alltagswelt erlauben wir uns hingegen durchaus Widersprüche, Unbestimmtheiten, Halbwissen, Inkonsequenz und Verdrängung. Wir verarbeiten die Informationsflut entlang bestimmter Schemata, die Grundnarrativen unserer konkreten, gegenwärtigen Gesellschaft entlehnt sind, fasst Baßler Koschorkes Ansatz zusammen. Der Rezensent findet die Herangehensweise sichtlich spannend, ist allerdings unsicher, ob in unserer vom Web 2.0 geprägten Gesellschaft die "kulturellen Gründungserzählungen" wirklich noch die entscheidende Rolle spielen, die Koschorke ihnen zuspricht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.11.2012

Welches Feld liegt da nunmehr offen vor dem Rezensenten! Burkhard Müller hofft sehr, dass möglichst viele Berufene den Faden aufnehmen, den der Germanist Albrecht Koschorke mit diesem ambitionierten Versuch auslegt, eine nicht nur höchst kenntnisreiche, sondern auch lebendige Allgemeine Erzähltheorie zu entwerfen. Wie Müller zu verstehen gibt, denkt der Autor nämlich nicht in den üblichen Dichotomien, sondern in Wirbelfeldern, stellt heißes und kaltes Denken vor und die Bedeutung des Geplappers als gültige Form der Widersprüchlichkeit der Gesellschaft. Müller klingt das alles fast wie beim Apostel Paulus, weil Koschorke eine bestechende Wendung nach der nächsten findet, um komplexe Sachverhalte darzustellen und seine Theorie zu formulieren. Dass es dennoch zu keiner letztgültigen Definition kommt, kann Müller dem Autor nur freudig zugestehen. Bloß ein paar mehr konkrete Beispiele für die weltschaffende Größe des Erzählens hätte er ihm gern aus dem Ärmel geleiert.
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