Alan Pauls

Geschichte der Haare

Roman
Cover: Geschichte der Haare
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2012
ISBN 9783608939583
Gebunden, 223 Seiten, 18,95 EUR

Klappentext

Ob kurz, lang oder rasiert, ob ungekämmt, gegelt, mit Seiten oder Mittelscheitel oder als Afrolook - in der Suche nach dem perfekten Haarschnitt scheint sich die Sehnsucht des Erzählers nach einem geordneten Leben zu spiegeln. Aber jedes Mal, wenn die Frisur sich auswächst, droht wieder alles aus den Fugen zu geraten. Bis Celso auftaucht, ein genialischer und zugleich kleptomanischer Friseur, der durch seine Frisierkunst verspricht, den Traum von der ewigen Jugend Wirklichkeit werden zu lassen. Die Utopie eines ewig unveränderlichen Haars ist jedoch die Perücke, und eine solche führt uns geradewegs in eines der finstersten Kapitel der argentinischen Geschichte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.07.2012

Ein ganzer Roman über Haare: schöner Haarfetischismus, findet Leopold Federmair und fragt sich, wie viel von Alan Pauls' eigenem Leben in dem "Er" des Romans steckt. Normalerweise halte es der Autor mit einem ziemlich radikalen Autobiografismus, aber der Rezensent hält es für möglich, dass sich diesmal frei erfundene Szenen und Figuren unter die eigenen Erlebnisse mischen. Der Mann, von dem der Roman erzählt, ist in einer wohlhabenden Gegend von Buenos Aires aufgewachsen und lebt noch immer dort. Der Rezensent stellt einige der Charaktere vor: den "einzigen Freund" Monti, der vom Krebs verschlungen wird und Celso, "einen der schwulen Friseure, die sich die Wirklichkeit ausgedacht hat, um das Klischee zu bestätigen". Über die Handlung schweigt sich Federmair hingegen vollkommen aus. Er zeigt sich beeindruckt, dass Pauls "wie nebenbei" in dem Buch auch ein Stück argentinischer Geschichte dokumentiert, die politisierte Subkultur und das Gewirr aus Emigranten und Rückkehrern.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 31.05.2012

Durchaus originell findet Katharina Döbler die Idee, Zeitgeschichte über Frisuren zu erzählen - besonders wenn es sich bei der Geschichte um die siebziger Jahre handelt. Doch Alan Pauls Roman "Geschichte der Haare" - der zweite Teil einer Trilogie, dessen dritter Teil noch auf Übersetzung wartet, wie die Rezensentin informiert - erzählt nicht einfach von den Siebzigern, sondern von den Siebzigern in Argentinien, wo gerade eine Militärdiktatur ihre Schreckensherrschaft ausübt. Diese Epoche über ein so läppisches Detail wie Haare zu erzählen, stieß in Pauls' Heimatland auf Kritik, und auch Döbler ist unschlüssig: einerseits gefällt ihr, dass kein politischer Aktivist, sondern ein "Tribbrettfahrer-Zeitgenosse" im Mittelpunkt steht, andererseits erschöpfe sich die Perpektive der Haare irgendwann, und es zeige sich "die beträchtliche Differenz zwischen dem, was auf dem Kopf wächst, und dem, was in demselben vorgeht". Ein ausdrückliches Kompliment gibt es jedenfalls für Christian Hansens Übersetzung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.04.2012

Sehr eingenommen ist Katharina Teutsch für Alan Pauls' Roman "Geschichte der Haare", dem zweiten Teil seiner Ding-Trilogie. Wie der Autor in die nur scheinbar nostalgischen Erinnerungen des Protagonisten an die siebziger Jahre in Argentinien die Politik, das argentinische Trauma, einwebt, scheint sie ziemlich beeindruckt zu haben. Sie attestiert Pauls, über Frisuren, die mehr als Mode sind, dem Leser eine "faszinierende biografisch-politische Typologie der Epoche" zu erschließen. Die Sprache des Autors, die "ins Surreale neigenden" Rückblenden erinnern sie an Proust und Nabokov. Das Resümee der Rezensentin: magisch, traumverloren und beklemmend und voller Fabulierlust.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.03.2012

Cristina Nord ist eine große Bewunderin von Alan Pauls und seiner Kunst, in endlos sich windenden Sätzen zu schreiben, wenn wir sie recht verstehen. Ihre Kritik ist eine einzige Verneigung vor Pauls' Sprachkunst, was dazu führt, dass man sie vor allem darauf hin liest, wann sie denn den ersten Punkt setzen muss. Nach ungefähr achtzig Zeilen. Beim zweiten Lesen begreift man dann, dass Pauls die siebziger Jahre wieder aufscheinen lässt, ihre radikale Militanz, Che Guevara, Angela Davis und die Gegner der lateinamerikanischen Militärregimes. Sehr imponiert der Rezensentin, wie Pauls mit dem Motiv einer Haarsträhne spielt und dabei alles Hölzerne überwindet, das der politischen Reflexion oft innewohnt.