Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

August 2017

David Lynch kann sehr schön nachdenken

31.08.2017. Die NZZ bestaunt in einer Ausstellung das politische Video der achtziger Jahre. Die SZ bewundert "entartete Kunst" in Ägypten. Die Filmkritiker freuen sich an einem Feuerwerk der absurden Kleinigkeiten beim Filmfestival von Venedig. Wolf Biermann erklärt in der Zeit allen "selbstbesoffenen Welterrettern", wie man mit dem besten Willen in einer Diktatur landet.

Dreht Brecht sich gerade im Grabe um?

30.08.2017. Die NZZ spricht mit Theatermachern aus dem Iran, aus Kuba und dem Kongo über ihr Leben im Untergrund. Zeit und taz streiten über das neue Album von LCD Soundsystem. Die Kritiker bewundern Charly Hübner in Arne Feldhusens "Magic Mystery". Die taz erlebt im Berliner Museum für Fotografie die chinesische Kulturrevolution als gigantisches Rockkonzert. Und die SZ stellt fest: Die britischen Follies sind zurück.

Enorme Distanzen in lächerlicher Kürze

29.08.2017. Die SZ erlebt bei der sechsten Biennale im türkischen Sinop, wie die Zivilgesellschaft Widerstand leistet und was die Documenta noch lernen muss. Der FAZ fragt nach einer Prokofjew-Kantate beim "100 Jahre Kommunismus" feiernden Kunstfest Weimar mit dröhnenden Ohren: Wo bleibt die Reflexion über Revolutionskunst? Die taz lernt in einer einst von Maos Frau Tschiang Tsching in Auftrag gegebenen Modelloper, auf wie viele Arten man die Faust heben kann. Und die NZZ wünscht sich mehr Nähe zwischen Naturwissenschaft und Poesie.

Sonst hol' ich Jürgen Trittin

28.08.2017. In der SZ kritisiert Philipp Ruch die Absage der Documenta-Performance "Auschwitz on the Beach" als Angriff auf die Kunstfreiheit und meint: Wir brauchen den Auschwitz-Vergleich! Die taz gähnt über einseitige Perspektiven im Palästinensischen Museum in Ramallah. Der Tagesspiegel wünscht sich mehr Actionheldinnen im Kino. Die Kritiker loben die Pop-Kultur Berlin und schauen ratlos auf Elfriede Jelineks Fukushima-Stück "Kein Licht". Und die NZZ schaut sich humanoide Roboter in Wien an und warnt vor einer leichfertigen Verwendung des Begriffs "Weltliteratur". Atualisiert: Mireille Darc ist gestorben - wir binden einen der berühmtesten Momente im Kino der Siebziger ein.

Im Blinddarm der Greise

26.08.2017. Die Welt hört bei der Documenta mit Entsetzen, wie Franco Berardi den Holocaust bagatellisiert und kaum jemand widerspricht. Kunst ist nicht Waffe der Ideologien, erinnert die Berliner Zeitung. Die NZZ beobachtet besorgt, was Terroristen von der Literatur der Moderne gelernt haben. Die taz wagt einen Blick auf die kommende Theatersaison. Der Freitag hofft, dass der wiedereröffnete Golden Pudel Club nicht zur Kampftrinkerbude wird. Die FAZ schaut sich russische Land Art an. Und die Kritiker stürzen sich auf den dritten Teil von Elena Ferrantes Neapolitanischer Saga.

Gestaltungsanspruch röhrender Hirschen

25.08.2017. Erschütternd finden taz und nachtkritik Dorotheé Munyanezas Stück über den Genozid in Ruanda beim Berliner Tanz im August. Die SZ schaut hoffungsvoll zu, wie sich Theater und Virtual Reality annähern. Der Tagesspiegel sinniert über Blasphemie in Pop und Rock. Die Kritiker loben Vielfalt und politsche Relevanz beim Berliner Pop-Kultur. Das art-magazin staunt, wie Charles Pollock nach dem Tod des berühmten Bruders aufblühte. Und NZZ und SZ ärgern sich über Bausünden in Wien und Fürholzen.

Mosaikhaftes Universum

24.08.2017. Die Zeit erinnert das Forträumen von Bürgerkriegs-Statuen, das in den USA nach den Ereignissen in Charlottesville eingesetzt hat, an den Bildersturm der Taliban. Die Kritiker rufen der Documenta beschämt zu: Kunstfreiheit hat ihre Grenzen! Im Standard spricht Mahmoud Sabbagh, Regisseur der ersten romantischen Komödie aus Saudi-Arabien, über Dreharbeiten unter vorindustriellen Bedingungen. Die SZ sorgt sich um zu viel Sprachhygiene in Museen. Und die Feuilletons trauern um John Abercrombie.

Russische Realität. Punkt.

23.08.2017. Der russische Regisseur Kirill Serebrennikow wurde in Moskau verhaftet. Die Feuilletons fragen: Warum genau? Das art-magazin untersucht, wie Erdogan mit pathetischen Propaganda-Plakaten die türkische Erinnerung an den Putschversuch manipuliert. Die FAZ liest bei Christian Welzbacher nach, woher die Angst vor Moscheen kommt. Die Kritiker loben Valeska Grisebachs "Western" als schönsten deutschen Film seit langem. Und die NZZ fragt nach einem Besuch in der Londoner Tate: Was ist eigentlich schwule Kunst?

Friedhofsvogelgezwitscher

22.08.2017. In der SZ spricht John Grisham über die Ereignisse in Charlottesville. Die Kritiker erliegen der Bildgewalt von Simon Stones Inszenierung von Aribert Reimanns Oper "Lear" und jubeln: In Salzburg geht es wieder um etwas! Die taz vermisst Energie beim wiederbelebten Berlin Atonal Festival. Von Christina Dimitriadis erfährt sie, was die Documenta in Athen alles falsch gemacht hat. Die Feuilletons trauern um den Maler K. O. Götz und reichen weitere Nachrufe zum Tod von Jerry Lewis nach.

Das Drama wütet subkutan

21.08.2017. Im monopol-magazin erklärt der chinesische Künstler Wang Quingsong, wie junge Chinesen den Kommunismus nutzen. Die Feuilletons feiern Krzysztof Warlikowskis Ruhrtriennalen-Auftakt "Pelleas und Melisande". Die Welt verteidigt die religiösen Kacheln von Markus Lüpertz in der Karlsruher U-Bahn. Die Zeit tanzt friedlich zu Techno im Nahen Osten. Und die Kritiker trauern um Jerry Lewis.

Im Tal wollte ich zu den Pflanzen gehören

19.08.2017. Die Welt ruft nach einem Besuch in der Bremer Kunsthalle in Richtung Berlin: So geht man mit Kolonialgeschichte um! Mit Colson Whitehead schaut sie hinter die Klischees in der Geschichte der amerikanischen Sklaverei. Einen kleinen Skandal gab's bei den Salzburger Festspielen schließlich doch noch: Athina Rachel Tsangaris "Lulu" wurde ausgebuht, die Kritiker wissen warum. In der SZ erklärt Virginie Despentes, warum sie nicht Frankreichs neuer Balzac sein will. Die NZZ entdeckt Mailand als Hotspot elektronisch-experimenteller Musik und fragt: Was ist aus den Pionieren der Neuen Deutschen Welle geworden? Und die taz lernt, wie man illegale Partys im Iran organisiert.

Bloßes Rauschen

18.08.2017. In der SZ erzählt der aus Vietnam stammende US-Autor Viet Thanh Nguyen, wie ihn "Apocalypse Now" traumatisiert hat. Deutscher Humor steckt noch in den Sechzigern fest, meint die Zeit mit Blick auf aktuelle Filmkomödien. Eine Dokumentation über Robert Doisneau lüftet das Geheimnis des Kuss-Fotos, melden Tagesspiegel und art-Magazin. In der New York Times lauscht David Lynch dem Klang von Elektrizität. Und die NZZ besucht die Tankstelle der Zukunft.

Mit Kraft und und großer Lautstärke

17.08.2017. Die NZZ feiert das Volumen der Tänzerin Eugénie Rebetez. Außerdem weiß sie, wer die Rechte an Georges Simenon bekommen hat. Die SZ freut sich, dass Soundcloud doch nicht dicht macht. Der Tagesspiegel besucht Theaterfestivals in Osteuropa. Im Standard praktiziert der Bildhauer Andreas Lolis Liebe mit einem Stein.

Fein, fließend und im Detail aufwendig

16.08.2017. Die Longlist für den Buchpreis kann die Kritiker nicht gerade zu Begeisterungsstürmen hinreißen. Die NZZ ruft das Ende der Fotografie aus. Außerdem erzählt die senegalesische Autorin Ken Bugul in der NZZ von der Subversion der Schreibens. In der SZ spricht Wang Bing über seine Arbeit als Underground-Filmemacher in China. In der FAZ ruft Matthias Sauerbruch den Freunden von Schinkels Bauakademie zu: "Die Kunst ist überhaupt nichts, wenn sie nicht neu ist."

Alle sind im Widerstand

15.08.2017. In seiner Reihe zum türkischen Kino beschreibt der Filmdienst, wie die nationalen Filmfestivals als kritische Plattform ausgeschaltet wurden. Die FAZ verteidigt Adam Szymczyks Recht, eine schlechte Documenta zu kuratieren. Die Berliner Zeitung versinkt beim Berliner Tanz im August in einem Laughing Hole. Die Spex sucht Wut und Widerstand in der Kunst, nur Andreas Spechtl sucht einen Gegner. Und der Tagesspiegel erlebt im Dach der Philharmonie ein Gummistöpsel-Wunder.

Hauptsache très chic

14.08.2017. In der SZ sorgt sich Stuttgarts Schauspielintendant Jossi Wieler um den von den russischen Behörden drangsalierten Regisseur Kirill Serebrennikow. Euphorisch resümieren die Kritiker das Filmfestival von Locarno, das mit Goldenen Leoparden für Wang Bings Dokumentation "Mrs. Fang" zu Ende ging. In der FAS ächzt Zadie Smith über linke Debattenkultur. Die Welt erkennt die Schönheit einsamer tanzender Trinker in der österreichischen Fotografie. Der Tagesspiegel bewundert Speed und Spirit der eklektizistischen Kinshasa Collection. Im Perlentaucher betrauert Thekla Dannenberg Maigrets Verschwinden vom deutschen Buchmarkt.

Seien Sie nicht so enigmatisch!

12.08.2017. Bei Dezeen staunt die Kostümbildnerin Ane Crabtree, dass ihre Kostüme für "The Handmaid's Tale" selbst in Polen von der Frauenbewegung aufgegriffen werden. In der Welt erzählt der Schriftsteller Viet Thanh Nguyen, wie er Amerikaner wurde, um die amerikanische Erzählung zu verändern. Art Magazin porträtiert den niederländischen Künstler und Werber Erik Kessels. In der NZZ erklärt der Intendant des Lucerne Festivals Michael Haefliger das Motto dieses Sommers: Identität. In Locarno ducken sich die Filmkritiker vor den heute kommenden Leoparden.

Nichts für Träumer

11.08.2017. Der Tagesspiegel feiert die AK-47-Porträts des Künstlers Zhang Dali. In der SZ protestiert ZKM-Direktor Peter Weibel gegen religiöse Kacheln von Markus Lüpertz in der U-Bahn. In Deutschlandfunk Kultur antwortet Bazon Brock auf den Perlentaucher-Essay von Wolfgang Ullrich. Die taz erklärt, wie man sich a la Kizobazoba kleidet. Die FAZ denkt in Thomas Arslans Roadmovie "Helle Nächte" über Charaktere und Daten nach.

Polyfonie der Assoziationen

10.08.2017. Die Musikkritiker lassen sich in Salzburg von William Kentridges Inszenierung des "Wozzeck" überfordern. Die Filmkritiker staunen in Locarno über Jürgen Vogel als Ötzi. In der Zeit erklärt die Autorin Virginie Despentes, warum sie es nach einer Vergewaltigung befreiend fand, als Prostituierte zu arbeiten. Die Welt geht vor den Leuchtkastenbildern Rodney Grahams in die Knie.  Die SZ hört bei den  Musiktagen in Hitzacker ein wildes Stück von Rebecca Saunders.

Wumm, die Luft ist weg

09.08.2017. Im taz-Interview verzweifelt der georgische Schriftsteller Zaza Burchuladze an der Dummheit der Orthodoxie. Außerdem bewundert die taz Roberto Burle Marx' Gärten der tropischen Moderne. Die FAZ bewundert den Individualismus in der iranischen Literatenszene. Im NYRB Daily lernt von Barrie Kosky, dass auch die Schönheit nicht über der Gerechtigkeit steht. Und der Tagesspiegel übt mit dem chinesischen Sheng-Musiker Wu Wei die Flatterzunge.

Eine irgendwie barbarische Haarkrone

08.08.2017. Große Galashow in Salzburg bei Shirin Neshats "Aida"-Inszenierung, und die Netrebko war natürlich toll!, toll!, toll!, wie die Welt versichert. Und erst einmal ihr Teint! Sogar die taz schwärmt, unter anderem von der visuellen Diät. Der Tages-Anzeiger setzt sich unterdessen mit Voodoo Jürgen in die Kneipe. Cargo vergüngt sich mit Jacques Touerneur beim Locarno-Festival. Monopol fragt sich, ob es jetzt eigentlich cool ist, dass Cindy Sherman auch auf Instagram postet. Und in der FAZ steht Übersetzerin Christiane Pöhlmann vor einem Rätsel: Darf bei einem Elf der Groschen fallen?

Ein großes, allumfassendes Hä?

07.08.2017. Die Welt versinkt freudig-taumelnd in den Erzählwelten des französischen Comic-Autors Marc-Antoine Mathieu. In der FR spricht Yildiz Çakar über kurdische Literatur, die immer auch die Geschichte der Repression erzählt. Die FAZ erzählt, wie Otto Marseus van Schriek den Waldboden für die Malerei entdeckte. Die taz lauscht Sven Helbigs "Schönen Tönen", die Dronen-Klänge und mittelalterliche Choräle unter einen Hut bringen.

Das Los der Schildkröte

05.08.2017. In der SZ erklärt Shirin Neshat, weshalb sie Verdis Aida, die sie nun in Salzburg inszeniert hat, für eine Zumutung hält. Auf Randy Newmans Comebackalbum lauscht sie beeindruckt der halben amerikanischen Musikgeschichte in acht Minuten. Die taz sinniert über Schamlosigkeit als Menschenrecht und Zensur bei Instagram. Die Berliner Zeitung staunt, wie Josef Koudelka den Israel-Palästina-Konflikt in Comic-Gewaltfantasien ablichtet. Die FAZ fragt: War Dürer ein Reformator? Und die Kritiker feiern John Carroll Lynchs "Lucky" in Locarno.

Lärm mit Rückgrat

04.08.2017. Die NZZ hätte sich bei Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk" etwas mehr  interpretatorische Haltung von den Wiener Philharmonikern gewünscht. Auch in der Kunst sollte man den Tyrannenmord nicht romantisieren, meint in der nachtkritik der Theaterwissenschaftler Peter W. Marx. Die FAZ staunt über die Traumerinnerungen des Malers Philip Guston. Der Tagesspiegel raucht mit Giacometti eine Zigarette. Die taz tanzt zum Dekonstruktions-Rock'n'Roll der Royal Trux.

Knallkörper mit Verstand

03.08.2017. In der NZZ singt Martin R. Dean ein Liebeslied auf Marseille. Der FAZ begegnet in Matt Reeves' Film "Planet der Affen" eine virtuelle Vermenschlichung der Welt. Im Standard erzählt Elektronikpionier Klaus Schulze, wie er im Klang eine neue Jungfräulichkeit der Musik fand. Die SZ feiert den Widerspruchsgeist des Designers Ettore Sottsass.

Von einem Medium aus dem Weltraum

02.08.2017. Im New Yorker erinnert sich Patti Smith an die Nächte mit Sam Shepard. Standard und Tagesspiegel preisen den ästhetischen Wagemut des neuesten Reboot der "Planet der Affen"-Saga. Der Freitag lernt, dass Kino-Verleiher noch viel spießiger sind als Fernsehredakteure. Die taz erliegt der kühlen Farbigkeit in den Bildern Frank Bowlings. Die FAZ lernt in Thomas Struths Bildern: Individualität ist hier immer ein geometrisches Ereignis.

Soldatin der Avantgarde

01.08.2017. Die Feuilletons trauern um die große, schöne, sinnliche Jeanne Moreau: Für Libération war sie eine freie Frau, für die taz der Körper der Nouvelle Vague, für die FR einzigartige Schönheit. Der Tagesspiegel trauert auch um den intellektuellen Cowboy Sam Shepard. Außerdem feiert er die Rückkehr der Operette auf deutsche Bühnen. Und der Guardian blickt im Brooklyn Museum auf die traurige Geschichte des Lynchmorde zurück.