Vorgeblättert

Leseprobe zum Buch von Patricia Bosworth: Schwarz & Weiß. Das Leben der Diane Arbus. Teil 2

31.08.2006.
Kapitel 2

Das zweite Kind der Nemerovs, ihre erste Tochter, wurde am 14. März 1923 geboren. Man erzählte Diane später, sie sei nach der romantischen Heldin in dem Film Der siebente Himmel benannt worden. Tatsächlich hatte ihre Mutter Gertrude die Broadway-Revue gesehen, nach der das Drehbuch geschrieben wurde, als sie noch schwanger war. Als sie in dem warmen dunklen Theater saß, war sie dermaßen beeindruckt von der "Jungfrau Diane, die so verletzlich und stark zugleich war", daß sie sich schwor, wenn sie einmal eine Tochter haben sollte, diese "Die-Ann" zu nennen ("Im Stück sprachen sie das so aus", erklärte Gertrude Nemerov später). Einigen Leuten gegenüber bestand Diane darauf, daß man sie "Die-Ann" nannte, doch ließ sie sich auch "Dai-Änn" nennen. Howard gebrauchte beide Versionen. Einmal begann er einen Brief mit "Die-Ann-Dai-Änn?" Meistens nannte er sie jedoch "Di".
Gertrude berichtet, daß Diane ein großes, neun Pfund schweres und hübsches Baby mit kräftigem, goldfarbenem Haar, durchscheinender Haut und großen grünen Augen war, das offensichtlich eine merkwürdige Beobachtungsgabe besaß: "Schon als Baby schien sie einen nicht nur anzusehen - sie begutachtete die Leute." Anfangs bestand eine heftige, wenn auch unausgesprochene Zärtlichkeit und gegenseitige Zuneigung zwischen Mutter und Tochter. Wenn das Kindermädchen ihren freien Tag hatte, habe Diane sich buchstäblich an Gertrude festgeklammert. "Sie ließ meine Hand nicht einen Augenblick lang los."
Dianes Beschreibung ihrer frühen Kindheit hört sich allerdings etwas anders an. Als sie sechzehn war, schrieb sie auf der Fieldston School in einer autobiographischen Skizze, daß sie sich daran erinnere, etwas wunderlich gewesen zu sein - "immer weinte ich, brüllte, schrie. Ich erinnere mich ganz genau an das Gefühl, das ich hatte. Ich fühlte mich immer warm und müde, die Sonne strahlte auf mich herab, und ich wollte einfach nicht aufwachen ..."
In dieser Zeit lebte Diane mit ihren Eltern und dem Bruder (abgesehen von kurzen Ausflügen nach Palm Beach) in der 73. Straße West, Nummer 115. Als sie ungefähr vier war, zogen die Eltern in ein Apartment an der Park Avenue, Ecke 90. Straße. Dicke Vorhänge hingen vor den Fenstern. "Es war fast immer dunkel", erinnert sich Howard.
Sie hatten zwei Dienstmädchen, einen Chauffeur namens Scott, eine Köchin, die Eva hieß, sowie das deutsche Kindermädchen Helvis, das für Howard zuständig war; das französische Kindermädchen betreute Diane bis zu ihrem siebten Lebensjahr. "Mamsell", wie sie genannt wurde, war eine zurückhaltende, unauffällige junge Frau, die ihr Haar zu einem Knoten gebunden trug. "Sie hatte ein hartes, trauriges, aber doch liebliches Gesicht - ich verehrte sie", schrieb Diane. "Sie machte immer den Eindruck, als habe sie irgendein sehr trauriges Geheimnis."
Immer wenn Mamsell Ferien hatte und verreisen wollte, weinte Diane stundenlang, um sie davon abzubringen. Wenn die beiden zusammen waren, unterhielten sie sich nur selten, doch schien Diane mit ihr sehr glücklich zu sein. Plauderten sie dann doch einmal miteinander, dann auf französisch, was Diane großen Spaß machte, obwohl sie "nicht wußte", daß sie französisch sprach.
Eine ihrer lebhaftesten Erinnerungen ist die an einen Ausflug mit Mamsell: Vom Rand einer ausgetrockneten Mulde aus, die früher einmal ein Wasserreservoir für den Central Park gewesen war, sahen sie auf eine Barackenstadt hinunter, die aus Wellblechhütten bestand. "Dieses Bild war nicht konkret faßbar, doch für mich bleibt es eine übermächtige Erinnerung", berichtete Diane einige Jahre später Studs Terkel. "Die andere Seite des Lebens sehen und dabei die Hand der Gouvernante halten." Diane bat darum, hinuntersteigen zu dürfen, um sich die Hütten aus der Nähe anzusehen, doch die Mamsell erlaubte es ihr nicht. "Sie war nämlich sehr streng", fügte Diane hinzu.
Jede Form von Disziplin oder Ordnung war Diane und Howard nicht von den Eltern, sondern von den jeweiligen Kindermädchen und später vom Dienstmädchen Kitty beigebracht worden, "die einen großartigen Sinn für Humor hatte", wie Howard bestätigt. Sie begleitete die beiden zum Zahnarzt, zum Tanz- und zum Musikunterricht.
Gertrude Nemerov, eine herrschsüchtige, schöne Frau mit dem Spitznamen "Buddy", war stolz auf ihre Tochter und den kleinen Sohn, obwohl die beiden ihr manchmal ein Rätsel waren. Schon früh fing sie an, sich für Dianes und Howards "Eigenartigkeit" zu entschuldigen, denn im Gegensatz zu anderen Kindern steckten die beiden ihre Nasen in Bücher, wann immer sich die Gelegenheit bot. Einmal erklärte sie, es sei ihr "oft schwer gefallen herauszufinden, worüber die beiden überhaupt sprachen".
Als die Kinder noch klein waren, lag Mrs. Nemerov morgens meistens lange im Bett, trank Kaffee und rauchte. Sie telefonierte dann oft mit ihrer besten Freundin, May Miller, der lebhaften Frau des Schuhkönigs Meurice Miller; May war furchtbar neugierig und wollte alles ganz genau wissen. Ungefähr um zehn Uhr dreißig besprach Gertrude Nemerov mit der Köchin Eva das Mittagessen. Obwohl Eva alle in der Familie auf die Palme brachte (sie war unhöflich und kaute immerzu auf einem Zahnstocher herum), weigerte sich Mrs. Nemerov, auch nur ein Wort der Kritik zu äußern, weil sie die Köchin nicht verlieren wollte. "Sie macht aber doch einen so wunderbaren Schmorbraten", protestierte sie jedesmal, wenn Diane sich beschwerte, daß Eva wieder einmal ihre Schubladen durchwühlt hatte.
Ungefähr um elf Uhr stand Mrs. Nemerov auf und begann dann, vor einem Spiegel langsam ihr Gesicht einzucremen. Manchmal sah ihr Diane dabei zu und staunte über das Spiegelbild. Für sie schien ihre Mutter meistens nur die Haltung einer totalen Indifferenz zu kultivieren.
Gegen elf Uhr fünfundvierzig war sie dann angezogen, nahm ihren Platz in der Limousine ein und wies den Chauffeur Scott an, sie zu Russeks zu fahren.
Mehrmals in der Woche sah sich Gertrude Nemerov im Kaufhaus um. Sie verglich die Preise und probierte die neuesten Modelle an. Beim Kaufhaus Saks & Best?s begutachtete sie nur die Schaufenster, aber sie kaufte dort nie etwas. In beiden Zweigen der Familie Russek erwartete man von den Angehörigen, daß sie sich nur bei Russeks ihre Garderobe kauften. "Ihr könnt euch bei De Pinna und Bonwit?s oder bei Tailored Woman umsehen - aber nur umsehen", ermahnte man die Kinder. Sobald Diane alt genug war, um laufen zu können, begleitete sie ihre Mutter auf deren ausgedehnten Erkundungstouren durch das Kaufhaus. Ausstaffiert mit einer zweireihigen Jacke, weißen Handschuhen und zierlichen Lackschuhen, trottete sie dann mit ernsthaftem Gesichtsausdruck hinter ihrer Mutter her, die in dem engen Erdgeschoß über die purpurfarbenen Samtteppiche in die Pelzabteilung rauschte.
Noch bevor sie eine neue Lieferung inspizierte - es konnte ein Posten Mäntel aus Robbenfell sein oder eine Lieferung Hermelincapes -, machten die Verkäufer einen Kratzfuß "und rieben sich die Hände wie Schuhverkäufer", sagte Diane. "Es war wie in einem Horrorfilm, der in Transsylvanien spielt; man schämte sich für das Königreich." Zum Photographen Frederick Eberstadt meinte Diane in Anspielung darauf: "Ich wurde wie eine lausige Prinzessin behandelt." (Viele Jahre später fixierte ihr präzises, distanziertes Photographenauge eine komplette Serie von "lausigen Prinzessinnen".)
Doch an jenen späten Vormittagen folgte Diane lediglich ihrer Mutter in den Fahrstuhl, fuhr in die Abteilung für Oberbekleidung oder in den Hutsalon hinauf, um Hüte aufzuprobieren. Mrs. Nemerov begrüßte jeden einzelnen Angestellten. Als Tochter des Firmengründers kannte sie einfach jeden. Russeks war ein Zuhause fern der Heimat. Sie liebte das Kaufhaus.
Die letzte Station war immer David Nemerovs holzgetäfeltes Büro im siebten Stock. Von diesem Büro aus, umgeben von dem fortwährend klingelnden Telephon und den Sekretärinnen, von hin und her eilenden Käufern, leitete Nemerov das Kaufhaus und begutachtete sämtliche Waren, Anzeigen- und Schaufensterdekorationsentwürfe.
Nemerov war primär mit seiner Firma beschäftigt und brachte daher nur wenig Gefühl oder Interesse für seine Kinder auf, obwohl er in der Öffentlichkeit gerne seine Arme um sie legte und demonstrativ eine väterliche Liebe zur Schau stellte. Er war Kettenraucher und litt unter einem nervösen Magenleiden.
Da er als junger Mann in zwei Autounfälle verwickelt gewesen war, fuhr er später niemals mehr selbst Auto, sondern ließ sich in einer Limousine chauffieren. Die Chauffeure kamen und gingen, da er ein sehr anspruchsvoller Chef war. Ein Fahrer - es war der sehr gut aussehende Scott, der Mrs. Nemerov so gut gefiel - kündigte aus Ärger über Unstimmigkeiten wegen seines freien Tages und schrieb den Nemerovs einen Brief, in dem er ihnen vorwarf, sie seien "primitiv", und dann die Schikanen aufzählte, die er angeblich hatte erdulden müssen. Die Wirkung, die dieser Brief auf sie machte, vergaß Diane nie - seine Vorwürfe waren "sowohl beleidigend als auch verletzend mir gegenüber, weil ich irgendwie in seine Kritik mit eingeschlossen war; andererseits war ich aber auch sehr kritisch meinen Eltern gegenüber, was darauf hinauslief, daß ich irgendwie ein doppeltes Spiel trieb". Insgeheim hielt sie ihren Vater nämlich "für einen Schaumschläger. Viele seiner Freunde waren reicher als er, aber er war am protzigsten."
Er konnte in der Firma sehr charmant und sogar von überschwenglicher Freundlichkeit sein, wenn die Geschäfte gut gingen; meistens jedoch verschreckte er die Angestellten mit seinem aggressiven, manchmal fast brutalen Verhalten. "Wenn man ihm im Weg stand, schob er einen einfach beiseite", erzählte ein ehemaliger Einkäufer. War er - zu Hause oder im Geschäft - besonders verärgert, dann schien er rein äußerlich sehr beherrscht: Er flüsterte nur noch. Das brachte Gertrude, Diane und Howard in Rage, weil sie oft nicht mehr verstehen konnten, was er sagte, aber sie hatten Angst davor, ihm das zu erklären.
Howard hat seinen Vater als "sehr starke Persönlichkeit, die sich ihrer Macht sehr wohl bewußt war", in Erinnerung. "Diane und ich wurden selten bestraft, aber alles bei uns zu Hause war auf Anerkennung aufgebaut, nicht auf Liebe. Auf diese Weise waren wir ziemlich hilflos, denn wir wußten nie, ob Daddy für gut oder schlecht befinden würde, was wir taten." Ein Beispiel: "Einmal kaufte ich meinem Vater auf einem kleinen Ausflug mit meinem Kindermädchen in den Van-Cortlandt-Park eine Postkarte. Daddy hielt mir einen gestrengen Vortrag darüber, wieviel diese Karte gekostet hatte - es dürften so etwa drei Cent gewesen sein."
Bis 1926, als Howard auf die Franklin School kam, waren er und Diane unzertrennlich. Es schien, als hätten sie ein gemeinsames Geheimnis; auch wenn es für die Familien Russek und Nemerov von keinerlei Interesse war, so verband es die beiden doch sehr stark.
Bei jedem Spaziergang durch den Central Park wurden sie von ihren Kindermädchen begleitet. Howard erinnert sich daran, daß ihnen die Kindermädchen verboten, die weißen Handschuhe beim Spielen im Sandkasten abzulegen.
Zu Hause nahmen die beiden ihre Mahlzeiten gemeinsam ein, meist schweigend; gelegentlich stritten sie sich aber auch. Beide hatten eine schnelle Auffassungsgabe und wache Intelligenz, beide lasen viel und verarbeiteten dabei spielerisch ein umfangreiches Pensum an Wissen und Mythen. Sie schufen sich eine eigene prächtige Phantasiewelt, die nur ihnen gehörte.
Aufgrund ihrer Begabung fühlten sie sich isoliert und vereinsamt. "Wir wurden als Kinder beschützt und waren privilegiert", sagt Howard, "aber wir wurden auch ununterbrochen kontrolliert. Das machte uns ängstlich." Ihre Befangenheit äußerte sich in der gravitätischen Haltung, die sie beim Sitzen und Stehen einnahmen; sie sahen sich nicht an, waren jedoch so vertraut miteinander wie Zwillinge. Ihre Augen ruhten auf ihren Eltern, den Dienern, sie registrierten jede Situation, jedes Vorkommnis.
Auf dem Ozeandampfer "Aquitania" reisten sie einmal im Juli mit ihren Eltern nach Europa. Während die Nemerovs in Paris blieben, um sich neue Kollektionen anzusehen, fuhr Mamsell mit Howard und Diane nach Le Touquet, wo Marcel Proust am liebsten seine Ferien verbrachte. Hier, im Norden Frankreichs, pflückten sie wilde Erdbeeren, hier jagte eine Ziege Diane große Angst ein.
Diane stritt sich häufig mit ihrem Bruder. Howard erzählt, sie hätten sich einmal wegen einer Porzellanpuppe gezankt, die schließlich zerbrach, und seiner Erinnerung nach hatte Diane von dieser Prügelei eine Narbe zurückbehalten. "Als wir noch jung waren, warfen meine Schwester und ich uns gegenseitig viele Dinge vor, und wir wurden auch oft bestraft." Bei Regenwetter spielten sie im Wohnzimmer Fußball. "Der Ball hinterließ Spuren an der Zimmerdecke, so daß man schließlich herausfand, was wir getan hatten", schreibt Howard. "An einem Weihnachtsmorgen gelang es uns, heimlich in das Wohnzimmer zu schleichen; dabei warfen wir den Christbaum um." Er kann sich nicht erinnern, ob man ihn dann wieder aufstellte.
Im allgemeinen waren sie jedoch gehorsame, gut erzogene Kinder, mit denselben neugierigen, glänzenden Augen, beide von der gleichen Verschlossenheit.
"Howard verehrte Diane", sagt ein Nemerov-Cousin. "Bis zu ihrem Tod hatte er immer ein Photo von ihr in seiner Brieftasche. Er verhielt sich ihr gegenüber jedenfalls fast ehrfürchtig - wahrscheinlich deswegen, weil sie sich, als sie klein war, nie wie ein kleines Mädchen benahm. Sie besaß eine ganz natürliche Weltklugheit, ein Wissen um die Dinge - und sie hatte eine wunderbare, intuitive Begabung. Howard wurde ein sehr kritischer, präzise denkender Intellektueller. Das war sozusagen die Summe aller Erbanlagen der Familie."
Da sie drei Jahre auseinander waren, besuchten Howard und Diane nie dieselbe Schulklasse, doch ein Jahr lang waren sie beide an der Privatschule Fieldston in Riverdale. Lehrer bestätigten, daß die beiden die begabtesten Geschwister waren, die jemals auf dieser Schule gewesen waren. Sie haßten es aber, miteinander verglichen zu werden. Später, als Howard Dichter und Diane Photographin geworden war, diskutierten sie nie über ihre Arbeit. Allerdings standen sie auch kaum noch in Verbindung miteinander. "Ich weiß keinerlei Erklärung dafür, wieso und warum wir das wurden, was aus uns geworden ist", sagt Howard jetzt.
"Mein Motto war schon damals: 'Tu, was man dir sagt, dann wirst du in Ruhe gelassen?", fährt er fort. "Ich wollte von niemandem belästigt werden."
Dianes Motto war: "Auf Gott vertrauen wir." Das hatte sie auf einem Fünf-Cent-Stück gelesen und wiederholte es jede Nacht vor dem Schlafengehen. Sie sehnte sich danach, etwas zu besitzen oder jemanden zu haben, dem sie treu sein oder an den sie glauben konnte. Sie glaubte an Howard. Er war stark und ruhig und so hübsch, daß es ihr Spaß machte, ihn einfach anzusehen. Und er ging ihr nicht auf die Nerven, wie so viele Familienmitglieder - Howard ließ sie mit ihren Träumen allein. Bis auf ihre Streitereien, wenn sie sich dann gegenseitig kniffen, beschimpften und kitzelten. Dann war sie ihm für eine kurze quälende Zeitspanne gewachsen; sie teilten den Schmerz und das Vergnügen des Kampfes. Und auf eine intuitive, nonverbale Art und Weise blieb Diane ihrem Bruder immer eng verbunden. "Wir'erklärten' oder ' offenbarten? uns gegenseitig nichts - wir respektierten einfach die Privatsphäre des anderen", meint Howard. "Schon als Kinder waren wir immer sehr auf die Wahrung unserer Privatsphäre bedacht."
Dieses Gefühl für das Private, dafür, ein eigenes, "inneres" Leben zu haben, irritierte die anderen Mitglieder der Familien Nemerov und Russek - alle die Tanten, Onkel und Cousinen, die Intrigen und Geschwätz wahrhaft genossen. Sie bekrittelten Dianes Eigenständigkeit und ihre Stimmungsschwankungen ebenso wie Howards hartnäckiges Schweigen. Howard erzählt: "Meine Mutter belehrte mich immer wieder, daß ich es im Leben nie zu etwas bringen würde:'Du bist viel zu verschlossen.?"
Als sie vier beziehungsweise sieben Jahre alt waren, saßen Diane und Howard Modell für ein Ölgemälde. Das Porträt ging verloren, aber Howard erinnert sich noch daran, daß "wir zusammen auf einem roten Sofa saßen, sie in einem weißen Kleid ... Mein Haar war damals noch blond und glatt zurückgekämmt ... Dianes Gesichtsausdruck war eine unbeschreibliche Mischung aus störrisch und schüchtern, meiner war frecher, vielleicht sogar unverschämt, wohl auch ein wenig abweisend. Wir lächelten kein einziges Mal ... und da der Künstler Schwierigkeiten mit der Perspektive hatte, wurden unsere Füße schließlich regelrechte Stümpfe."
Howard bezog sich viele Jahre später in einem Gedicht auf dieses Porträt. Es heißt Ein altes Gemälde.

Zwei Kinder in höfischem Kostüm mit prächtigem Schal
gehen Hand in Hand durch einen großen Saal.
Er trägt ein Zepter, ein Buch trägt sie;
ihr Blick ist traurig wie sonst nie.

Besorgte Schranzen beäugen sie
hoch oben auf der Galerie;
und dort, hinter seidenem Schirm
flüstert der Bischof mit der Königin.

Entscheidungen sind bereits getroffen,
es wird so, wie sie es beschlossen:
Das Brautbett ist bereits gemacht,
die Gruft geschmückt schon mit Bedacht.


"Das Gedicht zeigt die Hilflosigkeit dieser Kinder angesichts der traditionellen Einschränkungen durch Zepter und Buch. Ihr Schicksal ist bereits von den Eltern beschlossen (im Gedicht vom Bischof und der Königin)". Howard ergänzt: "Das Gedicht endet mit einer großen Bitterkeit gegen diese Erwachsenen."

Teil 3

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