Yasmina Khadra

Die Schwalben von Kabul

Roman
Cover: Die Schwalben von Kabul
Aufbau Verlag, Berlin 2003
ISBN 9783351029685
Gebunden, 160 Seiten, 17,50 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Regina Keil-Sagawe. Mohsen Ramat ist zehn, als gepanzerte Raubvögel den afghanischen Himmel überziehen und dem unbeschwerten Lachen seiner Kindheit ein jähes Ende bereiten. Den Raubvögeln folgen die Taliban. Fortan ist das Lachen Sünde, und Mohsens bildschöne Frau Zunaira, eine ehemalige Juristin, muss in den monströsen Tschadri schlüpfen, dieses wandelnde Zelt, das ihre Verbannung und ihr Kerker ist, während der Abscheu in ihr gärt ...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.07.2003

Martin Halter ist befremdet von Khadras "Schicksalstragödie im Schleier eines orientalischen Märchens, genauer: im Lumpengewand der Kolportage". Etwas gequält erzählt der Rezensent, dass Khadra zu "heftig ins Kitsch-Pedal von Liebe und Hass" tritt, wenn er die tragischen Verwicklungen um die emanzipierte Frau Zunaira im düsteren Afghanistan der Taliban beschreibt. Khadras "Leitartikel-Pathos" findet Halter zu "hölzern und tränenreich". Dadurch gewinnen seine Figuren weder soziale noch psychologische Konturen, kritisiert er. Nachsichtig gibt unser Rezensent jedoch auch zu bedenken, dass Khadra "einige gelungene poetische Passagen" und eine "edle Absicht" vorzuweisen hat: er habe offensichtlich zeigen wollen, wie fundamentalistischer Terror ein Land und seine besten Menschen zu Grunde richtet. Trotzdem beschleicht den Rezensenten der Verdacht, dass "Die Schwalben von Kabul" mehr über Algerien, Khadras Heimat, und über "das Frauenbild eines feurigen Arabers in der Blüte seiner Jahre" verrät als über Afghanistan.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.06.2003

Das Buch ist furchtbar kitschig, gesteht Karl-Markus Gauß, und im Übermaß seines Kitsches fast schon wieder kühn, behauptet er. Der Kitsch also ist es nicht, der den Rezensenten letztlich doch dazu bringt, das Buch als misslungen anzusehen. Khadra, erklärt Gauß, ist ein Pseudonym, das sich der ehemalige Offizier der algerischen Armee zugelegt und unter dem er mehrere erfolgreiche Romane über die Verhältnisse in Algerien veröffentlicht hat. Khadra lebt im Exil in Frankreich. In seinem jüngsten Roman hat er sich nun Afghanistan zur Zeit der Taliban vorgeknöpft, doch um sein Programm der "politischen Aufklärung mittels literarischer Kolportage" in jedem Fall zum Erfolg zu verhelfen, so Gauß, habe Khadra diesmal zu drastischen Mitteln gegriffen, nämlich zum Kitsch. Der ist keineswegs mit orientalischer Erzählweise zu verwechseln, meint der Rezensent. Die Geschichte von zwei Ehepaaren, deren Wege sich auf unheilvolle Weise kreuzen, erscheint ihm ziemlich hanebüchen, was Gauß dem Autor durchgehen ließe, hätte dieser sich nicht zu unmittelbar ins Geschehen eingeschlichen, indem er sich scheinbar in die Psyche einer analphabetischen Afghanin versetzt und damit Gauß zufolge die Glaubwürdigkeit der Geschichte riskiert hat.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 23.05.2003

Voller Lob ist der Rezensent Joachim Hildebrandt für diesen Roman, der im Afghanistan der Taliban spielt und eine Mischung aus "orientalischem Märchen" und dem Werk eines Dramatikers ist. Und obwohl "sein Erzählen Zurückschauen ist", hat die Erzählung doch aktuellen Wert, denn sie "führt uns die Zerrissenheit einer islamischen Gesellschaft klar und hellsichtig vor Augen". Dazu kommt, dass der Autor Yasmina Khadra nach Hildebrandts Meinung richtig gut und klar erzählen kann: "Wir können die vom Autor geschaffenen Figuren vor unseren Augen sehen". Sie seien "psychologisch stimmig". Seine Protagonisten haben angesichts der katastrophalen Realität in ihrer Stadt wenig Wahl: "Die Figuren enden in der Transzendenz des Nichts, in der Leere, und letztlich herrscht Totenstille". Dass sie trotzdem versuchen, "Herzensentscheidungen" zu treffen, zeigt den humanistischen Anspruch des Buches: "Es ist wirklichkeitsnah, versöhnt und richtet nicht".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.03.2003

Als "durch und durch abendländische Fiktion" bezeichnet Rezensent Stefan Weidner das "talibanische Afghanistan" des algerischen Krimiautoren, der ihn nicht nur literarisch enttäuscht hat. Zwar räumt Weidner ein, dass der Leser mit diesem Werk sogar sein Vergnügen haben kann. Das allerdings hängt für mit dem Plot der Geschichte zusammen, die der Rezensent kurz skizziert und die man getrost als Hard-Core-Melodram ("Gefühlswelten des 19. Jahrhunderts") bezeichnen kann. Das Problem, das der Rezensent mit dem Roman hat, ist nicht nur der recht vornehm geäußerte Kitsch-Verdacht sondern auch eines der Glaubwürdigkeit. In seinen algerischen Romanen sei es Khadra gelungen, "die Kolportage mit Erkenntnisgewinn" für den Leser einzusetzen. In diesem Roman jedoch werden die "Interferenzen mit der Realität" für den Rezensenten zum Problem, weil sie gelegentlich schlicht unrealistisch und falsch sind. Auch sei es Khadra nicht gelungen, sich in seine Protagonistin hineinzuversetzen, eine Akademikerin aus bester Familie und "zugleich eine der attraktivsten Frauen im Land", die von den Taliban ins Unglück gestürzt wird.