Viktor Martinowitsch

Nacht

Roman
Cover: Nacht
Europa Verlag, München 2023
ISBN 9783958905467
Gebunden, 424 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Franziska Zwerg. Blackout in Mitteleuropa. Die Rotation der Erde hat aufgehört. Es gibt keinen Strom mehr. Wasser ist aufgrund einer Veränderung der Atmosphäre nur stundenweise verfügbar. Ölund Kohle brennen nicht mehr, selbst Kompasse funktionieren nicht. Minsk ist zerfallen in Territorien sich gegenseitig bekriegender Clans. Knischnik ist Eigentümer der einzigen noch nicht verbrannten Bibliothek und Besitzer von Gerda, der letzten noch nicht gefressenen Hündin in Gruschewka. Eines Tages macht er sich mit nichts als einer Taschenlampe und einer alten Karte auf den Weg, seine Geliebte zu suchen, die sich zum Zeitpunkt des weltweiten Stromausfalls in Nepal aufhielt. Dort, laut Knischniks Berechnungen, sollte ewiger Sonnenaufgang sein. Auf seiner Wanderung durch die toten Landschaften macht er nicht nur unerwartete Bekanntschaften wie die mit dem Zar der Müllhalden, er lernt auch Schritt für Schritt, mit dem Herzen zu hören und zu sehen. Anders als früher, als ihm - wie allen anderen - Angst, Gewohnheit und Unkenntnis die Augen verschlossen und er ein Opfer von Propaganda und Gerüchten war, macht er nun seine ganz individuellen Erfahrungen mit Gut und Böse.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 03.06.2023

Ein "Fest des Erzählens" ist der neue Roman des Minsker Autors Viktor Martinowitsch für Rezensent Oliver Jungen: Er findet eine Dystopie vor, die so gruselig wie mitreißend ist, in der der einsame Protagonist sich durch verdunkelte Städte durchschlägt - es ist keine Elektrizität mehr für Beleuchtung da - und versucht, seine Büchersammlung nicht dem Schicksal überantworten zu müssen, als Brennholz zu enden. Die Zivilisation ist also weitestgehend kollabiert, aber der Protagonist will sich dennoch auf eine Reise machen, die Jungen als "umgekehrte Odyssee" beschreibt, er will sehen, wie es woanders aussieht. Dass das nicht in Kitsch oder Pathos endet, liegt ihm zufolge an Martinowitschs schriftstellerischem Talent, das er kaum genug loben kann und das ihn immer wieder auch an dessen eigene politische Situation in Belarus denken lässt, wo er nicht mehr öffentlich auftreten darf. Eine Dystopie, die durchaus Bezugspunkte zur aktuellen Situation hat, schließt der Kritiker, die aber auch die Hoffnung auf Besserung nicht aufgibt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.05.2023

Rezensent Karl-Markus Gauss liest zwei Romane von belarussischen Autoren, die beklemmend, aber auch durchaus unterhaltsam sind. Viktor Martinowitsch nimmt den Kritiker mit in eine dystopische Zukunftsvision, in der die Erde plötzlich aufhört, sich zu drehen. Für die Menschheit ist das eine Katastrophe: die Ressourcen-Verknappung führt zum rasanten Zivilisations-Verfall, alle früheren Sicherheiten sind dahin. Ein Antiquar in Minsk macht sich auf eine Reise durch die apokalyptische Welt, um seine verschollene Freundin zu suchen, lesen wir. Das ist nicht gerade lustig, meint der Kritiker, vor allem, weil man in der finsteren Zukunft natürlich viele Anspielungen auf unsere Gegenwart findet. Trost findet Gauss in der Liebesgeschichte, die auch diese Dunkelheit ein wenig erhellen kann.