Uwe Timm

Rot

Roman
Cover: Rot
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2001
ISBN 9783462030235
Gebunden, 429 Seiten, 22,96 EUR

Klappentext

Der neue Roman von Uwe Timm erzählt vom Jazzkritiker und Beerdigungsredner Thomas Linde, von seiner Liebesaffaire mit der Lichtdesignerin Iris, von Aschenberger, der tot ist und die Siegessäule sprengen wollte, von den Hoffnungen und Wünschen der 68er, von der Farbe Rot, von Lebensläufen und ihren Geheimnissen, von den Utopien und Verbrechen unserer Geschichte und von der Kostbarkeit des Lebens.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.01.2002

Jochen Hörisch ist von diesem Roman über einen Grabredner für ehemalige 68er und andere Atheisten hingerissen: "klug", "geschickt komponiert" und "erzählerisch überzeugend" findet er ihn. Doch am besten gefällt ihm, dass dieser "diagnosestarke, doch nie dozierende" Roman seine Figuren niemals denunziere. Vielleicht hätte Hörisch ein wenig Denunziation aber doch gefallen: denn das einzige, was er dem Autor vorzuwerfen hat, ist die "allzu sympathische" Zeichnung der Figur des Aschenbergers, eines übriggebliebenen Revolutionärs, dessen Ziel es ist, die Siegessäule zu sprengen. Insgesamt findet der Rezensent jedoch Timms "politisch-theologische" Darstellung der 68-Generation unbedingt überzeugend: Während die gescheiterten 68er immer noch an "ewige Werte" glaubten - darin den Rechten gar nicht unähnlich, meint Hörisch - hätten sich die Erfolgreichen unter ihnen "einer Diesseitshuldigung verschrieben, von der noch auszumachen sein wird, was sie von einem Kapitalismus unterscheidet, dem jeder Konsumtag zum Festtag wird", behauptet der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.10.2001

Uwe Timm passte immer schon in die Schublade des 68ers, und das Erstaunliche war, schreibt Ursula März, es hat ihn nicht einmal gestört, weil er es vermutlich nicht bemerkt hat. Dazu war er zu sehr mit Schreiben beschäftigt. Auch der Protagonist seines neuesten Romans, von dem März, sagen wir es gleich, eine Menge hält, passt genau in die 68er-Ecke. Bloß das Buch entspricht dem nicht, behauptet sie, weil es vom Konzept "gesellschaftskritischer Abbildungsliteratur" weit entfernt sei. Es weise eine Tendenz zum Absurden und zum Metaphysischen auf, beides im Beruf des Protagonisten vereint, der sowohl Jazzkritiker wie Beerdigungsredner ist. Die Idee mit dem Beerdigungsredner als Symbol unserer trost- und therapiebedürftigen Gesellschaft findet März einfach brillant und literarisch befruchtend. Zwischen Tod und Liebe ist die Hauptfigur hin- und hergerissen, die Leserschaft übernimmt die Rolle der Trauergemeinde, analysiert die Kritikerin und kommt zu dem Schluss, dass die Verschränkung der Gegensätze die Philosophie des Romans ausmacht. Von Unbelehrbarkeit und Penetranz kann nicht die Rede sein, so März. Der Autor beharre lediglich darauf, dass er von einer bestimmten Zeit geprägt wurde.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.10.2001

Manuela Reichert äußert sich sehr angetan zu Uwe Timms Roman. Auf vierhundert Seiten geht es in immer neuen Wendungen um die Selbstbegegnung eines Menschen und einer ganzen Generation, fasst sie zusammen. Timm erzähle von den Irrtümern und Hoffnungen der Achtundsechziger und wie Heinrich Manns "Untertan" auf ganz andere Art als bisher zum wegweisenden Roman dieser Generation wurde. Damit aber nicht genug: "Rot" sei auch ein besonderes Berlin-Buch und ein Stadtführer von ganz eigenen Qualitäten, lobt die Rezensentin. Der Berliner Zoo offenbart beispielsweise ungeahnte erotische Möglichkeiten, verspricht sie.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2001

Große Worte findet Ulrich Greiner für diesen neuen Roman von Uwe Timm: Er nennt ihn seinen besten. Darin wird eine Grabrede auf einen Ex-Achtundsechziger gehalten, der selbst von Beruf Grabredner für Atheisten war. Er wurde ganz profan beim Überqueren einer roten Ampel überfahren - just als er mit einem Plastiksprengsatz in der Tasche in revolutionärer Mission unterwegs war. "Verblüffend wie überzeugend in seiner Form, reich in Anschauung und Reflexion", urteilt Greiner über das Buch und lobt die "eingehend und anrührend geschilderten Biografien". Auf einer Ebene illustrierten sie bundesdeutsche Geschichte, auf einer anderen Ebene stellten sie Grundsatzfragen wie die nach dem Sinn des Lebens. Die Protagonisten des Romans seien "Subjekte und zugleich Objekte vergehender Zeit ..., dem Leben verschworen, dem Tod geweiht wie wir alle." Bei so viel Begeisterung erhebt sich beim Rezensenten die Frage, warum der Autor es trotz großer Popularität bei Lesern und Kritikern nicht in den engsten Kreis der deutschen Literaturelite geschafft habe. Den Grund dafür sieht Greiner gerade in Timms Nähe zu seinen Geschichten und in ihrer guten Lesbarkeit: Diese "amerikanischen Tugenden. ... gelten nicht übermäßig viel, in dieser (deutschen) Szenerie aus Tiefsinn und Pop, Sebald und Goetz."
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