Ulrich Raulff

Das letzte Jahrhundert der Pferde

Geschichte einer Trennung
Cover: Das letzte Jahrhundert der Pferde
C.H. Beck Verlag, München 2015
ISBN 9783406682445
Gebunden, 461 Seiten, 29,95 EUR

Klappentext

Seit Urzeiten war das Pferd der engste Partner des Menschen. Es war unverzichtbar in der Landwirtschaft, verband Städte und Länder, entschied die Kriege. Doch dann zerbrach der kentaurische Pakt, und in nur einem Jahrhundert fiel das Pferd aus der Geschichte heraus, aus der es jahrtausendelang nicht wegzudenken war. Furios erzählt Ulrich Raulff die Geschichte eines Abschieds - die Trennung von Mensch und Pferd. Der Exodus des Pferdes aus der Menschengeschichte ist ein erstaunlich unbeachteter Vorgang. Ganze Bibliotheken zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts schweigen sich aus über das Pferd, das gleichwohl in Europa und Amerika allgegenwärtig war - bis das letzte Jahrhundert der Pferde in der Zeit Napoleons anbricht und mit dem Ersten Weltkrieg ausklingt. Ulrich Raulff zieht in seinem neuen Buch alle Register der Kultur- und Literaturgeschichte und beschreibt eine untergehende Welt - ein Kapitel vom Auszug des Menschen aus der analogen Welt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.11.2015

Von souveräner Eleganz erscheint Fritz Göttler Ulrich Raulffs Kulturgeschichte der Pferde, passioniert überdies und wissenschaftlich divers. Wie der Autor das Große und das Kleine, das Erhabene und das Banale, Politische und Alltägliches, Persönliches und Universelles darin zusammenbringt, hat Göttler gefallen. Der Rezensent lernt über die Arbeitsgemeinschaft zwischen Mensch und Pferd, über die Reiterarmeen und das Pferd als Transportmittel in den Städten, über das Pferd in der Kunst und in der Literatur (nur leider nicht im Kino, wie Göttler anmerkt). Die schiere Wissensmenge im Buch beeindruckt den Rezesenten und wie Raulff den ideologischen Ballast so manchen Gedankens zum Pferde (von Spengler oder Jaspers etwa) gekonnt abwirft.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.11.2015

Der hier rezensierende Historiker Jürgen Osterhammel sieht die Geschichte von nun an als Hippophiler. Dank Ulrich Raulff weiß er nicht nur, dass dem Pferd am besten mit unsentimentalem Respekt zu begegnen ist, wo es Pferde unter prominenten Reitern und in Schlachtengemälden zu entdecken gilt oder wie sich der ein oder andere berühmte Ehebruchroman als Pferderoman lesen lässt, sondern auch, was es über Kavalleristik, Landbau mit und zu Pferd und über Pferdeanatomie zu wissen gibt. Universalhistorisch vor allem das Ende der Pferde-Ära im Blick, scheint das Buch dem Rezensenten beliebig erweiterbar. Keine Enzyklopädie, meint er, eher eine mit allen Wassern der Theorie gewaschene Sammlung kluger und überraschender Betrachtungen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.10.2015

Urs Hafner mag eigentlich lieber Schweine als Pferde. Dennoch kann er sich dem Intellekt des Autors und dessen Empathie mit dem Ross nicht entziehen. Ulrich Raulffs historischer Rückblick auf die Beziehung zwischen Mensch und Pferd beschenkt ihn mit Einsichten in den "kentaurischen Pakt" im 19. Jahrhundert und dessen Ende. Vor allem als Nachruf liest Hafner das Buch, in dem Jugenderinnerungen des Autors abwechseln mit soziologischen, wirtschaftlichen und geschichtsphilosophischen Betrachtungen. Das Tram-Pferd stellt Raulff dem Rezensenten ebenso vor wie das Pferd in der Kunst. Raulffs sprunghaftes Vorgehen will Hafner allerdings nicht immer gefallen. Eine chronologische Ordnung der Materialfülle anstelle der gewählten nach Wissenskategorien hätte dem Rezensenten besser behagt. So, findet er, zerfällt das Werk in seine Einzelteile.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.10.2015

Ulrich Raulff nennt in "Das letzte Jahrhundert der Pferde" die Symbiose aus Mensch und Tier den "kentaurischen Pakt", ohne den der Fortschritt der bürgerlichen Gesellschaft ab dem neunzehnten Jahrhundert gar nicht vorstellbar war, berichtet Detlev Claussen. Im Ackerbau, auf dem Schlachtfeld, zum Transport von Gütern und Nachrichten wurden Pferde gebraucht, Pferde wurden zur herrschaftlichen Jagd geritten und rannten um die Wette, während der Pöbel sein kleines Geld verspielte, zählt der Rezensent auf. Und das Beste ist: All diese Facetten bringt Raulff so elegant wie unterhaltsam in seinem Buch unter, das Claussen wie eine einbändige Bibliothek anmutet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.10.2015

Andreas Platthaus lobt Ulrich Raulff für dessen Pferdebuch, obgleich ihm Lektoratsversäumnisse auffallen, ein Hang des Autors zum Trab und zu letzten Worten. Als belesener Pferdenarr, wenngleich im theoretischen, Kultur-, Militärgeschichte, Literatur- und Kunstwissenschaft, Mythen und Fakten gleichermaßen umschließenden Sinne, erweist sich der Autor für ihn jedoch allemal. Und wenn Raulff zwischen eigener Anschauung (im Kindheitswinter dampfender Pferdeleiber) und prall gefülltem Zettelkasten hin- und hergaloppiert, fällt für Platthaus immer etwas ab.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 10.10.2015

Tolle Idee, scheint Cosima Lutz zu denken angesichts von Ulrich Raulffs Geschichte der Moderne als Geschichte des Pferdes. Kulturhistorisch beschlagen und erinnerungssatt erkundet der Autor laut Lutz das "universale" Subjekt als Wissenschaftler und Liebender. Wenn die Interpretations-Gäule mitunter mit Raulff durchgehen beim Ritt durchs Pferdezeitalter, beim Abwägen zwischen eigener Landkindheit und Technik- und Begriffsgeschichte, hält sich die Rezensentin eben an das im Buch aufgehobene "geheime Selbstporträt" eines Intellektuellen als junges Ross.