Ulf Erdmann Ziegler

Nichts Weißes

Roman
Cover: Nichts Weißes
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
ISBN 9783518423264
Gebunden, 255 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Dies ist die Geschichte von Marleen, die sich, noch ehe sie Lesen lernt, in die Welt der Buchstaben verliebt. Hineingeboren in eine erfolgreiche Werber- und Illustratorenfamilie, träumt sie früh von wahrhaft Großem: der perfekten Schrift. An der Kunsthochschule hat sie Rückenwind, kann Marleen sich selbst Kontur verleihen. Ihr Pioniergeist treibt sie voran, bald steckt sie mittendrin in der Jobwelt der Achtziger - und erliegt deren Verheißungen. Die Medien erfahren einen Schub, plötzlich geht alles rasend schnell, schon hat man den Halt verloren. Sie muss erste Rückschläge einstecken, berufliche wie private. Flexibilität ist gefragt, schon in den Anfangszeiten der Globalisierung, und Marleen gibt sich flexibel, koste es, was es wolle - in der Hoffnung, dass ihr Traum weniger flüchtig ist als die Welt, gegen die es gilt, ihn wahrzumachen. Mit "Nichts Weißes" legt Ulf Erdmann Ziegler den Roman einer Generation vor, für die das Hereinbrechen des Computerzeitalters identisch ist mit dem eigenen Erwachsenwerden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.10.2012

Ulf Erdmann Ziegler hat den "perfekten Deutschen-Buchpreisanwärter-Roman" geschrieben, meint Astrid Kaminski und findet eine ganze Reihe von Gründen für diese Perfektion. Das Buch sei - unter anderem - "historisch wertvoll, implizit gesellschaftskritisch", die Identifikationsfigur sei nicht "zu exotisch" und trotz einiger Witze über die Deutsche Bahn sei "Nichts Weißes" deswegen nicht gleich humorlos, wie die Rezensentin versichert. Die Perfektion reizt Kaminski aber zu leisem Widerspruch. Die Ausrutscher der ansonsten idealisierten Protagonistin Marleen seien "kluge Beigaben" des Autors, manche Charaktere entsprechen fast Stereotypen und Zieglers Erzähltechnik ähnele einem strukturalistischen Setzkasten. Dem Autor gelinge eigentlich alles, was er sich vermutlich vorgenommen habe, meint die Rezensentin. Daraus, dass der Roman den Leser nicht "sprachlich überrumpelt" oder in seine "Fragestellung verwickelt", will sie ihm deshalb keinen Vorwurf machen. Kaminskis Widerspruch bleibt - halbwegs - unterschwellig.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.09.2012

Wenn Ulf Erdmann Ziegler den Zeitgeist der Achtziger wiedererweckt, dann liest Rezensentin Susanne Gmür den Roman gern. Wenn der Autor aber die Geschichte seiner Studentin Marlene, die eine ganz neue, eine "heilige" Schrift entwickeln will, mit der Geschichte der Typografie und ihren großen Gestaltern verbindet, dann wird es der Rezensentin etwas zu papieren. Hinter jedem Wort und jedem Namen lauere eine Anspielung, moniert die Rezensentin, alles in dem Text sei symbolisch, formal und sprachlich so stilisiert, dass die Figuren kein Leben entwickeln, sondern zu reinen - und durchaus widersprüchlichen - Trägern von Funktionen, Themen und Anekdoten verkommen. Seltsam findet Gmür zudem die "Distanz ohne Eigenschaft", die Erdmann Ziegler gegenüber seiner eigenen Erzählung hege, wie auch die mitunter durchscheinende "altmodische Prüderie".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.09.2012

Doch, es ist ein richtiger Roman, versichert Rezensent Hubert Winkels. Er spielt hauptsächlich im Düsseldorf der siebziger, achtziger Jahre und seine Protagonisten sind eine Familie bestehend aus Vater (Werber), Mutter (Gebrauchsgrafikerin), Töchtern, von denen nur Marleen (Grafikerin) eine tragende Rolle zu spielen scheint. Während die Eltern auf Sinnsuche der Religion erliegen, sucht Marleen eine neue Schrift, die modern, das heißt eigenschaftslos, quasi unsichtbar sein soll, so Winkels. Warum der Erfinder einer solchen Schrift zum "Gott der Gottlosigkeit" wird, erklärt Winkels nicht. Doch so viel wird in seiner Kritik klar: Ziegler geht es in seiner Geschichte um das Verhältnis von traditioneller abendländischer Kultur und Moderne, das weniger von Gegensätzen geprägt sei als von Vermischung, Spiegelung, Überblendung. Winkels findet das Thema interessant, auch Zieglers Ansatz, diese Geschichte über die Geschichte der Werbegrafik zu erzählen, gefällt ihm. Nur die ausgestellt kunstvolle Form, die aufdringliche "Metaphysik des Buchstabens", die Ziegler seiner Ansicht nach hier betreibt, "ärgert ein wenig".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.09.2012

Der Autor muss seine Heldin wahrlich lieben. Roman Bucheli jedenfalls stellt sich Ulf Erdmann Zieglers 20-jährige Marleen, Typografin aus Leidenschaft, Suchende von Alters wegen, als eine glückliche Frau vor. Am Ende geht sie ins Offene, Weite, wie Bucheli schreibt. Davor liegen feinfühlig und zurückhaltend, Bucheli nennt es auch elegant, gezeichnete Momente der Biografie einer jungen Frau, deren Alter für Bucheli literarisches Niemandsland darstellt, bis jetzt. Ziegler gelingt es, den Rezensenten für diese Lebenswelt zu interessieren, für ihre Vergangenheit wie für ihre Zukunft, für Sehnsucht, Schmerz, Hoffnung und Ängste der jungen Frau.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.09.2012

Sehr eingenommen ist Alexander Košenina für Ulf Erdmann Zieglers zweiten Roman "Nichts Weißes". Die Geschichte der höchst talentierten Typografin Marleen Schuller, einer "Buchstabenmönchin", führt den Leser in die Welt der Setzer, Schriftschneider und Grafikdesigner, berichtet der Rezensent. Er schätzt  Ziegler als präzisen Beobachter, der immer wieder beißende Kritik etwa am Gerede der Werbeleute übt. Vor allem aber lobt er den Autor als "raffinierten Sprachkünstler", der souverän subtile Anspielungen und Bezüge knüpft.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 23.08.2012

Wie schon in seinen früheren Büchern spielt in Ulf Erdmann Zieglers jüngstem Roman die magische Kraft von Ort und Name eine maßgebliche Rolle, ebenso wie die Medien, hier die Schrift, erklärt Rezensent Ulrich Rüdenauer. In "Nichts Weißes" entrollt der Autor die Geschichte der Legasthenikerin und "Buchstabenmönchin" Marleen, die sich dem Entwurf der perfekten Schrift verschrieben hat. An ihrer Geschichte kann der Rezensent eine typische Entwicklung in den 1970er und 1980 Jahren nachvollziehen, folgt der Heldin durch Universitäts- und Wohngemeinschaftszeit, Liebesbeziehung und Praktikum bei einem Verleger, hinter dem Rüdenauer unschwer den Buchgestalter der "Anderen Bibliothek", Franz Geno, erkennt. Aufs Schönste findet der Rezensent hier das "universitäre und das katholisch geprägte Herkunftsmilieu" geschildert und besonders gefällt ihm, dass es dem Autor großartig gelingt, eine ganze Generation einzufangen, ohne dass er seine Figuren vorführt. Dabei weht es den Rezensenten merkwürdig an, dass die Protagonisten noch nichts vom Ende des Gutenberg-Zeitalters ahnen, als dessen Schwanengesang Rüdenauer diesen klug und manchmal komisch und dabei beeindruckend leichthändig geschriebenen Roman gelesen hat.
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