Tim Parks

Doppelleben

Roman
Cover: Doppelleben
Antje Kunstmann Verlag, München 2003
ISBN 9783888973239
Gebunden, 420 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Michael Schulte. Daniel Savage ist Richter Ihrer Majestät. Spezialität: Vertrackte Strafverfahren vor dem Hintergrund der multikulturell eingefärbten englischen Vorstädte. Ein Teil jener unordentlichen Gegenwart ist Richter Savage selbst: dunkelhäutig, mit einer englischen Klavierlehrerin verheiratet, Vater zweier Kinder und, im Kontrast zu seinem der Wahrheitsfindung verschriebenen Beruf, ein notorischer Lügner. Nun aber hat er, nach diversen Seitensprüngen, Frieden mit seiner Frau geschlossen. Den Kennerblick auf andere Frauen allerdings kann er sich nicht mehr abgewöhnen und die Stimmen aus seinem abgelegten Doppelleben wollen auch nicht verstummen...

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.07.2003

Nicht gerade begeistert zeigt sich der Rezensent Kai Martin Wiegandt von Tim Parks Roman über das "Doppelleben" eines Richters, der sich in seinen Lügen verstrickt. Der Autor scheint seiner Meinung nach "von kaum etwas inspiriert", das Buch läse sich "wie das Ergebnis einer sehr ausgetüftelten Arbeitsanstrengung". Durchaus akzeptabel findet der Rezensent die "Innenansicht einer Familie", die er in der "glänzenden Beobachtungsgabe" des Autors begründet sieht. Das Potential der anderen in die Geschichte eingewobenen Themen "Rasse - Immigration - Diskriminierung" sieht er hingegen nicht optimal eingesetzt. Der Autor hätte sich "nicht so viel Gepäck aufladen" sollen, meint der Rezensent, der darüber hinaus auch die nachlässige Übersetzung bemängelt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.06.2003

Tim Parks Romane stellen für Ursula März ein "Musterbeispiel für die Quadratur des Kreises aus E- und U-Literatur" dar. Das Neben- und Ineinander moderner Erzähltechniken und reißerischer Themen wie Ehebruch, Sex-Skandal, Tod und Selbstmord, das Miteinander von Banalem und Tragischem ist typisch für Parks, meint März und gerät ins Schwärmen: Für sie ist Parks der Autor der Gegenwart, weil seine Bücher der Gegenwart ein Gesicht geben. In dieser Übereinstimmung von Zeit und Werk liegt für März die Stärke sowie "notgedrungen" auch die Schwäche von "Doppelleben", dem jüngsten Roman von Parks, der das skandalöse Liebesleben eines Richters aufrollt, eines "Fließbandarbeiters des Amourösen", wie März ihn nennt. Der Roman ist Parks-typisch aus der Innenperspektive des Richters geschrieben, der im Verlauf des Romans durch den Anruf einer Ex-Geliebten in seltsame Machenschaften gerät und am Ende Haus und Familie verliert. Das klingt nach klassischem Kriminal- oder Unterhaltungsroman, wird aber durch die Technik des inneren Monologs dicht an die Hysteriegrenze getrieben und verdichtet sich zu einer eindringlichen Persönlichkeitsstudie, versichert März, wobei nicht nur der Protagonist, sondern auch die Leser irgendwann den Überblick über die Ereignisse verlören. Klingt da doch ein bisschen Kritik mit?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 05.04.2003

Tim Parks' Roman "Doppelleben" ist nach Ansicht von Steffen Richter schlicht ein "Ärgernis". Zwar lasse sich aus der Geschichte um einen Richter, der, beruflich der Wahrheit verpflichtet, privat ein Lügner vor dem Herrn, ein Doppelleben führt, einiges lernen, räumt der Rezensent ein. Etwa über die Psychologie von Gerichtsverhandlungen oder darüber, wie sich die Midlifecrisis im Privatleben der englischen Mittelklasse manifestiert. Aber Parks neuen Buch fehlt es zum Bedauern Richters an Allem, was seine Romane sonst auszeichnet. Das Buch lese sich, urteilt Richter, "als würde man einem in Zeitlupe abgespielten Film über ein Schneckenrennen zusehen". Dass Parks ein Virtuose seines Handwerks sei, kann Richter nach der Lektüre nicht bestätigen, auch wenn ein "Teil des Desasters" aufs Konto der Übersetzung gehe. Alles in allem bleibt für Richter der Verdacht, "dass hier ein interessanter und drängender Stoff einem unbedarften Erzählen und merkantilem Erfolgsdruck zum Opfer gefallen ist".
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