Stefan-Ludwig Hoffmann

Der Riss in der Zeit

Kosellecks ungeschriebene Historik
Cover: Der Riss in der Zeit
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518299999
Kartoniert, 392 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Geschichte ereignet sich in der Zeit. Aber wie? Als Fortschritt in aufsteigender Linie? Oder als Kreislauf in der ewigen Wiederkehr des Gleichen? Diesen beiden geläufigen Vorstellungen hat der Historiker Reinhart Koselleck eine dritte hinzugefügt: Nicht die Geschichte wiederholt sich, sondern die Bedingungen möglicher Geschichten. Nur wenn wir wissen, was sich wiederholt, erkennen wir das überraschend Neue: den Riss in der Zeit. Koselleck hat zeitlebens seine Theorie historischen Wissens in immer neuen Anläufen umrissen. Auf der Grundlage unveröffentlichten Materials aus dem Nachlass rekonstruiert Stefan-Ludwig Hoffmann Kosellecks intellektuelle Biografie und dessen ungeschriebenes Buch: seine Historik.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.04.2023

Für den Rezensenten Achim Landwehr ist Stefan-Ludwig Hoffmanns Buch keine klassische Intellektuellen-Biografie. Eher gelingt dem Autor in der archivgestützten Auseinandersetzung mit dem Historiker Reinhart Koselleck das einsichtsreiche Nachzeichnen eines akademischen Karriere in der BRD, meint er. Dieser Teil gefällt Landwehr besonders, auch, da Kosellecks Prägung durch den Krieg deutlich wird. Im weiteren des Buches findet Landwehr als Koselleck-Kenner nur wenig Überraschendes. Insbesondere bei der Behandlung geschichtstheoretischer Fragen hätte der Autor gern mehr anbieten dürfen als bloße Rekonstruktion, denkt der Rezensent. Die Frage, ob und warum die Beschäftigung mit Koselleck weiterhin lohnt, findet er im Buch nicht beantwortet.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.04.2023

Fast schwärmerisch klingt diese Rezension, allerdings gerät sie dem Rezensenten Alexander Cammann eher zu einer Hommage auf Koselleck selbst, der neben Carl Schmitt, Theodor W. Adorno und Niklas Luhmann sicher zu den Idolen des deutschen Feuilletonismus gehört. Koselleck war ja auch Schmitt-Schüler erzählt er, aber der Biograf Stefan-Ludwig Hoffmann zeige, dass sich Kosellecks konservative, gegen die französische Tradition der Aufklärung gerichtete Impulse sehr wohl aus eigenem Denken speisten und nicht aus Abhängigkeit von Schmitt. Cammann erinnert auch an die Kontroverse mit Jürgen Habermas, der Koselleck einerseits als Sprachrohr Schmitts denunzierte und andererseits im "Strukturwandel " ausgiebig zitierte. Cammann kommt auch auf Kosellecks traumatische Kriegserfahrungen zurück. Er wurde in der Ukraine verletzt, musste als Kriegsgefangener nach 45 in Auschwitz Anlagen der IG Farben demontieren und kam schließlich in ein Lager in Kasachstan. Hieraus speist sich laut Cammanns Kosellecks Konservatismus: Keine Fortschrittsideologie sollte mehr ihre Kollateralschäden am Wegesrand hinterlassen. Kosellecks Essays solle man gerade jetzt wiederlesen, empfiehlt der Rezensent.