Sabine Gruber

Stillbach oder Die Sehnsucht

Roman
Cover: Stillbach oder Die Sehnsucht
C.H. Beck Verlag, München 2011
ISBN 9783406621666
Gebunden, 380 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Als ihre beste Freundin Ines in Rom plötzlich stirbt, reist Clara Burger aus Stillbach in Südtirol an, um Ines Haushalt aufzulösen. Dabei entdeckt sie ein Romanmanuskript, das im Rom des Jahres 1978 spielt, dem Jahr der Entführung und Tötung Aldo Moros. Darin beschreibt Ines offenbar ihre eigene Ferienarbeit vor mehr als dreißig Jahren als Zimmermädchen im Hotel Manente, schreibt von Liebe, Verrat und Subversion, erzählt aber die Geschichte ihrer Chefin Emma Manente, die seit 1938 in Rom lebt und zum Leidwesen ihrer Südtiroler Familie einen Italiener geheiratet hat. War sie tatsächlich Johann aus Stillbach versprochen gewesen, der 1944 bei einem Partisanenanschlag in Rom getötet worden war? Und ist der Historiker Paul, den Clara in Rom kennenlernt, der Geliebte von Ines aus jenem Jahr? Wie wirken die Spannungen um Südtirol und seine Zugehörigkeit seit der NS-Zeit und dem Faschismus bis heute nach?

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.10.2011

Sehr angetan berichtet Karl-Markus Gauß von seiner Lektüre dieses vierten Romans von Sabine Gruber. Laut Gauß gelingt der Autorin mit ihrer vielschichtigen, verschiedene Zeiten berührenden Erzählung über das Schicksal einiger Südtiroler Frauen zwischen 1938 und 1987 ein zeithistorisches Bild, das die politischen wie biografischen Komplikationen geschickt miteinander verbindet. Sowohl die geopolitischen Besonderheiten Südtirols, die Gruber essayistisch einzufügen weiß als auch die Spiegelung ihrer Themen und Motive noch in den kleinsten Nebenfiguren und -handlungssträngen haben Gauß von der kompositorischen Souveränität der Autorin überzeugt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.09.2011

Nicht gerade sehnsüchtig nach diesem Buch zeigt sich der Rezensent beim Lesen. Verstehen wir Alexander Kosenina richtig, hat sich die Autorin Sabine Gruber ein bisschen zu viel vorgenommen, als sie ihrem Ehrgeiz nachgab, das Schicksal der Tiroler im Zweiten Weltkrieg, eigentlich ein Thema historischer Spezialforschung, wie Kosenina meint, mit der fiktiven Biografie dreier Frauen zu verquicken, die auch noch die Autorin des vorliegenden Romans kennen. Zwar weiß Kosenina den heiklen Stoff um die Resistenza und die Gräueltaten der Nazis in Oberitalien bei der Autorin in sensiblen Händen, und auch sprachlich enttäuscht sie ihn nicht. Doch ihre Furcht, den Roman gegenüber dem Geschichtswerk ins Hintertreffen geraten gelassen zu haben, ist für ihn in den Konstruktionskapriolen des Buches unangenehm spürbar. Lesevergnügen, warnt er, gibt es in diesem Fall nur unter der Bedingung eines ausgeprägten geschichtlichen Interesses.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 02.09.2011

Mit ihrem neuen Roman schließt Sabine Gruber eine Lücke in der Aufarbeitung der "südtirolerisch-italienisch-deutschen" Geschichte gelungen, meint Rezensentin Barbara von Becker. Nicht nur zwischen drei Ländern, sondern auch zwischen drei Frauen und drei Zeitebenen entwickelt Gruber die Geschichte ihres Romans. Es geht um die deutsche Besatzung Italiens von 1943 bis 1945 und den Linksterrorismus der Roten Brigaden in den 70er Jahren. In einem Rückblick werden diese Geschichten aus heutiger Sicht betrachtet. In diesen sich "virtuos durchdringenden Zeitebenen" konnte sich Becker aber gut zurechtfinden, nur Sabine Grubers historische Recherche war für sie an einigen Stellen zu detailreich ausgebreitet.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.08.2011

Das übergeordnete historische Moment, der die vier Hauptfiguren von Sabine Grubers Roman "auf fast schon metaphysische Weise" verbindet, ist das Attentat italienischer Widerstandkämpfer auf das Südtiroler Polizeiregiment in Bozen 1944 und das darauf folgende Massaker an italienischen Zivilisten durch die Deutschen in den Ardeatinischen Höhlen, erklärt Andrea Heinz. Nicht nur der Roman selbst, auch eine der Hauptfiguren ist regelrecht von Geschichte besessen, meint sie und sieht insbesondere in der Wahl von Südtirol als Handlungs- und Fluchtpunkt das zurzeit gern verhandelte Thema "Grenzen" verarbeitet. Die Autorin, selbst Südtirolerin, fragt darin nach Grenzen zwischen Ländern und Menschen, Fremdenhass und Krieg, und auch wenn die Rezensentin anerkennt, dass Gruber darin eine immense Faktenfülle unterbringe und die Frage durchaus "spannend" sei - "originell" ist sie genauso wenig wie die Lösungen, die die Autorin vorzuschlagen hat, meint Rezensentin Heinz.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.07.2011

Der Anschlag der italienischen Resistenza auf eine Südtiroler Polizeibrigade in der Via Rasella am 23. März 1944 ist Ausgangspunkt der Handlung dieses Romans, erzählt Rezensent Gustav Seibt. Eine der drei weiblichen Hauptfiguren, die Stillbacherin Emma, verliert dabei ihren Verlobten und lässt sich dauerhaft in Rom nieder. In ihrer Heimat fortan als Verräterin abgestempelt, in Rom nie richtig angekommen, wird sie für den Rezensenten zum exemplarischen Opfer des "ethnischen Wahns des 20. Jahrhunderts". Zwei weitere Stillbacherinnen würden mit der Erinnerung an die Geschehnisse in der Via Rasella konfrontiert, und zwar einmal in den späten Siebzigern und ein weiteres Mal nach der Jahrtausendwende. Diese mehrfache Verschachtelung der erzählten Geschichte - sogar ein Roman im Roman sei enthalten - zeugt nach Meinung des Kritkers einerseits von narrativer Raffinesse, andererseits ist sie ihm etwas zu aufgesetzt. Umso überschwänglicher lobt Seibt die historische Genauigkeit und Detailtreue des Romans.
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