Philip Roth

Jedermann

Roman
Cover: Jedermann
Carl Hanser Verlag, München 2006
ISBN 9783446208032
Gebunden, 172 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz. Philip Roth erzählt die Geschichte eines Lebens, wie es normaler nicht sein könnte. Von der ersten schockierenden Konfrontation mit dem Tod in den Sommerferien seines Helden über die familiären Wirren und die beruflichen Erfolge in seinem Erwachsenenleben als Designer in einer Werbeagentur bis hin zu der Zeit, als ihm die eigenen Gebrechen zusetzen. Er ist der Vater zweier Söhne aus erster Ehe, die ihn verachten, und einer Tochter aus einer späteren Ehe, die ihn vergöttert. Er liebt, hasst und neidet und muss am Ende erkennen, dass er das wirklich große Glück nie erreicht hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.10.2006

So gut und so bewegend wie in dieser "unnachahmlich trocken" erzählten und "auf das Wesentliche reduzierten" Novelle über Krankheit und Tod war Philip Roth aus Sicht von Rezensentin Martina Meister noch nie. Schon den Beginn des Romans findet sie "grandios": Man befinde sich auf der Beerdigung des Protagonisten, und in der Skizze der Trauergäste am Grab lasse Roth schon "müde, aber auf meisterhafte Weise" das Leben des Toten durchschimmern, das der Roman dann noch einmal aufrolle. Die "Versuchsanordnung" der Geschichte sei von Hugo von Hoffmannsthals spätmittelalterlichen Mysterienspiel "Jedermann" inspiriert, lesen wir. Nur habe Roth in seiner Variation jetzt "Gott, Himmel und Ewigkeit" aus dem Angebot genommen. Schaudernd und immer wieder an die eigene Existenz gerührt, präsentiert Meister Details aus dem Roman, der ihr zwischendurch wie "ein wütendes Testament" Roths vorgekommen ist, wie eine "grandiose Verabschiedung aus der Literatur". Denn die Literatur habe zwar nicht das letzte Wort über den Tod, aber doch die Macht, "dem sinnlosen Geräusch der Erde, die auf das Holz des Sarges" falle, Bedeutung abzulauschen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.09.2006

Lange hat Rezensent Fritz J. Raddatz keine ihn "so tief verstörende, zugleich innige wie verzweifelte" Erzählung über das Verlöschen des Menschen mehr gelesen, wie Philip Roths jüngsten Roman. Mit äußerster Bewegung skizziert er die Geschichte von Roths Protagonisten, seinem Altern und seiner Lebenssehnsucht, seiner Angst vor dem Tod - eben diese ganze für Raddatz im vorliegenden Fall "überraschend zart" geratene Variation des Themas vom "Versinken ins Nichts". Dem Rezensenten geht die Geschichte von Krankheit und Sterben sichtlich nahe und manchmal spürt man, dass sie ihm sogar äußerstes Unbehagen bereitet. "Ich kann mich wieder finden im Würgen dieses Buchs", lesen wir, selbst von gewisser Bedrückung gepackt. Den Schlüsselsatz dieses "erbarmungslosen" Romans "Das Alter ist ein Massaker", unterschreibt Raddatz blind. Stilistisch will der Rezensent den Roman fast schon als Prosagedicht eingeordnet wissen, und gibt schließlich voller Ehrfurcht für Roth zu Protokoll, dass dessen Abgesang auf das Leben keinen einzigen Schluchzer hören lasse. "Das Buch hat die Kälte der Kunst."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.09.2006

Nun hat auch Philip Roth seinen "Jedermann" geschrieben, die Begegnung eines Menschen unserer Zeit mit seinem Tod, berichtet Rezensent Hubert Spiegel. Der schmale Roman spanne seinen Bogen vom Tode bis zum Tode: Er beginne mit dem Tod des jüdischen Mittelständlers Jedermann, folge den "Gedankengängen (s)eines postmortalen Bewusstseins" und dessen Erinnerungen an das Leben, um dann mit dem Moment des Sterbens zu schließen. Im Zentrum von Roths "Jedermann" stehe die Erkenntnis der großen Einsamkeit, nicht nur nach dem Tod oder im Angesicht desselben, sondern schon im Leben. Lobend erwähnt der Rezensent, dass Roths Lebensbericht einen lakonischen, nüchternen, mitunter "krankenaktenhaften", aber keineswegs pathetischen Ton anschlägt. Doch durch diese vorgeschobene Lakonie dringe eine ganz andere Empfindung. Philip Roth ist und bleibt ein "großer Erotomane und kalter Zyniker", schreibt der Rezensent, aber durch seinen "Jedermann" weht "eine ungeheure Zärtlichkeit für das Leben an sich": "Es ist die große, vorsichtige, den Hals zuschnürende Zärtlichkeit, mit der wir ein aus seinem Nest gefallenes Vogeljunges betrachten und uns fragen, ob wir ihm noch helfen können."
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.08.2006

Herrlich illusionslos sei Philip Roth auch in seinem siebenundzwanzigstem Buch, notiert Rezensentin Andrea Köhler eingenommen. Nur der Tod selbst sei als schmerzfreier Herzstillstand unehrenhaft beschönigt inszeniert. Ansonsten blicke der wie gewohnt autobiografisch gefärbte Erzähler bei Philip Roth auf sein eigenes Begräbnis zurück, um sein Leben samt zugehörigem Personal Revue passieren zu lassen. Auch Roth komme wie all seine Kollegen, die schon einen Toten erzählen haben lassen, über die Stimme eines Lebenden nicht hinaus, stellt Köhler fest, sie attestiert Roth aber, in dieser Hinsicht "auf sehr berührende Weise" zu scheitern. Roth schreibe mit all seiner im Laufe von 26 Romanen gemusterten Lakonie über den Tod, die Fehler des Lebens und die Krankheiten. An einigen wenigen "strahlenden" Stellen aber, wenn es um die idyllisch verklärte Kindheit gehe, kommt der Rezensentin ein Hauch von "Wehmut" entgegen. Bei der gelungenen Überrtragung dieser zweiten, versteckten Ebene wird Köhler dann auch die Qualität von Werner Schmitz' Übersetzung klar.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.08.2006

Dieses Buch kann leicht die "erste Altersdepression" auslösen, warnt Gerrit Bartels, wegen der unaufhörlichen Abfolge von Krankheiten, die den Protagonisten im Laufe seines Lebens befallen haben und die hier im Rückblick ausnahmslos und minutiös geschildert werden. Das hört sich erst mal unerträglich an, gibt Bartels zu, aber zum Glück sei es Philip Roth, einer der Großen unter den amerikanischen Erzählern, der hier schreibt. Und der dem Rezensenten mit "sparsamen, aber hinreißenden" Erinnerungen an die Jugend des Helden, mit "hintersinnig großen Sätzen" sowie mit einer immer plastischer werdenden Beschreibung der Sinnlosigkeit des Alterns die Lektüre versüßt. Was Roth von Martin Walser unterscheidet - beide haben es ja mit dem Alter, dem Tod und den Frauen - ist die Ergebenheit, mit der sich der Protagonist hier in sein Schicksal fügt, notiert Bartels noch.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.08.2006

Immer wieder anrührend, aber im Wesentlichen doch zu mechanisch hat der "unvergleichliche" Philip Roth nach Ansicht von Rezensent Ijoma Mangold hier sein sonst so "unerschöpfliches Erzählgenie" eingesetzt. Sein großes Thema, nämlich "die Fülle des Lebendigen gegen das Nichts des Todes zu stellen", führe Roth diesmal etwas zu rechthaberisch aus. Es beginne auf dem Friedhof mit der Beerdingung des namenlosen Protagonisten und blicke von dort zurück auf "frühere Krankheiten und Operationen", Ehen und sonstige Lebenskatastrophen, um dann auf dem OP-Tisch mit dem Tod zu enden. Mangold sieht zwar auch diesen Roman um das Thema "Lebendigkeit" kreisen. Aber eben "ex negativo". Roths Botschaft "Wir müssen alle sterben" wäre natürlich unbestreitbar richtig, aber eben auch nicht wirklich weltbewegend. Alles in allem ist der Roman dem Rezensenten zu allegorisch geraten. "Die Fülle des Lebendigen", die der Rezensent bei Roth sonst wuchern sieht, fehlt ihm in diesem Roman.
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