Peter Schneider

Skylla

Roman
Cover: Skylla
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2005
ISBN 9783871344329
Gebunden, 464 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Der Berliner Anwalt Leo Brenner hat eine Frau geheiratet, die er zu kennen glaubt, denn ihm verdankt die schöne Lucynna die Scheidung von ihrem ersten Mann. Mit ihrer kleinen Tochter wollen die beiden einen Sommer in der Toskana verbringen, flüchten aber vor dem Regen in den Süden, nach Latium. Leo und Lucynna verlieben sich in die von Touristen unberührte Landschaft und kaufen eine Ruine auf einem Hügel mit spektakulärem Meerblick - allen gut gemeinten Warnungen von Freunden und Einheimischen zum Trotz. Während der Bauarbeiten entdeckt Lucynna, einst passionierte Archäologin, ein antikes Mosaik: Odysseus und seine Gefährten passieren die Meerenge zwischen Skylla und Charybdis.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.07.2005

Für Martin Krumbholz ist dieser recht verheißungsvolle Roman "komplett missglückt", weil seine besten Elemente vom Autor nicht richtig verknüpft werden und dadurch ins "Episodische verlaufen". Der einstige 68er-Ideologe Leo Brenner baut, mittlerweile als Anwalt etabliert, in Italien ein Haus, wobei beim Bau einiges schief geht, seine Frau ein antikes Mosaik der Skylla von kunsthistorischer Brisanz ausgräbt, zwischenzeitlich verschwindet und schließlich ein alter Weggefährte von Brenner auftaucht, der ihn für seine damals verfassten Pamphlete mit dem Tenor "Sprengt Springer" zur Verantwortung ziehen will. Schneider schreibt Brenners Ehefrau selbst Eigenschaften der Skylla zu und lässt so den "Mythos" im Roman geschickt "Fleisch werden", stellt Krumbholz durchaus anerkennend fest. Was zunächst wie ein "Kunst-Krimi" scheint, in dem der Autor beeindruckend sachverständig über das Skylla-Mosaik und die kunsthistorischen Auseinandersetzungen darum schreibt, wird im weiteren Verlauf zur Auseinandersetzung mit der politischen Vergangenheit Brenners. Hier aber fehlt eben das "verbindende Glied" zum Rest des Romans, wie Krumbholz enttäuscht bemerkt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.06.2005

Zu dick aufgetragen hat Peter Schneider in seinem neuen Roman nach Ansicht von Rezensentin Kristina Maidt-Zinke. Neben der Geschichte eines Hausbaus mit Hindernissen im italienischen Latium und dem damit verschränkten Versuch einer Italiensatire findet Maidt-Zinke in "Skylla" noch ein Liebes- und Ehedrama, einen Psychothriller, einen Archäologie-Krimi sowie die Abrechnung mit den Lebenslügen von Achtundsechzig. Einerseits erscheint ihr das Ganze durchaus "unterhaltsam" - abgesehen von den "etwas langatmigen bautechnischen Exkursen und einer nie ganz unterdrückten basisdeutschen Übellaune". Andererseits stört sie, dass alles mit einer Bedeutung aufgeladen sei, die nur oberflächliche Spannung erzeuge. Zudem sieht den Erzählfluss des Thrillers erheblich verlangsamt wegen Schneiders Anliegen, Mythen zu entzaubern und Selbsttäuschungen aufzudecken. "In der Enge zwischen Skylla und Charybdis wäre dieser Roman wegen thematischer Überfettung steckengeblieben", resümiert die Rezensentin sarkastisch. "Als Lesefutter für den Mittelmeerurlaub hat er seine Meriten, inklusive einiger Sexszenen mit Stilblütenduft."
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.05.2005

Einen zwiespältigen Eindruck hat Peter Schneiders Roman "Skylla" bei Gerrit Bartels hinterlassen. Die Geschichte über ein Berliner Ehepaar, er Architekt, sie Archäologin, das beim Hausbau zwischen Rom und Neapel ein Skylla-Mosaik in ihrem Garten findet und darüber in den Streit zweier italienischer Archäologen um die richtige Rekonstruktion gerät, lobt er zwar als "luftig-locker" erzählt. Dass Schneider in einem Romanstrang dann aber seine eigene 68er-Sozialisation einbringt, geht Bartels doch etwas gegen den Strich. Zumal ihm dieser Strang - es geht um die Begegnung des Ich-Erzählers mit einem ehemaligen Genossen, einem abgehalfterten Alt-68er - "völlig überflüssig" erscheint. Auch die symbolische Sexszene, bei der sich des Architekten Gattin beim Beischlaf mit ihrem Mann unter Knurren, Bellen und Beißen in Skylla verwandelt, findet Bartels daneben. "Ob-la-di, ob-la-da, Skylla hie, Symbolik da", resümiert der Rezensent. "Etwas weniger davon hätte dem Roman auch nicht geschadet."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.04.2005

Spephan Reinhardt freut sich, dass Peter Schneider drei Jahrzehnte nach "Lenz" wieder - literarisch, denn in Wirklichkeit ist er ja ohnehin dort zu Hause - den Weg nach Italien findet. Und auch inhaltlich wandelt er auf ähnlichen Pfaden, stellt die existenzielle Alltäglichkeit des Daseins in Italien der Kopflastigkeit entgegen. Doch es geht um mehr: Schneider, schreibt Reinhardt, verbindet die Handlung um einen Berliner Scheidungsanwalt, der sich im Urlaub in die Landschaft des Latium verliebt, und seine Frau, die ebendort ihre Leidenschaft für Archäologie entdeckt und gleichsam in ihrer eigenen Vergangenheit gräbt, mit der mythologischen Geschichte der Titelfigur. Mit "Ironie, Humor und Leichtigkeit", wie man das von ihm gewohnt ist. Fazit des Rezensenten: eine "wohlgelaunte Hommage auf das chaotische, wunderbare Italien - in dem es 'immer einen Ausweg' gibt".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.04.2005

Thomas E. Schmidt hält Peter Schneiders Roman für künstlerisch gescheitert. Warum? Weil er mit seinen Themen ein "Lektüreversprechen" - 68, Deutsche und Italien, Ehe und Scheitern - ausgibt, das er gar nicht gewillt ist zu halten. Es geht um die Lebenslügen seines Protagonisten Leo Berger, eines Achtundsechzigers und Anwalts; seine politische Biografie, seine private Verbindung - sie werden entzaubert, doch dann, so Schmidt, "bleibt ein Loch, das im Leben seinen kathartischen Sinn haben mag, aber nicht in der Literatur". In der mythologischen Landschaft des Latium, wo Brenner und seine Frau ein Haus bauen wollen, wird die Erzählung von Ideologie und Leben in eine skeptische Schneidersche "Kulturtheorie" überführt, die den Kampf mit den Dämonen zugunsten des Bemühens um eine "Lebbarkeit der Existenz" aufgeben will. Die Aufklärung der Vergangenheit, die Zertrümmerung der "Eigenmythologie", sie lösen gar nichts - man kann nur schlecht oder recht weiterleben wie die Italiener in diesem Landstrich, der "voller Bedeutungen", aber ohne "Erklärungen" ist. "Diese Aussage schiebt sich massiv vors Erzählte", schreibt Schmidt, doch "sie geht nicht plausibel aus der Geschichte hervor, sie wirkt hervorgepresst." Fazit: Sinnstiftung ist zwar auch nicht unbedingt das Wahre, wenn es um die Historisierung von Achtundsechzig geht, "aber die demütige Rückkehr zum Alltag macht noch keinen gelungenen Roman."
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