Patricia Melo

Gestapelte Frauen

Roman
Cover: Gestapelte Frauen
Unionsverlag, Zürich 2021
ISBN 9783293005686
Gebunden, 256 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Portugiesischen von Barbara Mesquita. Sie verliebt sich schnell in Amir - charmant, intelligent, interessiert. Die Unterhaltungen belebend, die Nächte im lebhaften São Paulo berauschend. Dann die Ohrfeige, die Beleidigung. Um so weit weg wie nur möglich von ihm zu sein, nimmt die junge Anwältin eine Stelle im entlegenen Cruzeiro do Sul an. Als Beobachterin nimmt sie an Gerichtsverhandlungen zu brutalen Frauenmorden teil. Immer näher kommt sie dem Leben der Opfer - den Töchtern, den Müttern, den Freundinnen. Und immer eindringlicher verfolgen sie Bilder aus ihrer Kindheit, Bilder ihrer eigenen Mutter. Um der Wirklichkeit zu entkommen, flüchtet sie sich in eine Traumwelt - in geheimnisumwirkte Wälder und Flüsse, an die Seite von Amazonen, die die Täter verfolgen. In der Realität aber scheint die Gerechtigkeit unerreichbar.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.03.2021

Rezensentin Sylvia Staude hat diesen Roman über eine junge Anwältin aus São Paulo, die in die brasilianische Provinz Acre geschickt wird, um Daten zu Gewalttaten an Frauen zu sammeln, nur schwer ertragen. Die endlosen Variationen der schrecklichen Taten, die ihre Hauptfigur aufzeichnet, sind in den Augen der Kritikerin viel zu real, um sich von ihnen zu distanzieren. Da die Protagonistin selbst auch von einem Mann bedroht wird und Staude bald nicht mehr unterscheiden konnte, was wirklich passiert und was nur eine Rachefantasie der Anwältin ist, sieht sich die Rezensentin einem berechtigterweise wütenden, aber auch dichten und vor dunklen Emotionen "flimmernden" Text gegenüber, der ihrer Meinung nach ein Plädoyer ist, der Gewalt an Frauen endlich Einhalt zu gebieten.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 12.03.2021

Rezensent Thomas Wörtche schaudert bei der Brutalität, von der Patrícia Melos Roman erzählt: Es geht um die systematische Ermordung von Frauen, die im brasilianischen Amazonasgebiet verbreitet ist, und von einer Anwältin, die dem Treiben machtlos zusehen muss. Der Roman zeigt dem Rezensenten eindrücklich, dass die Femizide nicht nur in Brasilien ein "riesiges systematisches Problem" seien, das von der männlich dominierten Politik geduldet werde und die blutigen Rachefantasien der Protagonistin fast gerechtfertigt erscheinen lasse, so Wörtche. Melos virtuoses Wechseln zwischen dokumentarischen, poetischen oder lakonischen Passagen und die "exzellente" Übersetzung von Barbara Mesquita lobt der Rezensent ebenfalls. Ein seltener Glücksfall von einem Krimi, in dem die Erzählkonventionen durch die Realität erweitert werden, schließt er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.03.2021

Rezensentin Patrícia Melo schreibt über Verbrechen - nicht um zu unterhalten, sondern um "den Zustand der brasilianischen Gesellschaft zu erfassen", weiß Rezensentin Katrin Doerksen. In "Gestapelte Frauen" hat sie daher konsequenterweise den distanzierenden Effekt der Fiktionalisierung eliminiert. Was sie hier schildert, so Doerksen, sind reale Morde an Frauen. Fiktiv ist also nur der dramaturgische Überbau: die junge Anwältin, die in Curzeiro de Sul einen Prozess beobachtet und sich zwischendurch ihren grotesk gewaltvollen, rachedurstigen Ayahuasca-Visionen hingibt. Diese an Magischen Realismus grenzenden Fantasien sind in abgetrennten Kapiteln in die Handlung eingestreut, erklärt Doerksen, genauso wie die zahlreichen Femizide, deren nüchterne Schilderungen zunächst nach distanzierter Verwaltungssprache klingen, nach und nach jedoch eine ganz eigene düstere Poesie entwickeln, so die beeindruckte Rezensentin. Überhaupt beweist die Autorin einen großen Stilwillen, erklärt Doerksen, wobei der Stil nie Selbstzweck sei, sondern immer eine feste Funktion für die Erzählung habe. So nutzt Melo der Rezensentin zufolge bestimmte Stilmittel beispielsweise, um ihre Leser gezielt zu verwirren, sodass bei aller Ungewissheit nur noch die grausamen Fakten bleiben: die Stapel von Frauenleichen.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.02.2021

Rezensentin Victoria Eglau schätzt die Brasilianerin Patricia Melo als sozialkritische Schriftstellerin, die auch in ihrem neuen Roman "Gestapelte Frauen" kein Blatt vor den Mund nimmt. Sie erzählt darin von Morden an Frauen im Amazonasgebiet von Acre, von finsterer Gewalt im Paradies, von realen und fantastischen Rächerinnen. Tolles Setting, tolles Thema, findet Eglau,  etwas plakativ, aber eindringlich in Szene gesetzt.