Norbert Scheuer

Mutabor

Roman
Cover: Mutabor
C.H. Beck Verlag, München 2022
ISBN 9783406781520
Gebunden, 192 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Die junge, elternlose Nina Plisson weiß nicht, was aus ihrer Mutter geworden ist und auch nicht, wer ihr Vater war. Wissen andere in ihrer kleinen Heimatstadt Kall mehr? Was wird ihr vorenthalten? Nachdem das vereinsamte und widerspenstige Mädchen lange Zeit große Schwierigkeiten hatte, lesen und schreiben zu erlernen, wird sie sich, angeleitet von der pensionierten Lehrerin Sophia Molitor, grundlegend verändern. Sie beginnt, Erinnerungen aus ihrer frühen Kindheit aufzuschreiben, vom Liebhaber ihrer verschollenen Mutter, in der Gestalt eines schwarzen Storches, von der Reise mit Großvaters Opel Kapitän ins sagenhafte Byzanz, zum Palast der Störche, und später dann, von ihrer großen, zunächst vergeblichen Liebe zu Paul Arimond. Für Nina verwandelt sich das Urftland mehr und mehr in einen Ort voller Märchen und Mythen, wie sie auf den Bierdeckeln von Evros, dem griechischen Gastwirt, stehen. Immer näher kommt sie einem Geheimnis, das ihr all die Jahre beharrlich verschwiegen wurde.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.09.2022

Rezensentin Marie Schmidt ist fasziniert davon, wie Norbert Scheuer auch in diesem neusten seiner Eifel-Romane den Ort Kall mit einer globalen und mythischen Bedeutung auflädt. Es geht dieses Mal um Nina Plisson, die als gewaltgebeutelte Frau und Außenseiterin in der Stadtgemeinschaft versucht, ihren Vater zu finden. Wie Scheuer hierbei einen Anschluss an vorherige Romane anbiete, diesen dann aber unterlaufe - so ist die Protagonistin bereits aus einem Vorgängerband bekannt, hieß damals aber noch "Plission" - findet die Kritikerin äußerst spannend zu lesen. Auch wie der Autor den Schauplatz Kall einerseits auf Supermarkt-Cafeteria-Provinzialität verenge und dann wieder auf die antike Mythenwelt ausweite, etwa wenn die Besucher eben jener Supermarkt-Cafeteria als allwissender Chor beschrieben werden, beeindruckt die Kritikerin. Auch Nina begegne immer wieder mythischen Figuren oder Symbolen; und wie Scheuer dies als "Zeichen der Verdrängung" von Ninas Missbrauchsgeschichte wende, findet Schmidt bemerkenswert. Ein weiterer gelungener Band von Scheuers "Gesamtkunstwerk", in dem das Partikulare und das Allgemeine Hand in Hand gehen, staunt die Kritikerin.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.08.2022

Rezensentin Daniela Strigl tritt einmal mehr fasziniert ein ins "Eifel-Universum" des Norbert Scheuer. In der Geschichte um das Waisenmädchen Nina, die sich auf die Suche nach ihrer schönen verschollenen Mutter begibt, macht die Kritikerin nicht nur die ein oder andere Begegnung mit alten Bekannten aus anderen Scheuer-Romanen. Vielmehr hat der Autor ein farbenprächtiges "Wimmelbild" geschaffen, in das er mit sicherer Hand Verweise auf fantastische Gestalten, griechische Mythen oder Virgina Woolf webt, staunt Strigl. Darüber hinaus bewundert sie, dass sich Scheuer in diesem Füllhorn an Episoden, Lektürefragmenten, Erinnerungen und Traumbildern stets auf den Augenblick konzentriert, und doch nie die Orientierung verliert. Die "sinnliche" Sprache des Autors und die zart geklecksten Zeichnungen seines Sohnes Erasmus Scheuer machen das Buch für die Kritikerin zum Ereignis.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.07.2022

Rezensent Martin Oehlen betritt vertrautes Terrain im neuen Eifel-Roman von Nobert Scheuer.  Auch einige Figuren kennt er bereits, denn der Autor lässt hier etwa die aus seinem Roman "Am Grund des Universums" bekannte Nina Plisson auftauchen. Sie erzählt von ihren ihr unbekannten Eltern, von Anfällen und Medikamenten, Aufsichten durch das Sozialamt, Vergewaltigung und Übergriffen, aber auch von ihrer unerfüllten Liebe zu Paul. Exkurse zu Steinen, Fischen oder Vögeln findet Oehlen hier seltener, dieses Mal verschlägt es Scheuer eher in die Mythologie, nicht zuletzt dank der tintenkleksartigen Illustrationen von Scheuers Sohn Erasmus. Einmal mehr lässt sich der Kritiker gern in das dichte Netz aus "Wahn und Wirklichkeit", das Scheuer spinnt, verweben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.07.2022

Rezensent Patrick Bahners erzählt fast mit Ehrfurcht aus Norbert Scheuers neuem Roman. Als wollte er die zarte Rätselhaftigkeit um den Ort Kall in der Eifel, wo alle Romane des Autors spielen, und die Figuren, eine zeitungsaustragende Waisin mit Faible für Bücher und Talismane vor allem, nicht stören. Eine Flutkatastrophe, die die Ortsbewohner zur Schicksalsgemeinschaft macht, Inzest, Ehebruch - und doch entdeckt Bahners auch "idyllische Züge" im Text. Das Buch schließt laut Rezensent an frühere Romane Scheuers an, kennen muss sie der Leser aber nicht, um den neuen Roman zu verstehen, meint er.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 14.07.2022

"Zauberhaft, zauberisch" gar nennt Rezensent Jörg Magenau den neuen Roman von Norbert Scheuer, der ihn abermals nach Kall in die Eifel führt. Erzählt wird die Geschichte von Nina, sie lebt nach dem Verschwinden der Mutter bis zu deren Tod bei den Großeltern, hat Epilepsie und eine Schildkröte, ihr Sehnsuchtsort ist Byzanz, ihr Ziel ist es, die Mutter zu finden, resümiert der Kritiker. Einmal mehr bewundert er Scheuers Kunst, knapp und klar, oft in kurzen Passagen und zugleich mäandernd zwischen "Traum und Wirklichkeit, Märchen und Mythos" zu erzählen. Nicht zuletzt lobt der Rezensent die zarten, zur "Poesie" des Romans passenden Tintenklecksbilder von  Scheuers Sohn Erasmus.