Nicole Krauss

Die Geschichte der Liebe

Roman
Cover: Die Geschichte der Liebe
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2005
ISBN 9783498035235
Gebunden, 352 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Grete Osterwald. Die Hauptrolle in diesem Roman spielt ein Manuskript, betitelt "Die Geschichte der Liebe". Vor über 60 Jahren schrieb Leo Gursky es im polnischen Slonim, als Zeichen seiner Zuneigung und Treueschwur für die Frau seines Lebens. Doch in den Wirren des Zweiten Weltkriegs wurden die Liebenden getrennt, das Buch ging verloren. Heute ist Leo achtzig, so gebrechlich, dass er sich unsichtbar fühlt, und jeden Abend klopft er an die Heizung seines New Yorker Apartments, um seinem Nachbarn kundzutun, dass er noch atmet. Leo weiß es nicht, doch das Buch überstand den Holocaust...

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.03.2006

Nicole Krauss' Roman "Die Geschichte der Liebe" wird nach Ansicht von Hans-Peter Kunisch seinem Thema, der Erinnerung an das Grauen des Holocaust, nicht wirklich gerecht. Dafür erscheint ihm das Werk schlicht "ein wenig zu nett". Zwar findet er den zentralen Protagonisten und Erzähler des Romans, den ärmlichen, achtzigjährigen US-Immigranten Leo Gursky, einen "klassischen Vertreter des jüdischen Witzes", durchweg "sympathisch". Aber Gurskys Erinnerungen und galgenhumorige Betrachtungen haben für Kunisch kaum etwas zu tun mit dem "speziellen Schrecken der Opfergeneration". Er hält dem Roman vor, den Holocaust ins "Gemütlich-Kauzige" zu wenden, einem "Holocaust light" zu frönen, was seines Erachtens auch ein Grund für den Erfolg des Buches ist. Zudem kritisiert Kunisch die "verworrene Handlungskonstellation" des Romans sowie seine nur "mühselig hergestellte Wahrscheinlichkeit".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.12.2005

Als "Panorama jüdischer Schicksale" würdigt Rezensent Michael Schmitt diesen nun in deutscher Übersetzung vorliegenden zweiten Roman von Nicole Krauss. Im Mittelpunkt des Romans steht ein alter, von der Welt vergessener Mann, Leo Gursky, der den Holocaust mit viel Glück überlebt hat, und nun in einem dunklen Appartement in New York mit seinen Erinnerungen an die Welt der jüdischen Schtetl vor und während des Zweiten Weltkriegs alleine ist. Für seine Jugendliebe Alma hat er "Die Geschichte der Liebe" geschrieben, die über verwickelte Wege in die Hände einer Vierzehnjährigen gelangt, die sich auf die Suche nach Leo begibt, und ihn schließlich ins Dasein zurückholt. Schmitt hebt hervor, dass die Autorin ihre Geschichte nicht chronologisch ausführt, sondern in einer "Art von Puzzlestruktur" anlegt. Die vielen Einzelepisoden ihrer Geschichte erzähle sie parallel, schalte immer wieder zwischen ihnen hin und her und wechsle ständig die Erzählperspektiven und Tonlagen. Dennoch fügten sich die Einzelteile schließlich zu einem immer dichteren Gesamtbild zusammen. Schmitt findet den Roman durchaus "melancholisch", auch etwas "fatalistisch und pathetisch". Aber er hebt auch die hoffnungsvolle Beschwörung von Lebenskraft hervor, die die Protagonisten vorantreibt - trotz allem Leid, das ihnen widerfahren ist.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.10.2005

Eine "ganze Menge jüdischer Kitsch" steckt im neuen Buch von Nicole Krauss, schimpft Eva Menasse. Dabei seien der Stoff und die ursprüngliche Absicht der Autorin durchaus gut genug, um daraus einen guten Roman machen zu können: Krauss wollte die Kluft überbrücken, die "für jedes Kind verfolgter Juden" spürbar ist und so die eigene Herkunft klären, weiß Menasse. Im Buch drückt sich das in zwei Erzählsträngen aus. Auf der einen Seite steht ein alter Jude aus Weißrussland, der seiner Jugendliebe nachtrauert und ihr ein Buch über die Liebe schreibt. Auf der anderen Seite steht ein Mädchen, dessen Vater einst dieses Buch in Händen hielt. Die junge Frau begibt sich, getrieben von schwierigen Familienverhältnissen, auf die Suche nach der Geliebten des Mannes. Den Überblick kann der Leser hier nicht mehr behalten, warnt die Kritikerin. Sie stört sich aber nicht nur am "Wirrwarr der Chronologie" und der "fehlenden Struktur", sondern auch am "allzu offensichtlichen Buhlen" um ein Massenpublikum. Krauss versuche, die Spannung immer weiter zu steigern und erziele dabei genau das Gegenteil. Das alles lässt die Rezensentin schließlich vermuten, dass es sich bei diesem Buch wohl um eine "irrtümlich zum Druck beförderte Fassung" handeln muss.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 01.10.2005

Der Rezensent Gerrit Bartels muss sich zusammenreißen, um angesichts dieses Romans nicht in Begeisterungsstürme a la Heidenreich auszubrechen und etwa pausenlos "umwerfend" und "mitreißend" zu sagen. Denn Nicole Krauss' tatsächlich umwerfender "finten- und erfindungsreicher Roman über das Schreiben und darüber, wie Bücher die großen Lieben und kleinen Leben beeinflussen können" sei in der Tat mitreißend erzählt. Im Zentrum des Romans steht Bartels ein Manuskript des nach New York emigrierten polnischen Juden Gursky - namens "Die Geschichte der Liebe" -, das dessen Jugendliebe Alma gewidmet ist. Erzählt werde aus der wechselnden Perspektive mehrerer Figuren, die, ohne es zu wissen, mit diesem Manuskript zu tun haben. Letzteres, so der Rezensent weiter, gehe auf Reisen und erleide das natürliche Schicksal der Literatur: Übersetzungen, Abschriften, Varianten, Rückübersetzungen. Was genau alles passiert, erfahren wir vom Rezensenten nicht, dafür aber, das alles von Krauss "flink, smart und spielerisch verdrahtet" wird. Bei allem Lob muss der Rezensent allerdings kleine Abstriche machen: Zum einen verwende Krauss den Holocaust ein wenig zu "leichtfertig (?) als Blaupause für ihre Liebesgeschichten", zum anderen bringe sie von den "jüdischen Lebenswelten" zu wenig zum Vorschein, und schließlich nähere sie sich mitunter gefährlich dem Kitsch. Aber das muss man bei einem solch herzzerreißenden und mitreißenden Roman wohl in Kauf nehmen, schließt der Rezensent - in dann doch recht ironischem Ton - und hinterlässt einen ratlosen Leser.
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