Moritz von Uslar

Deutschboden

Eine teilnehmende Beobachtung
Cover: Deutschboden
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2010
ISBN 9783462042566
Gebunden, 384 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Die fremde Welt in unserem Land: Keine Autostunde vor Berlin, und alle Geschichten müssen neu erzählt werden. Der Reporter Moritz von Uslar fährt in eine Kleinstadt im Osten Deutschlands und bleibt - drei Monate lang. Er stellt sich auf die Hauptstraße und in die Kneipen, nimmt am Alltag teil, hört zu, schaut zu, schreibt mit, hält alles fest. Der Vorsatz war: Rauszufahren in die Zone hinter der Großstadt und nachzuschauen, ob es ein Leben jenseits der Klischees gibt, die Hartz IV, Alkoholismus, Abwanderung und Rechtsradikalismus heißen.
Der Reporter sucht nach einem Ort mit Boxclub und annehmbarer Kneipe und findet ihn im Landkreis Oberhavel. Pension Haus Vaterland, Gaststätte Schröder: Notizblock und Diktiergerät am Mann, Pils am Tresen, immer im Bewusstsein, als Eindringling und Störenfried erkannt zu werden. Der Reporter trinkt mit, labert mit, trainiert mit, und vor allem hat er unendlich viel Zeit. Es erscheinen der Geschichtenerzähler Blocky und der tätowierte Punk Raoul, und damit ist der Zugang eröffnet: zu den Proben der Band "5 Teeth less", zu den Treffen bei Kaisers, wo die frisierten Autos präsentiert werden, zum Abhängen an der Aral-Tankstelle - und zum Gedankengut junger Männer, die vielleicht wenig Zukunft, aber einen ziemlich guten Humor haben.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.12.2010

Susanne Messmer hat sich, ob der Virulenz des Themas in der Literatur, zwei Provinzromane vorgeknöpft. Moritz von Uslar ist in ihren Augen einer der letzten der Popliteratur verpflichteten Autoren und gleichermaßen mit Rainald Goetz und dem Idealen des New Journalism verbunden. Er hat sich in seinem Roman "Deutschboden" in die Brandenburger Provinz aufgemacht und porträtiert hier liebevoll Exnazis, Hartz IV-Empfänger oder Autonarren, wie die Rezensentin feststellt. Hinter dem gekonnt absichtslosen Blick des Autors, der irgendwie nervigen und damit umso suggestiveren Jugendsprache und der "subjektivistischen" Herangehensweise verbirgt sich laut Messmer die Intention, die Berechtigung jeder noch so randständigen Existenz zu belegen. Und das ist der Rezensentin nicht nur ungeheuer sympathisch, sie hat die Lektüre auch in vollen Zügen genossen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.10.2010

Andrian Kreye scheut sich nicht, Moritz von Uslars Langzeitreportage in einer ostdeutschen Kleinstadt als eines der "besten Bücher" über Deutschland zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung zu preisen. Der Berliner Autor sei nicht der erste, der sich den Idealen des Tom Wolf'schen "New Journalism" verschrieben habe, schwärmt der Rezensent, allerdings finde man selten eine derart vollendete Form dafür vor. Insbesondere Uslars herausragendes "Gespür für Rhythmus" macht in seinen Augen das besondere dieser Reportage aus. Sehr deutlich erkennt Kreye die Nähe des Autors zu Rainald Goetz, allerdings beeilt er sich zu betonen, dass es sich hier keinesfalls um Epigonentum handelt. Vielmehr greift der Autor Goetz' besondere "Schwingung" auf und hebt sie in eine "allgemeinverständliche Form", findet Kreye. Gerade weil der Autor in seiner Kleinstadt, der er den fiktiven Namen Oberhavel gegeben hat, keine "Pump House Gang" wie sein Vorgänger Wolfe gefunden hat, sondern lediglich einen "exotischen Ort", so erscheint dem begeisterten Rezensenten gerade das die Trostlosigkeit der randständigen Existenzen auf faszinierende Weise zu evozieren.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.10.2010

Rechte Lust, stellt Rezensentin Wiebke Porombka fest, scheint Moritz von Uslar anfangs nicht gehabt zu haben auf sein eigenes Experiment: In den Osten, nach Brandenburg wollte er ziehen, freilich auf Zeit und nicht, wie so mancher den mittleren Jahren sich nähernde Freund aus Berlin, in großstadtflüchtiger Rückzugsabsicht. Eine Ethnografie des Umlands vielmehr schwebt von Uslar vor. So lebte er drei Monate in Zehdenick (im Buch heißt es verschleiernd Oberhavel) und beobachtet, was sich tut. Und nicht tut: denn in der Tat tut sich wenig. Ex-Skins stehen rum, trinken Alkohol, mehr als ein Klischee erweist sich als nur allzu real. Und doch wird dem Autor das nach und nach vor allem in seiner Stinknormalität beinahe erträglich: Hier leben Menschen, die sich in einer alles andere als komfortablen Realität "eingerichtet" haben. Die Rezensentin hat diese Vor-Ort-Reportage spürbar gerne gelesen und lobt den Autor für die "Glaubwürdigkeit" seiner durch manches Dabeisein bei Bier und Gesang entschärft kritischen Haltung.
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