Milena Michiko Flasar

Ich nannte ihn Krawatte

Roman
Cover: Ich nannte ihn Krawatte
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2011
ISBN 9783803132413
Gebunden, 144 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Ist es Zufall oder eine Entscheidung? Auf einer Parkbank begegnen sich zwei Menschen. Der eine alt, der andere jung, zwei aus dem Rahmen Gefallene. Nach und nach erzählen sie einander ihr Leben und setzen behutsam wieder einen Fuß auf die Erde. Nur wenige sorgfältig gewählte Worte benötigt Milena Michiko Flasar, um ihre Figuren zum Leben zu erwecken, nur wenige Szenen, um ganze Schicksale zu erzählen. Ein junger Mann verlässt sein Zimmer, in dem er offenbar lange Zeit eingeschlossen war, tastet sich durch eine fremde Welt. Eine Bank im Park wird ihm Zuflucht und Behausung, dort öffnet er die Augen, beginnt zu sprechen und teilt mit einem wildfremden Menschen seine Erinnerungen. Der andere ist viele Jahre älter, ein im Büro angestellter Salaryman wie Tausende. Er erzählt seinerseits, über Tage und Wochen hinweg, Szenen eines Lebens voller Furcht und Ohnmacht, Hoffnung und Glück. Beide sind Außenseiter, die dem Leistungsdruck nicht standhalten, die allein in der Verweigerung aktiv werden...

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 21.04.2012

"Knüppeldick" werden in diesem Roman über zwei im Leben gestrandete, sich auf einer Tokioter Parkbank anfreundende Japaner Gefühle und Schicksalsschläge aufgetragen, so dick, findet Dirk Knipphals, wie man es anderen Romanen nicht verzeihen würde. Warum der Rezensent - und mit ihm viele Leser dieses Überraschungserfolgs - dann doch bei der Stange bleibt, erklärt er sich mit dem Talent der Autorin für "schöne kleine Sprachbilder", ja überhaupt mit ihrem sprachlichen Vermögen, "glaubwürdig, dezent, ja fast scheu" zu erzählen, und ihrer literarischen Kompositionsgabe, sodass ihr intensive Momente gelingen. Ärgerlich sei da allein das didaktisch geratene Ende, schließt Knipphals.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.03.2012

Milena Michiko Flasar erzählt in "Ich nannte ihn Krawatte" die Geschichte von zwei Menschen, einer jung, einer alt, die mit den Ansprüchen nicht fertig werden, die die Gesellschaft ihnen abverlangt, erfahren wir von der Catharina Koller. Auf einer Parkbank sitzend tauschen sich die beiden über ihr Innerstes aus: der junge Taguchi Hiro will nicht wie sein Vater nur funktionieren, Ohara Tetsu seiner Frau nicht gestehen, dass er seine Arbeit verloren hat. An einer Stelle legt die Autorin einem von ihnen in den Mund, dass er gerne über die allereinfachsten Dinge schreiben würde. Darin erkennt die Rezensentin Michiko Flasars eigene Poetik wieder. Häufig schramme die Autorin in ihren Beschreibungen allerdings etwas zu knapp am Kitsch vorbei. Der Roman scheint Koller dabei aus der Zeit gefallen zu sein - das genaue Gegenteil von Pop-Literatur. Und doch könne er als Parabel für die Widrigkeiten der modernen Kultur dienen, für die Schwierigkeiten des Heranwachsens und des Bestehens in ihr.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.03.2012

Milena Michiko Flasars Roman "Ich nannte ihn Krawatte" hat Christoph Bartmann nicht kalt gelassen. So unspektakulär das Buch über einen Büroangestellten mit Krawatte und einen Jugendlichen, die sich zufällig auf einer Parkbank begegnen und von ihrem Leben erzählen, daherkommt, so berührend findet er es. Die Geschichte von "zwei sanften Verweigerern" scheint ihm zärtlich, melancholisch, scheinbar trostlos. Doch in kleinen Akten des Widerstands der beiden entdeckt er etwas Hoffnungsvolles. Zudem zeigt er sich beeindruckt von der "großen sprachlichen Schönheit und Klarheit" des Buchs.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.02.2012

In Milena Michiko Flasars Roman "Ich nannte ihn Krawatte" hat Rezensentin Anja Hirsch nicht nur ein "beklemmendes Kammerstück", sondern auch die sehr berührende Geschichte einer zarten Annäherung gelesen. Die Kritikerin erfährt hier, dass man in Japan Menschen, die aus Angst vor dem Leistungsdruck im Arbeitsleben das elterliche Haus nie verlassen, als "Hikikomori" bezeichnet, während ein typischer Anzug- und Krawattenträger schlicht "Salaryman" genannt wird. In ihrer kleinen Geschichte über die vorsichtige Begegnung zweier solcher Menschen, die in langen Monologen Einblick in ihre traurigen Lebensgeschichten gewähren, beweise die erst 32-jährige Autorin Talent zu ganz eigenen, ausdrucksstarken Bildern, lobt die Kritikerin. Und so schaut sie gern über den ein oder anderen "Anfängerfehler", etwa allzu phrasenhafte Begriffe oder "Lebensrezepte" hinweg.
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