Michael Lentz

Schattenfroh

Ein Requiem
Cover: Schattenfroh
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2018
ISBN 9783100439383
Gebunden, 1008 Seiten, 36,00 EUR

Klappentext

Was bedeutet der Tod des Vaters für das Leben? Wer war dieser Vater? Wer bin ich? Der Sohn sitzt in einer Zelle und schreibt um sein Leben. Sein Leben, das ist der Roman "Schattenfroh". Nichts kann ihn retten, auch das eigene Erzählen nicht. Und doch muss genau davon erzählt werden: dass der Vater tot, das Ich unrettbar und die Heilsgeschichte eine gewaltige Lüge ist. Wer "Schattenfroh" liest, der liest Gott und den Teufel, der liest die Liebe und den Tod, die Einsamkeit und den Schmerz und die Toten des Luftangriffs auf Düren am 16. November 1944, der liest Tinte und Weißraum, der liest die Schrift.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.09.2018

Burkhard Müller zeigt sich enttäuscht von Michael Lentz und seinem neuen Buch. Im Gegensatz zu anderen Rezensenten spendet es ihm weder Trost noch veranlasst es ihn zur Rührung. Es suggeriert auch nichts und fordert den Leser nicht heraus, findet Müller. Nur die Zeit raubt es einem, schimpft er. Das Entscheidende aber ist für Müller, dass der Autor Sprache als Material behandelt. Das mag in der Slam Poetry funktionieren, wo Lentz laut Müller herstammt, im Schriftlichen nicht, findet er. Wenn es um nichts geht und Motive leerlaufen, wenn Präzision und Erzählökonomie nichts zählen, so wie hier, steigt der Rezensent aus. Die Bezüge zu Kafka im Buch und Passagen auf Hebräisch und Latein strengen ihn nur an.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.09.2018

Michael Lentz' Requiem verlangt dem Leser einiges ab, warnt Rezensent Andreas Platthaus und versichert zugleich: Die Mühe lohnt sich. Als "gigantisches Vexierspiel" erscheint ihm der Roman, sogkräftig und rätselhaft wie Hieronymus Boschs Visionen, rhythmisch zwischen Zeit, Ort und Handlung hin- und herspringend, vom Tragischen ins Komische und wieder zurück kippend und so reich an literarischen und kunsthistorischen Referenzen, dass es dem Kritiker schier den Atem verschlägt. Wie Lentz hier wesentlich epischer als im zuvor erschienenen Roman "Muttersterben" den Tod des Vaters verarbeitet, dabei nicht zuletzt dem Tod selbst eine Stimme verleiht, findet Platthaus so "verstörend" wie "betörend".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.08.2018

Rezensentin Andrea Köhler kapituliert vor diesem Buch von Michael Lentz. Angesichts des Unterschieds zwischen Lentzens Text "Muttersterben" und diesem 1000-Seiten-Wälzer mag sie kaum glauben, dass es sich um ein und denselben Autor handelt. Da ein unter die Haut gehender Text über den Tod der Mutter, nun ein Text über den Vatertod, der Köhler völlig ratlos zurücklässt: Ob genialisch oder albern, kann sie nicht entscheiden. Nur eine distanzlose Besessenheit vom Vater fällt ihr auf, begraben unter unzähligen Verweisen und Zitaten, die ein dürres Literaturverzeichnis laut Rezensentin nur unzureichend erschließt. Lentz führt den Dekalog an, den Buchdruck, seine Heimat Düren, das Mittelalter, Hegel und vieles mehr, ohne der Kritikerin die Trauer um den Vater oder auch nur einen Zusammenhang wirklich begreiflich zu machen.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 25.08.2018

Am Rande seiner Begegnung mit Michael Lentz bespricht Richard Kämmerlings auch dessen neuen 1008-Seiten-Brocken "Schattenfroh", den er allein schon für die opulente Aufmachung lobt. Hymnisch fährt der Kritiker fort: Wenn ihm Lentz im Roman von einem erzkatholischen Vater erzählt, der im Text als Figur aus "Satan und Richtergott, sadistischem Oberbürokraten und Haustyrannen" in einem "Benthamschen Panoptikum" wirkt, wähnt sich Kämmerlings nicht nur in einem "Horrorszenario vollkommener Überwachung", sondern bewundert insbesondere Lentz' stupendes Spiel mit Referenzen. Hier wird Gershom Sholem mit Tristram Shandy, Ai Wei Wei mit Paul Celan, Kryptografie mit Anagrammatik und die Kreuzigung Christi mit IS-Folter-Videos enggeführt, staunt der Kritiker, der in diesem, wie er findet, "großen" Werk, auch einiges über die Funktionsweise von Lektüre und die Arbeitsprozesse des Gehirns lernt.