Marion Poschmann

Schwarzweißroman

Roman
Cover: Schwarzweißroman
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2005
ISBN 9783627001247
Gebunden, 320 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Eine junge Frau reist in den Ural, nach Magnitogorsk, diese auf dem Reißbrett entstandene Stadt der Superlative, die auf zwei Erdteilen liegt. In der ehemals verbotenen Zone steht das weltweit größte metallurgische Kombinat, einst Prestigeobjekt Stalins. Für unbestimmte Zeit besucht sie ihren Vater, der hier als Ingenieur eine Industrieanlage errichtet. Er hat sich verändert, seine Tochter spürt das sofort. Es herrscht lähmender Stillstand auf der Baustelle, die Isolation der kleinen Gruppe deutscher Spezialisten, die vom ewigen Schnee bedeckte Weite und Eintönigkeit der Landschaft nagen an den Nerven. Die gigantischen Fabriken und grauen Wohnanlagen auf verseuchtem Boden kontrastieren mit dem Existenzwillen der Menschen, erzeugen ein permanentes Gefühl von Unwirklichkeit und Machtlosigkeit, das Denken und Fühlen beherrscht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.12.2005

Rot ist die Signalfarbe des Kommunismus - grau sein absolutes Kontrastprogramm, das sich in allen Schattierungen bei Marion Poschmann besichtigen lässt, erklärt Katrin Hillgruber den Romantitel. Denn mischt man schwarz und weiß, ergibt das grau. Poschmanns "Schwarzweißroman" spielt in Magnitogorsk im Ural, der sagenumwobenen Arbeiterstadt, der Panzerproduktionsstätte der Sowjetunion, die heute als atomar verseucht gilt. Hier unterzieht sich die Ich-Erzählerin, die ihren Vater, einen Ingenieur, in Magnitogorsk besucht, einem "Experiment der Eintönigkeit". Mit dem Verlust der Farben, erzählt Hillgruber fasziniert, ginge der Verlust der Formen einher. Poschmann merke man ihre Herkunft als Lyrikerin an, sie besäße eine sehr "originelle Bildsprache", die sich an der russischen Malerei und Skrjabins Farbenklavier abarbeitet. Während Poschmann einerseits höchst beunruhigende und rätselhafte Bilder für diesen Nicht-Ort fände, entwerfe sie andererseits sehr prägnante und hübsche Sittenbilder, die die westlichen Hilfskräfte und die russischen Bewohner der Stadt ins Visier nähmen. Gelegentlich fühlt sich Hillgruber an DDR-Brigadefilme erinnert, die Poschmann durch weiblichen Sarkasmus konterkariert und poetisch zersetzt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 19.10.2005

Marion Poschmanns frühere Gedichtbände haben der Rezensentin Anne Kraume sehr gefallen. Umso mehr freut es sie, dass die Autorin auch in ihrem aktuellen Roman das Poetische nicht zu kurz kommen lässt. Gerade die "lyrischen Passagen" sind es, mit denen Poschmann "das Schwarz und das Weiß unserer Welt neu ausleuchtet". Im Buch geht es um eine junge Frau, die aus ihrer Welt aus Studium und Geldknappheit zum Vater flieht, der in einem Stahlwerk im russischen Magnitogorsk arbeitet. Mit dieser Reise lässt Poschmann ihre Protagonistin in eine Welt aus Schwarz und Weiß abtauchen - einzig ihr roter Mantel, mit dem sie durch die Schneelandschaft stapft, bleibt als "westlicher" Farbtupfer bestehen. Die Autorin beschreibt die "brüchigen" Beziehungen von Menschen in der Weite Russlands, die sich "immer wieder" mit Bildern aus der Vergangenheit konfrontiert sehen. Schreibt Poschmann über Zweiten Weltkrieg, Massenvergewaltigungen und Hunger, so geht es ihr, meint die Rezensentin, niemals um "verallgemeinernde Schwarzweißmalerei", sondern vielmehr um die "allmähliche Auflösung der Individualität".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.10.2005

"Grau" sei die Farbe dieses Romans, befindet Rezensentin Kristina Maidt-Zinke, und zwar ein "tristes". Er sei eine Mischung aus Reisereportage und "poetischer Fantasie" und erzähle aus der Sicht einer jungen Frau eine Reise zu ihrem Vater an einen Industrieort am Ural. Das Hauptproblem besteht für die Rezensentin darin, dass man nicht unterscheiden kann zwischen autobiografischem "Erlebnisbericht" und "literarischer Erzählung". Darüber hinaus sei nicht klar, ob der egomane und feindselige Blick der Erzählerin auf alles auch eine ironische Note habe oder zur mangelnden Flexibilität der Autorin zu rechnen sei. Die mit dem Titel angedeutete "kunstphilosophische Verankerung" des Romans im Hinblick auf das "schwarze Quadrat" von Malewitsch sieht Maidt-Zinke zunächst einmal als "hochfahrenden Kunstwillen" der Autorin, auch wenn dies in einigen Traumvisionen durchaus gelungen sei. Viel "ausgeklügeltes Arrangement" sei da am Werk, aber wenig Stille, bemängelt die Rezensentin. Nur im Schlusskapitel erreiche die Autorin das "Niveau", dem sie ihren Ruf als Lyrikerin verdanke.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.09.2005

Hans-Peter Kunisch ist von diesem Roman alles in allem ziemlich beeindruckt. Eine Ich-Erzählerin berichtet über ihre Reise ins russische Magnitogorsk, wo sie ihren in einem maroden Kraftwerk als Ingenieur arbeitenden Vater besucht. Dabei seien ihre Beobachtungen zunächst von "pikierten Wahrnehmungen" und misanthropischen Personenbeschreibungen geprägt sind, erklärt der Rezensent. "Wunderbar" findet er etwa das "opulente Porträt" des "Hausvaters" Theodor, der fern von seiner Ehefrau eine Geliebte unterhält und seine Geburtstagsfeier als "Triumph" auskostet. Als noch viel intensiver allerdings lobt der Rezensent die Beschreibung der russischen Umwelt, die er als den "eigentlichen Helden" dieses Romans auffasst. Hier schwärmt Kunisch von der "neoexpressiven Poesie des Massiven", die von der "spröden Realität" abgelöst wird, mit der die Autorin den ruinösen Industriestandort beschreibt. Weniger überzeugend findet der Rezensent dagegen die Schilderung einer Beziehung der Ich-Erzählerin mit dem Chef des Kraftwerks und er findet, dass sich hier der "offene Blick" von Poschmann enttäuschend verengt. Auch die geheimnisvolle Familiengeschichte, die sich in dem Roman andeutet, wird für den Rezensenten nicht zufrieden stellend aufgelöst und er kann mit den "gesprächigen Psychologisierungen" nicht viel anfangen. Dennoch "überzeugt" Kunisch an diesem Roman der mutige Versuch, die russische Wirklichkeit zu beschreiben und er findet, dass es Poschmann in ihrem Roman "gelingt", neben der Familiengeschichte auch ein "geschichtliches Panorama" zu zeichnen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 01.09.2005

In Marion Poschmanns "Schwarzweissroman" wird wie in den monochromen Kunstwerken von Malewitsch oder Lissitzky ständig eine "Erweiterung des Raums" und die "Aufhebung der Schwerkraft" beschreibend erkundet, konstatiert Michael Braun, den der Roman sehr beeindruckt zu haben scheint. Das Buch handelt von einer Ich-Erzählerin, die nach Magnitogorsk in das größte russische Stahlwerk reist, um ihren Vater zu unterstützen, der sich als Elektrotechniker vergeblich darum bemüht, die Produktion des Werks zu sichern, fasst der Rezensent zusammen. Die Reise stelle den autobiografischen Hintergrund des Buches dar, die Qualität des Autorin zeige sich aber darin, daraus einen "faszinierenden epischen Versuch" über den "Untergang der Individualität im Zeitalter des Kollektivismus" gemacht zu haben, preist Braun. Die schwindende Autonomie des Ich wird durch ständigen Wechsel der Stile und Perspektiven eindrücklich dargestellt, so der Rezensent fasziniert, den insbesondere das, "großartige Schlusskapitel", in dem die Protagonistin mit ihrem Vater im "überwältigenden Weiß" eines verschneiten, radioaktiven Sperrbezirk verschwindet, zutiefst beeindruckt hat.
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