Mario Vargas Llosa

Das böse Mädchen

Roman
Cover: Das böse Mädchen
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783518418321
Gebunden, 395 Seiten, 24,80 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Elke Wehr. Als er sie zum erstenmal sieht, tanzt sie den Mambo wie keine andere, damals in Miraflores, Sommer 1950. Sie ist, wie er, fünfzehn Jahre alt - aber was für Freiheiten nimmt sie sich heraus! Wie aufregend wenig bekümmert sie all das, was man in diesem steifkatholischen Lima tut oder nicht tut. Und dann ist sie plötzlich von einem Tag auf den anderen verschwunden. Die Erinnerung an das "böse Mädchen" und ihr geheimnisvolles Anderssein läßt Ricardo nicht mehr los. Seine Freiheit besteht darin, nach Paris zu gehen, als Übersetzer, ein intellektuelles Glück, von dem er glaubt, es könne ihm genügen. Da aber taucht aus heiterem Himmel das "böse Mädchen" auf, unterwegs nach Havanna, wo sie zur Revolutionärin ausgebildet werden soll. Sie lieben sich in einer Nacht, die bestimmt ist von dem Wissen, daß ihre Wege wieder auseinandergehen. Seinen hitzigen Antrag, mit ihm zu leben, hat sie lachend zurückgewiesen. Nicht lange darauf bricht sie als eine verheiratete Madame Arnoux wieder in sein Leben ein und zerstört seine mühsam wiedergewonnene Gelassenheit. Von da an wird sie, die ihm unter wechselndem Namen begegnet, in immer abenteuerlicheren und gefährlicheren Liebesverbindungen, zur Obsession seines Lebens. Paris, London, Tokio, Madrid sind die Stationen ihrer rätselhaften Kometenbahn, die seinen Lebenskreis ein ums andere Mal schneidet. Besessenheit - die zu einer Form der Liebe wird. Mario Vargas Llosa erzählt das Rätsel einer Beziehung, deren Unglück und Glück, untrennbar, wie ein Verhängnis über den Liebenden liegt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.02.2007

Eher medioker findet Rezensent Ulrich Baron den neuen Roman von Mario Vargas Llosa. Das Grundübel des Werks sieht er in der Unentschlossenheit des Autors, sich zwischen einem autobiografischen Roman und der vom Klappentext versprochenen "Geschichte einer erotischen Obsession" zu entscheiden. Die biografischen Parallelen sind für Baron offensichtlich, und er bescheinigt Llosa in diese Zusammenhang, die revolutionären lateinamerikanischen Emigrantenzirkel in Paris und das Swinging London der Hippie- und frühen Aids-Ära, aber auch den Niedergang seiner peruanischen Heimat instruktiv zu schildern. Allerdings gewinnt er zunehmend den Eindruck, Llosa erzähle die Geschichte vom "bösen Mädchen" nur, um hier nicht tiefer einsteigen zu müssen. Die eigentlichen Themen des Romans - Baron nennt hier etwa Scheitern der revolutionären Freunde, der Verlust der Heimatbindung, das Ende der freien Liebe in Zeiten des HI-Virus und schließlich auch der Verlust von Jugend, Schönheit und Geist - verlangen seines Erachtens mehr Reflexion, als die obsessive Liebesgeschichte zulasse.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.10.2006

Was Karin Ceballos Betancur einem unbedeutenderen Autor als Debütroman vielleicht gerade noch hätte durchgehen lassen, kann sie dem von ihr verehrten Mario Vargas Llosa kaum verzeihen. Sie ist geradezu erschüttert von dem geballten Kitsch und der machohaften Haltung, die aus diesem Roman spricht. Die Geschichte - es geht um den peruanischen Ricardo, der den geheimnisvollen Reizen des "bösen Mädchens" verfällt, die ihn aber bei ihren wiederkehrenden Begegnungen an verschiedensten Orten der Welt stets grausam zurückstößt - findet die entsetzte Rezensentin ziemlich platt. Redundant die Geschehnisse, süßlich die Dialoge und insbesondere die Figurenzeichnung des bösen Mädchens allzu offensichtlich dem Lolita-Charme verpflichtet: die Rezensentin stöhnt laut auf. Am überzeugendsten findet sie noch diejenigen Nebenfiguren, die der historischen Realität entnommen wurden. Ach, hätte Llosa seine Geschichte einer unmöglichen Liebe doch zum Ausgangspunkt für ein Charakterbild des ausgehenden 20. Jahrhunderts gewählt, dann wäre die Flachheit der Figuren auch nicht derart ins Gewicht gefallen, seufzt Karin Ceballos Betancur. Durch das Erzähltalent des Autors zwar unterhaltend gestaltet, aber nicht erinnerungswert, lautet das enttäuschte Fazit der Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.10.2006

Ein Alterswerk, aber was für eines! Friedmar Apel staunt nicht schlecht über die erfrischende "epische Naivität" des Altmeisters Mario Vargas Llosa. Dass hinter dem bunten Durcheinander aus historischen und literarischen Hin- und Verweisen, in denen der Autor als aufmerksamer Zeitgenosse der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts "durchaus kenntlich" wird, große Kunstfertigkeit steckt, ist für Apel selbstverständlich. Und so genießt er das "Überzeitliche" der weiblichen Hauptfigur ebenso wie die vielen illustren Orte und Zeiten, die ihm ein literarisch gut geschulter Erzähler präsentiert. Dass er sich dabei auf das Können einer Übersetzerin verlassen kann, die diesen Gemischtwarenladen stilistisch getreu abbildet, freut den Rezensenten ungemein.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.09.2006

Jochen Jung kommt gleich zur Sache: Bedauerlicherweise muss er einen Verriss schreiben, obwohl er die Grundidee der Liebesgeschichte, eine Art südamerikanische amour fou aus den fünfziger Jahren, sehr charmant findet. Offenbar sei es dem prominenten Autor nicht so ergangen, denn sonst hätte er die Beziehung eines liebeskranken chilenischen Fünfzehnjährigen zu einer "belle dame sans merci" im gleichen Alter nicht grundlos verschenkt. In dem vorliegenden Fall verstehe Vargas Llosa leider nichts von der Liebe, denn immerzu gehe es auf banale Weise um Höhepunkte und Entladungen, was auf keinen Fall der fähigen Übersetzerin Elke Wehr anzulasten sei. Stattdessen führe sich der Autor auf "wie ein Reiseführer durch die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts", wenn die ehemals Verliebten nicht voneinander lassen können und in unregelmäßigen Abständen in den Metropolen der Welt aufeinander treffen. Ein wahres intellektuelles Jet-Set Leben der Sechziger, das Vargas Llosa hier schildere, wobei er keiner Stilblüte aus dem Weg gehe, so der aufgebrachte Rezensent. Fazit: das Buch zeige leider "einen ehemaligen Könner", der sich vor der Zeit auf die faule Haut gelegt habe.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.08.2006

Die Liebesgeschichte im neuen Roman von Mario Vargas Llosa interessiert Judith Leister nicht so sehr. Den Autor auch nicht, wie es aussieht. Leister zeigt sich fasziniert vom Zeitpanorama, das der Autor durch Abschreiten der Sehnsuchtsorte lateinamerikanischer Emigration entfaltet. Und sie hat einen Verdacht: Geht es dem Autor vielleicht genau um diese verlorene Generation von frühen Globetrottern, und um die Festigung seines deterministischen Weltbildes, einer Hobbes'schen Dystopie, in der allein die Liebe alles entscheiden kann? Leister kann es nur vermuten. Nicht wenig irritiert zeigt sie sich jedenfalls darüber, wie Vargas Llosa seine beiden Hauptfiguren so vom Zeitgeschehen abhebt, dass sie etwas "Unwirkliches" bekommen, und wie wenig die Nebenfiguren an Kontur gewinnen. Richtig enttäuscht aber hat sie die nachlässige Sprache in diesem Buch. Nah an der Grenze zum Trivialen sei das und nur für den zu ertragen, der sich an der reinen Stofffülle berauschen kann.
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