Liao Yiwu

Die Dongdong-Tänzerin und der Sichuan-Koch

Geschichten aus der chinesischen Wirklichkeit
Cover: Die Dongdong-Tänzerin und der Sichuan-Koch
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013
ISBN 9783100448163
Gebunden, 490 Seiten, 24,99 EUR

Klappentext

Nichtstuer, Künstler, Haschischforscher, Erdbebenmütter, Mörder, Prostituierte - über Jahre hinweg hat der Friedenspreisträger Liao Yiwu Geschichten und Schicksale gesammelt, die er zu einem Portrait des anderen, des nicht offiziellen Chinas verdichtet. Während Liao Yiwu in seinem hochgelobten Buch "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser" sein Augenmerk auf den Zusammenprall politischer Wirklichkeit mit jahrtausendealten Traditionen richtete, berichtet er nun von der chinesischen Gegenwart. Wieder gelingt es Liao Yiwu, Menschen zum Erzählen zu bringen und so die Lebenswirklichkeit eines großen Teils der chinesischen Gesellschaft zu dokumentieren, die sonst für immer im Dunkeln bliebe. Geschichten aus der Mitte der chinesischen Gesellschaft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.11.2013

Noch aus der Geschichte eines Menschenfressers hört Wolfgang Schneider den Schrei der geknechteten Kreatur heraus, den des Mörders nämlich, nicht des Opfers. So ähnlich verhält es sich für Schneider mit allen hier versammelten Geschichten, die den zwischen 2008 und 2011 von Liao Yiwu geführten Interviews vorangestellt sind. Gespräche mit Prostituierten, Mördern, perversen Feinschmeckern, die von Fötensuppe schwärmen. Hinter all der Drastik von Leid und Gewalt erkennt Schneider immer die massive Anklage des Autors, der sich als "Aufnahmegerät der Epoche" versteht, gegen den chinesischen Staat. Keine leichte Kost, gibt der Rezensent zu. Den Blick des Autors, von unten, aus der Perspektive der Gedemütigten und Gequälten, vergleicht er mit dem Günter Wallraffs, ebenso unbestechlich erscheint ihm der Autor meistenteils, auch wenn seine große Empathie mitunter zu Abscheu seinem Gesprächspartner gegenüber führt und zu einer Sprache, die mit Flüchen nicht spart. Das ist nur verständlich, gibt Schneider zu verstehen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.10.2013

Sichtlich begeistert ist Ludger Lütkehaus von dem neuen Band des letztjährigen Friedenspreisträgers Liao Yiwu. Der Autor entfalte anhand eines "schier unerschöpflichen" Figurenkarussells das Bild eines korrupten China, dem man die schonungslose Kritik deutlich anmerkt. Die Charaktere der Porträts reichen vom Haschischforscher bis zur titelgebenden Dongdong-Tänzerin. Voller Lebendigkeit und Witz, so schwärmt Lütkehaus, erzählt Yiwu deren Geschichte; er fühlt sich gleichzeitig unterhalten und zu Recht erinnert an die Willkür und Grausamkeit eines Landes, das Yiwu wie viele andere für ihre Texte ins Gefängnis steckt oder zur Emigration zwingt. Die Verbitterung darüber meint der Kritiker dem Buch anzumerken und ist dennoch beeindruckt von der Vitalität und der Ambiguität an Emotionen, die in ihm zu erkennen sind.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 31.08.2013

Susanne Messmer wirkt in ihrer Rezension arg unentschlossen. Einerseits freut es sie, dass Liao Yiwu sich in seinem zweiten Gesprächsband aufs Neue den Verlierern und Außenseitern Chinas zuwendet und sich als Dokumentarist der Missstände seines Heimatlands bewährt, und dies vor allem auch, da Liao Yiwu neuerlich recht ungezwungen mit den Leuten ins Gespräch kommt. Vor allem die Bekanntschaft mit der stolzen Dongdong-Tänzerin Dai Fengshuang dankt sie ihm ganz besonders. Doch andererseits kann sich die Kritikerin des Eindrucks nicht erwehren, dass Liao Yiwu in erster Linie den in ihn gesetzten Erwartungen nachkommt. Dass China so profund und vollkommen verrottet ist, wie diese Gespräche nahelegen, will Messmer zumindest in dieser Zuspitzung nicht unumwunden glauben - im Zusammenhang mit Interviewäußerungen des Autors und dessen Schmähungen des Nobelpreisträgers Mo Yan wittert sie eine Kampagne. Und dennoch: "Man kann dieses Buch nicht schlecht finden", seufzt die Rezensentin, die Liao Yiwu am Ende noch den guten Ratschlag mit auf den Weg gibt, sich doch bitte weniger an den Vorstellungen seiner deutschen Leser zu orientieren (sondern offenbar eher an denen seiner Kritiker).
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