Leslie Jamison

Die Empathie-Tests

Über Einfühlung und das Leiden anderer. Essays
Cover: Die Empathie-Tests
Hanser Berlin, Berlin 2015
ISBN 9783446249257
Gebunden, 336 Seiten, 21,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Kirsten Riesselmann. Ist Empathie eine innere Qualität oder etwas, was man sagt und tut, eine Praxis? Hilft sie anderen oder steht sie uns nur gut zu Gesicht? Leslie Jamison schreibt über das Verhältnis von Ärzten und Patienten, über Elendstourismus, über weiblichen Schmerz, und sie stellt dabei die Frage nach den Möglichkeiten und den Grenzen der Einfühlung. Ihre Texte kombinieren Reportage, Kulturkritik und persönliches Erzählen in der Tradition von Autoren wie Susan Sontag, Joan Didion oder zuletzt David Foster Wallace und John Jeremiah Sullivan. Und während sie Antworten nur provisorisch akzeptiert, als Anlass für immer neue Fragen, führt sie buchstäblich ihren eigenen Körper ins Feld.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 02.04.2016

Hymnisch bespricht Rezensentin Ruth Fühner Leslie Jamisons Essays über Empathie, die zugleich "verletzlich" und distanziert von Schmerz und Mitgefühl erzählen. Bewundernd stellt die Kritikerin fest, wie es der Autorin gelingt, ganz ohne Melodramatik oder Sarkasmus verschiedene Bereiche des Leidens auszuloten: Jamisons zwischen Reportage und Kulturtheorie angelegte Analysen über Alltagsgewalt, Reality-Shows, die das Leiden Drogenabhängiger dramaturgisch inszenieren oder Jugendliche, die des Mordes schuldig gesprochen werden sind ebenso brillant wie ihre Betrachtungen über die Verbindung von Weiblichkeit und Schmerz, die sie auch mit Blick auf das eigene Leben schildert, lobt die Kritikerin. Allerdings muss Fühner gestehen, dass ihr trotz zahlreicher meisterlicher, bisweilen "riskanter" Reflexionen über verschiedene Bereiche des Schmerzes ein Blick auf das Verhältnis von Empathie und moralischer Praxis fehlt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.12.2015

Christopher Schmidt möchte die klugen Essays von Leslie Jamison aus den Jahren 2006-2012 gleich allzu naiven Feminismus-Kritikerinnen zu lesen geben. Da geht es in der Folge von Plath und Didion um weiblichen Schmerz und seine Kritik, vor allem aber kann die Leserin laut Schmidt eine brillante und inspirierende Seelenkundlerin bei der Arbeit beobachten, wenn diese den Dualismus von Verstand und Gefühl erforscht. Als Simulationspatientin hat die Autorin sogar einen ganz besonderen Background in Sachen Einfühlung zu bieten, findet Schmidt. Was Empathie sein kann, was nicht, lernt er hier. Und auch, wenn die Autorin dem Rezensenten die ein oder andere Illusion nimmt, so wie Jamison sie darstellt, als komplexe, aber erlernbare Kulturtechnik, gefällt ihm die Empathie eigentlich ganz gut. Ein Buch zur Zeit, meint er.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 26.11.2015

Die unter dem Titel "Die Empathie-Tests" von Leslie Jamison vorgelegten zweiundreißig literarischen Essays über Verständnis und Mitgefühl haben Rezensentin Susanne Mayer ausgesprochen gut gefallen. Brillant und feinfühlend nähert sich die Autorin in ihren Reportagen und Reflexionen der Empathie, versichert die Kritikerin, die etwa von Marathonläufern liest, die ihre Körper zu Extremleistungen bringen oder einem Paar folgt, das fast daran zerbricht, dass der Mann den Schmerz über die Abtreibung seiner Frau kaum nachvollziehen kann. Dass Empathie auch Gattungsgrenzen überschreiten kann, lernt Mayer etwa, wenn sie von der tiefen Beziehung zwischen einem Mädchen und einem Pferd liest. Während der Lektüre muss die Kritikerin gelegentlich an Joan Didion und Susan Sontag denken, die Jamison spürbar prägten.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 14.11.2015

Fanny Jimenez schwankt zwischen Abwehr und unbedingt Weiterlesenwollen bei diesem Buch mit Essays von Leslie Jamison. Die Autorin schreibt darin nicht nur über Empathie und ihre Grenzen, wie die Rezensentin feststellt, sondern lotet sie selber aus, indem sie sich professionell geradezu in diese Erfahrung wirft, als Modellpatient für Medizinstudenten. Indem sie Fallgeschichten nicht nur reflektiert, sondern verkörpert, erklärt Jimenez, kommt Jamison der Funktionsweise von Einfühlung sehr nahe. Dass die Autorin diese Erfahrung auch erfrischend unwissenschaftlich und stets extrem nah an echten Schmerzpatienten zu vermitteln weiß, macht die Lektüre für die Rezensentin so aufregend und aufschlussreich, aber eben auch anstrengend.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.10.2015

Die Rolle der Empathie im menschlichen Zusammenleben mag nicht restlos geklärt sein, aber man scheint sich im Allgemeinen doch einig zu sein, was man sich unter ihr vorzustellen hat. Doch wie Rezensent Klaus Bittermann berichtet, rüttelt Leslie Jamison mit ihren "Empathie-Tests" genau an dieser scheinbaren Eindeutigkeit. Sie begibt sich in verschiedene Situationen, die Empathie hervorrufen k oder auch nicht, beobachtet sehr genau Reaktion und gleicht sie mit ihrem Wissen um die gesellschaftliche Einordnung des jeweiligen Phänomens ab, fasst Bittermann zusammen. Warum, fragt Jamison etwa, genießt der Schmerz, den sich Marathon-Läufer zufügen, Anerkennung, nicht aber der,'mit dem jugendliche Ritzer Aufmerksamkeit verlangen? Für den Rezensenten entfalten die Essays einen ungeheuren Sog und den erklärt er sich gleichermaßen mit Jamisons Sprache, ihrer Argumentation und an den ungewöhnlichen Umgebungen, die sie sich für ihre Tests ausgesucht hat.