Kathrin Röggla

Irres Wetter

Roman
Cover: Irres Wetter
Residenz Verlag, Salzburg 2000
ISBN 9783701711710
gebunden, 168 Seiten, 19,43 EUR

Klappentext

Von dem, was man so leichtfertig unter "Gegenwart" zusammenfasst, handeln diese Texte. Orte werden mit darin abgelagerten Gesprächspartikeln, Gesten mit Riten verschränkt. So enstehen mental maps, Skizzen einer sich stark verändernden Stadt und Gesellschaft.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.04.2000

Die "Weltanschauungs- und Zeitgeistkasten" sind zwar alle da, meint Thomas Kraft in seiner Besprechung, und bescheinigt der Autorin damit indirekt, auf der Höhe der Zeit zu sein. Was das Buch für ihn aber über den Durchschnitt hebt, ist das Bewußtsein der Autorin, dass die schlichte Beschreibung alltagsästhetischer Erscheinungen nicht mehr ausreicht, eine Vorstellung vom Hier und Heute abzugeben. Es tun sich "Risse, Grenzen und Trennlinien" auf. Jeder spricht vom Geld in diesem Buch, aber kaum einer hat welches. Dafür basteln alle basteln an Biografien, mit denen sie später mal Millionen verdienen wollen. In dieser "supernervösen Prosa" werde der immer tiefere soziale Graben sichtbar, der die Gesellschaft durchzieht. In diesem Sinne trage Rögglas Text "moralische Töne in sich, ohne moralisierend zu wirken", lobt Kraft.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.04.2000

Christiane Zintzen scheint diesen Roman eher als eine Verheißung auf noch Kommendes zu verstehen. Sie äußert sich nicht wirklich euphorisch, sondern betont vor allem die Entwicklung, die sie bei der Autorin zu erkennen glaubt. Diese Entwicklung zeigt zwar bereits Früchte, wie sie findet, aber ausgeschöpft sieht sie die Möglichkeiten offenbar noch nicht. So diagnostiziert Zintzen bei Röggla ihr bereits bekanntes "muntere Lingo-Sampling", das die Autorin bei Szene-Hedonisten offenbar für angemessen halte. Immerhin gehe Röggla mittlerweile darüber hinaus, indem sie - durch den distanzierten Blick einer Zugezogenen - virtuos mit den Berliner Sprachgepflogenheiten spielt. Zintzen will sie bei den derzeit so populären Szene-Jung-Autoren einreihen: Dazu leide Röggla nicht genug "unter dem Offenbarungszwang echt zu empfindender Radikalität". Die Autorin zeige hier vielmehr, dass sie längst erkannt hat, von welch kurzer Dauer die Konjunktur dieser Art von Literatur wohl sein wird.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.04.2000

"Der ultimative Berlin-Text!" Endlich mal ein Text, der, wie hier von Meike Fessmann, angepriesen wird wie ein vom Verfallsdatum bedrohter Joghurt oder Fleischpastete. Und vom Verfall und Verschleiß ist bei Fessmann tatsächlich die Rede, die "Irres Wetter" als gelungenen Versuch betrachtet, "mit einer stark rhythmisierten Prosa" den gegenwärtigen Berlin-Hype einzufangen: die Völkerwanderung in der Stadt, die abhanden gekommenen Ordnungsmuster, die überhand nehmenden Unterscheidungs- und Abgrenzungssysteme, der ständig wechselnde Szenejargon. Die Autorin zeigt, "dass sich eine vom Experiment her kommende, genuin anti-erzählerische Schreibweise bestens dazu eignet, die Gegenwart zu erfassen", schreibt Fessmann. Ihre Empfehlung: Schnell lesen, bald lesen!
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.03.2000

Zentrales Thema in Kathrin Rögglas Roman sind nach Ansicht Ulrich Rüdenauers die gegenwärtigen und bisweilen erdrückenden Anforderungen an junge Menschen in puncto Mobilität und Flexibilität, die kontrastieren mit dem nicht immer ganz so flotten "inneren Fortschritt". "Positives Denken" hat zwar Konjunktur, dennoch leiden die Figuren in Rögglas Geschichten an Realitätsverlust, leben in "`paralleluniversen`", so Rüdenauer. Dabei erweise sich Röggla als begabte Sprachartistin: Sie zerreiße Szenen und Wörter, diese "streunen...durch den Textraum", um dann anschließend in neuen Kombinationen verknüpft zu werden. Welcher Gattung Rögglas Texte nun zugerechnet werden können, ist sich Rüdenauer nicht ganz sicher: Am ehesten seien es Mischformen aus Erzählungen, Porträts und Erkundungen. Der dadurch entstehende "provisorische Eindruck" stört den Rezensenten keineswegs. Vielmehr ist er der Ansicht, dass es die einzige Möglichkeit ist, "von heutigen Menschen und Städten" zu erzählen.