John Lanchester

Kapital

Roman
Cover: Kapital
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2012
ISBN 9783608939859
Gebunden, 650 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Dorothee Merkel. Alle Bewohner der Pepys Road suchen nach ihrem Glück: Roger Yount ist ein erfolgreicher Banker - mit zwei Kindern und einer verwöhnten Ehefrau. Dass er nicht die erwartete 1 Million Pfund Jahresprämie erhält, stürzt die Familie in eine Krise. Nebenan zieht die senegalesische Fußballhoffnung Freddy Kamo mit seinem Vater ein - wird ihm der internationale Durchbruch in einem Premier-League-Club gelingen? Petunia Howe lebte schon in der Pepys Road, als diese noch eine einfache Arbeiterstraße war. Pakistanische Kioskbesitzer stehen unter Terrorverdacht, die nigerianische Politesse ohne Arbeitserlaubnis schreibt Strafzettel und der polnische Handwerker Zbigniew liebt die Frauen, und die Frauen lieben ihn. An einem ganz normalen Tag liegt bei allen stolzen Eigenheimbesitzern dieser Straße eine merkwürdige Nachricht im Briefkasten: "Wir wollen, was ihr habt."

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.03.2013

Durchaus zufrieden zeigt sich Angela Schader mit John Lanchesters Roman "Kapital", auch wenn sie einiges zu kritisieren weiß. Die Intention des Autors, ein "Gesellschafts- und Sittengemälde" zu schaffen, das Themen wie Gentrifizierung, Finanzkrise, Migration, Kunstbetrieb und islamischen Fundamentalismus aufgreift, ist in ihren Augen insgesamt gut umgesetzt. Die Londoner Pepys Road, vor der die Gentrifizierung nicht halt macht, scheint Schader eine gute Bühne für eine Vielzahl von Schicksalen, die Lanchester in miteinander verknüpften, mal witzigen, mal emotionalen Episoden schildert. Auf der anderen Seite hätten dem 700-Seiten-Wälzer ihres Erachtens einige Streichungen und Straffungen nicht geschadet. Manches wird für ihren Geschmack zu sehr ausgewalzt. Auch die Erzählweise und die Figurenzeichnung des Romans findet die Rezensentin eher konventionell. Ihr Fazit: kein wegweisendes Werk, sondern eher eine "gute Feierabendlektüre - unterhaltsam, aber nicht fordernd".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.02.2013

So unterhaltsam, dass er ihn im Grunde nicht mehr zu lesen braucht, findet René Hamann den neuen Backstein, äh, Schmöker von John Lanchester. Oder: Wozu eigentlich ein Roman, die Fernsehserie tut es doch auch? Hamann aber gibt nicht auf und sucht nach dem Speziellen, dem Romanhaften im Buch. Und siehe da: Streicht der Rezensent jeden zweiten Satz, findet er immer noch genug im Text, das "vielsagend für sich selbst" steht, ohne dass der Autor groß Analyse betreiben müsste, doch der sozialkritische Realismus schlägt so viel stärker durch. Und das Buch ist einfach weniger langweilig.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.01.2013

Klett-Cotta lügt, petzt Dirk Pilz. John Lanchesters "Kapital" ist nicht das Buch zur Krise, wie der Verlag weismachen möchte. Das heißt aber nicht, dass ihm das Buch nicht gefallen hat. Im Gegenteil: er findet es gut, sehr gut sogar. Vergleiche mit Balzacs Gesellschaftspanoramen findet Pilz schon passender. Lanchester schildert London und wie das Leben dort "schmeckt und riecht", erklärt der Rezensent. Zu diesem Zweck widme sich der Autor ganz dem Leben in der Pepys Road und ihren äußerst unterschiedlichen Einwohnern. Seine "heimliche Hauptfigur" ist aber der Bänker Roger, verrät der Rezensent. Pilz findet es schön, wie wenig moralisierend sich Lanchester dessen (zugegebenermaßen luxuriösen) Problemen annimmt: ein Bonus von dreißigtausend Euro anstatt einer runden Millionen wie erwartet, zum Beispiel. Der Autor macht aus Roger kein raffgieriges Klischee sondern einen Menschen: "widersprüchlich, sehnsüchtig, unglücklich", fasst Pilz zusammen. Es sind dem Rezensenten zwar auch flachere Charaktere begegnet - Rogers Frau, ein "Oberflächenetwas", hat ihn regelrecht verärgert -, aber insgesamt hat er sich sehr über dieses Buch gefreut. Er hat es gelesen "wie man sommers ein prickelndes Erfrischungsgetränk zu sich nimmt - gierig, genüsslich, dankbar", erklärt er blumig.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 29.11.2012

Mit John Lanchesters "Kapital" hält Rezensent John F. Jungclaussen, wie er verkündet, den ersten Roman der globalen Finanzkrise in Händen. Der englische Autor hat seine Geschichte, in deren Zentrum der erfolgreiche, aber dennoch nicht glückliche Banker Roger Young und seine Familie stehen, in der "Pepys Road" angesiedelt, im Herzen des multikulturellen London. Mit großem Realitätssinn beschreibt er das Leben der Außenseiter der Gesellschaft, so Jungclaussen. Young wird vom Bankencrash überrascht, die Krise erweist sich letztlich aber als "Katharsis", die seinem Leben neuen Sinn verleiht, verrät der Rezensent. Während sich Lanchester viel Mühe gibt, die Krise und ihre Folgen für Young zu analysieren, kommt der Ausblick in eine bessere Zukunft für Jungclaussen entschieden zu kurz. Da er dem Leben der zahlreichen Protagonisten mit viel Anteilnahme auf 600 Seiten gefolgt ist, findet er es zudem befremdlich, dass sie von der einschneidenden Wirtschaftskrise so "unberührt" bleiben. Die moralische Stoßrichtung des Romans überzeugt den Rezensenten durchaus, er hätte sich eben einfach noch einen schönen Ausblick in eine bessere Welt gewünscht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.10.2012

Fettes Buch, meint Johan Schloemann beeindruckt. 700 Seiten Gesellschaftspanorama der Gegenwart, Ort: London, Personen: Die Bewohner und Zuarbeiter der Pepys Road. Schloemann bezeichnet das Buch als Immobilienroman, weil es im London der Finanzkrise eben immer und vor allem um Immobilien geht und was sich damit anstellen lässt, um Geld geht es natürlich auch. Da kennt, erklärt Schloemann, John Lanchester sich aus, hat Essays und ein Sachbuch zur Krise verfasst, die sich laut Rezensent sehen lassen können und also als Fakten in die Fiktion hier mit einfließen, doch ohne den Text zu ökonomischer Fachliteratur verkommen zu lassen, wie Schloemann schreibt. Der Anspruch also ist recht hoch, und der Autor kann ihn sogar erfüllen, auch wenn Schloemann ihn dann doch nicht für einen Dickens oder Balzac hält. Unterhaltsam ist das Buch ja, plastisch, lustig auch, erhellend, auch wenn sich Lanchester, wie der Rezensent sacht bemängelt, nicht entscheiden kann zwischen satirischer und zärtlicher Betrachtung der Gesellschaft in seinem Porträt. Die Reichen sind hier jedenfalls alle dumm, die Armen gut und fleißig, ein bisschen schematisch, findet Schloemann.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.10.2012

John Lanchesters neuer Roman "Kapital" ist nicht nur der bisher beste des Autors, sondern auch einer der "lesenwertesten" britischen Romane der vergangenen Jahre, lobt Rezensentin Felicitas von Lovenberg. Gebannt liest sie dieses ebenso intelligent wie elegant gezeichnete Londoner Gesellschaftsporträt, welches der Autor anhand der Bewohner und Arbeiter der Londoner Pepys Road entwirft. Neben einem Investmentbanker mit seiner verwöhnten Gattin, einem Fußballclub-Manager und einer reichen Witwe begegnet der Kritikerin hier auch ein pakistanischer Kioskbesitzer und ein ungarisches Kindermädchen, die in dieser Erzählung über "Geld und Gier, Angst und Ambition" alle gleichermaßen mit zärtlicher Anteilnahme und ohne Verurteilung geschildert werden. Lanchester gelinge es nicht nur einen eindringlichen Blick hinter die Fassaden der Reihenhaussiedlung zu werfen, sondern auch die einzelnen Schicksale meisterhaft zu verbinden, lobt die hingerissene Rezensentin, die nach der Lektüre das Gefühl hat, selbst Teil der Pepys Road zu sein.
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