Jochen Hörisch

Das Wissen der Literatur

Cover: Das Wissen der Literatur
Wilhelm Fink Verlag, München 2007
ISBN 9783770545209
Gebunden, 236 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Dichter wollen entweder belehren oder erfreuen. So lautet die berühmte Formulierung von Horaz (aut prodesse aut delectare volunt poetae). Sie wollen und können beides. So lautet die Leitthese des Buches 'Das Wissen der Literatur', das der Mannheimer Literatur- und Medienwissenschaftler Jochen Hörisch im Jahr der Geisteswissenschaften veröffentlicht. Denn schöne Literatur, Belletristik, Dichtung ist ein Medium alternativen und dissidenten Wissens. Literatur weiß etwas und zwar nicht nur mehr oder weniger Diffuses, sondern durchaus Konkretes, z.B. über Krankheiten, über ökonomische Zusammenhänge oder über Logiken der Rechtsfindung. Gerade in einer Kultur, die sich selbst als Wissens- und Informationsgesellschaft beschreibt, wird deutlich, wie heikel es um die Unterscheidung von hartem (=naturwissenschaftlich-technischem) und weichem (=geisteswissenschaftlich-literaturbasiertem) Wissen steht. Schöne Literatur hat einen binären Leitcode, der sich entschieden von dem der Wissenschaften abgrenzt. Er lautet nicht wahr / falsch, sondern stimmig / nicht-stimmig. Soll heißen: gerade weil die epistemische Grundorientierung von Literatur eine andere ist als die der Wissenschaften, kann Literatur erfolgreich ein Spiel spielen, das da heißt: Ich seh etwas, was du nicht siehst.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.03.2008

Burkhard Müller ist einigermaßen verzweifelt. Da kennt und schätzt er den Autor als charmanten Plauderer auf dem Podium, findet seine Analysen von Schuberts Musik und Wilhelm Müllers Gedichten "sensibel und intelligent" - und dann muss er sich mit dieser Lektüre quälen! Die Neugier auf Jochen Hörischs gesammeltes "Wissen der Literatur" ist ihm jedenfalls rasch vergangen. Zu wild und ungezügelt erscheint ihm Hörischs Assoziationskunst, zu wenig thesenhaft verfährt er, als dass Müller das ohnehin Altbekannte (es handelt sich um Aufsätze "der letzten Jahre"), im neuen Licht klar vor sich sehen könnte. Kenntnisse hin oder her, meint Müller. Umsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Hörisch aber lässt den armen Rezensenten k.o. zurück. Und auch aus den "Nebenbefunden" keine Rettung: Fehlerhafte lateinische Zitate und sachliche "Falschmeldungen", dass Müller sich die Haare rauft.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.11.2007

Durchwachsen scheint Roman Luckscheiter dieser Band Jochen Hörisch, der diverse Publikationen des Germanisten über "Das Wissen der Literatur" versammelt. Durchaus interessant findet er den Ansatz, Literatur als eine Art Wissenspeicher, als ein riesiges Archiv von Welt- und Handlungswissen zu verstehen, von dem nicht nur enzyklopädisch interessierte, sondern auch von Fragen des Lebens umgetriebene Leser profitieren können. Lobend äußert er sich auch über die instruktive wissensorientierte Lektüre, die Hörisch an zahlreichen Texten vorführt. Allerdings nerven ihn die vielen Wiederholungen, die sich aus dem Sammelbandcharakter des Buchs ergeben. Zu kurz kommt seines Erachtens zudem die Einsicht, die Stärke der Literatur liege gerade in der "Irritation festgefügter Wissensordnungen". Dieser Einsicht wünscht Luckscheiter, zumal im Jahr der Geisteswissenschaften, mehr Aufmerksamkeit als einem "allmählich bis zur Unkenntlichkeit aufgeblähten Wissensbegriff".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.10.2007

"Anregend" und "luzide" findet Rezensent Oliver Pfohlmann die Aufsätze und Vorträge des Mannheimer Literaturwissenschaftlers Jochen Hörisch. Hier geht es nämlich um Literatur als unterschätzten und verborgenen Wissensspeicher, der für andere gesellschaftliche Systeme nutzbar gemacht werden kann. Hörisch leitet seine Theorie des "dissidenten" Wissens von Luhmann her, lesen wir. Die Dichtung bewege sich daher nicht in den binären wissenschaftlichen Codes "richtig/falsch" sondern in den ihr eigenen ästhetischen Codes "stimmig/nicht-stimmig". Von der Verpflichtung entbunden, nachprüfbare und notwendigerweise begrenzte Fakten zu schaffen, produziert Literatur so eine "alternative Realitätsversion", in der sie über einfach alles spricht, referiert Pfohlmann Hörischs Thesen. An Beispielen aus dem klassischen Kanon macht Hörisch deutlich, wie sich dieses Wissen problemorientiert anwenden lässt, ohne die Literatur dabei auf ihren Nutzwert zu reduzieren, schreibt der inspirierte Rezensent.