Jhumpa Lahiri

Wo ich mich finde

Roman
Cover: Wo ich mich finde
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2020
ISBN 9783498001100
Gebunden, 160 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Margit Knapp. Eine allein lebende Italienerin in den Vierzigern: unsicher, scheu, orientierungslos, sich selbst fremd. Die Arbeit als Universitätsangestellte garantiert ihr einen unspektakulären Tagesablauf. Sie begibt sich stets an dieselben, ihr vertrauten Orte, in ihre Lieblingsbar, die Schwimmhalle, die Buchhandlung um die Ecke. An den Wochenenden besucht sie ihre alte Mutter. Ihre Einsamkeit lässt sie die Menschen um sich herum genau betrachten - auf der Straße, bei der Maniküre, im Supermarkt, im Zug. Die Tage vergehen, die Jahreszeiten wechseln. Und eines Tages, bei einem Ausflug ans Meer, geschieht etwas Unerwartetes. Sie trifft eine Entscheidung, die sie selbst überrascht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.09.2020

Rezensentin Miryam Schellbach scheint seltsam angetan von Jhumpa Lahiris Bericht aus der Fremde. Wie die Autorin trotz jahrelangen Aufenthalts das andauernde Fremdsein in einer italienischen Stadt empfindet, vermittelt Lahiri laut Rezensentin in einem kargen, zurückgenommenen Italienisch, einer Sprache, die spürbar nicht die eigene Muttersprache ist. So trostlos die einsamen Spaziergänge und Beobachtungen der Autorin auf Schellbach mitunter wirken, so voll von genauen Details sind sie. Eine lesenswerte "geografische wie seelische Standortbestimmung", so Schellbach.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.07.2020

Rezensentin Katharina Granzin liest Jhumpa Lahiris im Original auf Italienisch verfassten Roman mit Freude. Woher das Leseglück kommt, weiß sie aber nicht so genau zu erklären. Die in kurzen Episoden erzählte Geschichte einer weder besonders glücklichen noch unglücklichen alleinstehenden Literaturwissenschaftlerin, die ein Stipendium in eine italienische Unistadt führt, scheint Granzin frei von epischer Entwicklung. Lahiris Sinn für Details, ihre Beobachtungsgabe und Beschreibungsgenauigkeit findet Granzin allerdings bemerkenswert. Und das nur Angedeutete im Text, eine unglückliche Kindheit, eine nicht ausgelebte Liebesbeziehung, scheint die Fantasie der Rezensentin zu beflügeln.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 09.07.2020

Der Plot ist recht ereignislos, die Sprache simpel und knapp, stellt Rezensentin Maike Albath fest, und trotzdem entwickelt Jhumpa Lahiris "Wo ich mich finde" laut Kritikerin einen subtilen Zug, ein Strömen, das den Leser immer weiter durch die Geschichte treibt. Albath spürt eine untergründige Unruhe, eine düstere, zerwühlte Gefühlswelt der Protagonistin - einer Mittvierzigerin, deren öder Alltag sie langsam, ohne, dass es so richtig merkt, zermürbt, bis sie irgendwann eine lebensverändernde Entscheidung trifft. Die Parallelen zu Lahiris eigener Biografie sind offensichtlich, meint Albath. Vor einigen Jahren nämlich habe auch die indischstämmige Amerikanerin eine solche Entscheidung getroffen: für den Wechsel ihrer Schreibsprache vom Amerikanischen ins Italienische. Von einem solchen "Aufbruch in neue Gefilde" erzählt Lahiris "Wo ich mich finde", und das ist überaus lesenswert, so die hingerissene Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 09.06.2020

Julia Frisé liest Jhumpa Lahiris Roman als feine Beobachtung des Lebens. Der unter einem nagenden Gefühl der Isolation leidenden Protagonistin im Buch folgt sie gern bei ihren Alltagshandlungen an einem nicht näher bestimmten Ort. Die Episoden, die vom Fremdsein und von Entwurzelung erzählen, von Begegnungen, Beziehungen und Wahrnehmungen, wirken auf Frisé mit "wunderbarer modrig-feuchter Melancholie". Lahiris schöne, einfache Sätze wirken laut Rezensentin sowohl im italienischen Original als auch in der Übersetzung.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 23.05.2020

Es passiert eigentlich nicht viel in diesem Buch, so Rezensentin Mara Delius: Eine Frau, Mitte Vierzig, irgendwo in Italien lebend (wie auch die in England geborene und in New York aufgewachsene Autorin), lebt ihr Leben als Einzelgängerin. Sie hat nur wenig Freunde, feste Routinen und einen Unijob. Was Delius daran fasziniert, ist die lakonische Art, mit der diese Frau durchs Leben geht, wie sie kühl überlegt, was sie vielleicht versäumt, ob sie ein anderes Leben hätte haben können und wie das ausgesehen hätte. Die ganze Geschichte ist aufgebaut auf den Blicken der Frau, ihren Beobachtungen. Das ist von einer Eleganz, die Delius an Antonioni erinnert. Dass heute mit ihrer Familie in Rom lebende Lahiri inzwischen auf Italienisch schreibt, beeindruckt Delius nicht weniger.