Adam Tooze

Ökonomie der Zerstörung

Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus
Cover: Ökonomie der Zerstörung
Siedler Verlag, München 2007
ISBN 9783886808571
Gebunden, 928 Seiten, 44,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Yvonne Badal. Hitlers Weltbild war nicht nur politisch und rassenbiologisch, sondern in hohem Maße auch ökonomisch geprägt. Deutschland sollte nicht nur eine militärische, sondern auch eine wirtschaftliche Supermacht werden, koste es, was es wolle. Dieser rücksichtslose Plan war von vornherein zum Scheitern verurteilt, doch vermochte er den halben Kontinent zu verwüsten und Millionen von Menschenleben zu vernichten. Mit seinem Buch legt Adam Tooze eine Geschichte der Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschland vor, die einen neuen Blick auf das Herrschaftssystem des "Dritten Reichs" und den Verlauf des Zweiten Weltkriegs eröffnet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.11.2007

Der hier rezensierende Freiburger Historiker Hans-Erich Volkmann begrüßt die Geschichte der nationalsozialistischen Wirtschaft, die der britische Historiker Adam Tooze vorgelegt hat. Volkmann konstatiert bei der britischen Forschung generell ein stärkeres Interesse für die ökonomische Dimension der NS-Zeit als bei der deutschen, die das Dritte Reich eher politisch und gesellschaftlich in den Blick nimmt. Götz Alys Buch über "Hitlers Volksstaat" übergeht der Rezensent in diesem Zusammenhang. Bei Tooze rückt seinen Angaben nach der Wirtschaftskomplex, die Wirtschaftsauffassung und Wirtschaftspolitik des Nazi-Regimes in den Mittelpunkt. Eingehend zeichnet Volkmann die Ausführungen des Autors über Hitlers wirtschaftliche Interessen nach: Diese bildeten Tooze zufolge die Grundlage der nationalsozialistischen Politik nach innen und außen, aus ihnen heraus seien Dimension und Zusammenhang von Rüstung, Krieg und Holocaust erfassbar. So habe dem Holocaust eine "an Zynismus nicht mehr zu überbietende ökonomische Ratio" zugrunde gelegen, wie Volkmann festhält. Er attestiert dem Autor einen auf zahlreichen Quellen basierenden "derzeit gültigen" Interpretationsansatz sowie eine Reihe von überraschenden Einzelthesen, die das Buch zu einer lohnenden Lektüre machten.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.08.2007

Ein feines Beispiel angelsächsischer erzählender Geschichtsscheibung sieht Rezensent Thomas Speckmann in der Arbeit des Wirtschaftshistorikers Adam Tooze. Doch nicht nur. Das große Verdienst des Autors liegt für den Rezensenten nämlich in der ökonomisch gestützten, nüchternen Verdeutlichung der Irrationalität von Hitlers Zweifrontenkrieg. Eine "Materialschlacht", die sich für Speckmann in der formalen Fülle des Bandes wiederholt. Hier jedoch mit dem Erfolg, dass dem Rezensenten die Desolatheit der deutschen Wirtschaft um 1940 einleuchtet und der Untergang des Dritten Reiches ihm folgerichtig erscheint.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 01.08.2007

Als "histografische Leistung höchsten Ranges" rühmt der Rezensent Ernst Piper dieses Werk des britischen Historikers Adam Tooze. Dem Autor schreibt er neben großem Arbeitseifer vor allem ein feines historisches Gespür für die sozio-ökonomischen Entwicklungen in der NS-Zeit zu. So zeigt er sich sehr einverstanden mit der Interpretation, dass das NS-Regime "eine Mobilisierungsdiktatur gewesen sei, deren soziale Wohltaten hinter denen vergleichbarer Volkswirtschaften zurückblieben". Hierin erkennt Piper vor allem einen Gegenentwurf zu Götz Alys Buch "Hitlers Volksstaat", das den Nationalsozialismus als "Gefälligkeitsdiktatur" erklärte. Auch dass Tooze darauf hinweist, dass die Vernichtung des europäischen Judentums den deutschen Kriegszielen mitunter im Weg standen, findet Piper einleuchtend. Zudem beeindruckt Piper die Art und Weise, wie der Autor den engen Zusammenhang zwischen Ökonomie und Sklavenarbeit neu interpretiert. In Albert Speer erkennt er sodann rückblickend jenen Mann, der mit seinen propagandistischen Rüstungsprogrammen das zermürbte deutschen Volk bis zuletzt bei der Stange hielt. Trotz einiger Mängel bei der Übersetzung lobt der Rezensent den Autor, der diese "komplexen militärisch-ökonomischen Zusammenhänge umfassend und überzeugend" analysiert habe.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.06.2007

Das alles ist ja spannend zu lesen, und der Wirtschaft im Dritten Reich wird auch viel Platz eingeräumt. Trotzdem hat Adam Tooze sein im Untertitel formuliertes Ziel, eine Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus zu schreiben, nicht eingelöst, bemängelt Rezensent Christoph Buchheim. Tooze vernachlässige die auf Langfristigkeit orientierte Eigenlogik der Wirtschaft, die oft im Gegensatz zu den kurzfristigeren politischen Zielen der NS-Führungsriege stand. Es habe hier Spannungen und Reibungen gegeben, die Tooze nur "unzureichend" analysiere und deshalb unterschlage. Dem Regime sei es eben nicht gelungen, die Wirtschaft umfassend zu mobilisieren. Richtig findet Buchheim allerdings Toozes Feststellung, dass die Nationalsozialisten von Anfang an eine Totalmobilisierung der Wirtschaft im Sinn hatten. Eine Phase friedlicher Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen habe es nie gegeben, genau so wenig wie die Kriegswirtschaft in den ersten Jahren angeblich auf den Blitzkrieg ausgelegt gewesen sei.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 19.05.2007

Adam Toozes umfangreiche Arbeit über die Wirtschaft im Nationalsozialismus hat Rezensent Rudolf Walther überaus beeindruckt. Das Werk des britischen Wirtschaftshistorikers zeigt für ihn, dass Götz Alys These ("Hitlers Volksstaat"), Hitler habe sich die Loyalität der deutschen Bevölkerung auch mit sozialstaatlichen Leistungen und geringen Steuern erkauft, nur die halbe Geschichte ist. Walther berichtet in diesem Zusammenhang etwa über die enormen Lasten, die der Zivilbevölkerung auf der anderen Seite durch die drastischen Erhöhungen des Militärhaushalts am Sozialprodukt entstanden (So erhöhte sich der Militärhaushalt zwischen 1933 und 1938 von einem auf 20 Prozent und 1943 flossen 76 Prozent in die Kriegswirtschaft). Viel gelernt hat Walther über Hitlers Vorgehen, die deutsche Wirtschaft für die Mobilisierung des Landes zu einer Militär- und Weltmacht einzuspannen, obwohl dafür jede materielle Basis fehlte. Walther teilt die Einschätzung des Autors, Hitlers Charisma und Ideologie vom "Volkstumskampf" hätten eine ebenso wichtige Rolle gespielt wie der Schulterschluss von Nazi-Regime und Privatwirtschaft. Auch Toozes Urteil, diese Allianz ändere nichts an der dominierenden Rolle der Politik, die ihren Willen gegen jede wirtschaftliche Zweckmäßigkeit durchgesetzt habe, kann er sich anschließen. Die Lektüre des voluminösen Bands ist nach Ansicht Walthers allerdings kein Sonntagsspaziergang. So hält er dem Autor vor, seine grundlegenden Thesen und Argumentationen "unter einem riesigen Materialberg" und langen erzählenden Passagen zur Rüstungs- und Kriegsgeschichte zu verstecken.