Ilja Ilf, Jewgeni Petrow

Zwölf Stühle

Roman
Cover: Zwölf Stühle
Volk und Welt Verlag, Berlin 2000
ISBN 9783353011398
Gebunden, 512 Seiten, 24,54 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Renate und Thomas Reschke. Die weltberühmte und mehrmals verfilmte Gaunerkomödie erschien erstmals 1928, allerdings verstümmelt durch die sowjetische Zensur. Die nun vorliegende Neuübersetzung der Zwölf Stühle folgt erstmals dem Originalmanuskript und ist kommentiert. Am Sterbebett seiner Schwiegermutter erfährt Ippolit Worobjaninow deren wohlgehütetes Geheimnis: In einem von zwölf Stühlen aus dem alten Esszimmer der Familie hat sie ihre Juwelen versteckt. Wenn Worobjaninow den Schatz findet, ist endlich Schluss mit dem armseligen Provinzdasein, das er seit der Revolution führen muss. Besessen von süßen Zukunftsträumen begibt sich der ehemalige Adelsmarschall und heutige Standesbeamte auf die Suche. Schon bald begegnet er einem Konkurrenten: Väterchen Fjodor, der gewitzte Pope, hat der Sterbenden ebenfalls das Geheimnis entlockt ...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.06.2001

Was den Tschechen ihr "Schwejk", sind den Russen ihre "Zwölf Stühle", meint Peter Demetz. Es handelt sich um einen Schelmenroman, der nach seinem Bekunden bereits in 15 Sprachen übersetzt und insgesamt siebenmal verfilmt worden ist und jetzt frisch und "kräftig" neu übersetzt wurde. Und zwar nach der Originalfassung, ohne die Zensurstriche, die, so Demetz, vergleichsweise milde ausgefallen waren. So habe man etwa den Hinweis gestrichen, wie gut in den 20er Jahren amerikanische Filme beim russischen Publikum angekommen seien. Im Grunde hätten sich die Autoren Ilf und Petrow recht gut mit dem Regime arrangiert, was aber offensichtlich ihrer Fabulier- und Spottlust keinen Dämpfer verpasst hat. Bloß gegen Ende dieser Gaunergeschichte aus der frühen Sowjetunion ist es mit dem erzählerischen Geschick des Autorenteams vorbei, so Demetz: der eine Held komme wider alle Logik des Genres zu Tode, weshalb die Autoren ihren Publikumsliebling in einem der nachfolgenden Romane auch wieder ins Leben gerufen hätten.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.12.2000

Caroline Schramm findet Gefallen an der Neuübersetzung von Ilja Ilfs und Jewgeni Petrows Roman "Die zwölf Stühle", für sie "eines der unterhaltsamsten und informativsten Bücher über die Sowjetunion der 1920er Jahre". Die Autoren erzählen die Geschichte einer Schatzsuche, die aber schnell zum Gesellschaftskommentar wird - die Protagonisten stehen unter anderem "für einen Lebensstil, der in empfindlicher Weise mit den Postulaten der frühen Sowjetzeit kollidiert". Dieser Roman entfachte bei Erstveröffentlichung 1927 einen Streit über Satire, der zur staatlichen Unterdrückung von satirischer Literatur führte. Die erste zensurfreie Version dieses Roman, der nach Meinung der Rezensentin "einen Wendepunkt in der Literatur der Sowjetzeit" signalisierte, erschien erst 1998, und darauf gründet sich auch die neue Übersetzung, die Schramm für gelungen hält, auch wenn von diesem stark mit Idiomen arbeiteten Text zwangsläufig viel verloren gegangen sei.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.11.2000

"Money makes the world go round...", das gilt auch für das Russland der 20er Jahre und somit für Ilja Ilfs und Jewgeni Petrows Roman "Zwölf Stühle", wenngleich das Geldthema hier eigenwillig behandelt wird, wie Rezensent Ulrich M. Schmid findet. Ein geldgieriger Adelsmarschall (proletarisiert) sucht unter Mithilfe eines geldgierigen Ganoven (gewitzt) die Juwelen seiner Tante, die in einem von zwölf Stühlen versteckt sein sollen. Für Schmid liegt der Reiz des Romans allerdings nicht in dieser "mehr oder weniger spannenden Handlungsführung", in deren Verlauf Geld erschlichen und gestohlen wird. Auch beurteilt Schmid die politisch korrekte Schlusspointe (es stellt sich heraus, daß mit den Brillanten bereits ein Arbeiterklub gebaut wurde) als künstlerisch schwächstes Element. Das eigentlich Spannende ist für Schmid die subversive Strömung des Romans: Exkurse über die Absurditäten des Sowjetlebens, seiner Ansicht nach auch noch für die Zeit nach 1991 gültig. Die Gaunerkomödie "Zwölf Stühle" wurde bereits 1928 geschrieben, avancierte trotz oder gerade wegen einiger zensierter Stellen zum Kultbuch, ist seit 1997 in Moskau unzensiert zu haben und nun auch in deutscher Neuübersetzung von Renate und Thomas Reschke, die Schmid als "spritzig" lobt. Auch wenn der Roman in den Grenzen frühsowjetischer Ästhetik bleibe, so weiß der Rezensent Interessantes über damalige Gesellschaftskritik und Zensurpolitik abzulesen. Dies kann ihm jeder Leser nachtun: am Ende des Buches findet er ein Verzeichnis aller Zensurvarianten. Und vielleicht schließt er sich auch Schmids Meinung an und betrachtet die "Zwölf Stühle" als letzten Roman, der die Kunst, über sich selbst zu lachen, "virtuos vorgeführt" hat, bevor Stalin "eiserne Fröhlichkeit" verordnete.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.10.2000

Ein Buch, in dem ein russischer Adliger nach der Oktoberrevolution auf die Suche nach einem Familienschatz in einem der zwölf Stühle seines Familienerbes geht: seit 70 Jahren wird es, so Olga Martynova, von allen Russen, geliebt; es ist mehrmals verfilmt worden und kürzlich wurde gar ein Denkmal für "Ostap Bender", den Buch-Freund des Buch-Adligen, in St.Petersburg enthüllt. Die neue Übersetzung ist so reichlich mit Anmerkungen versehen, dass sie den Lesefluss vielleicht stören können, meint Martynova. Und das wäre schade, weil dem deutschen Publikum endlich die "Lachkrämpfe" des russischen zu gönnen sind.
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