Goncalo M. Tavares

Die Versehrten

Roman
Cover: Die Versehrten
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2012
ISBN 9783421045027
Gebunden, 240 Seiten, 19,99 EUR

Klappentext

Aus dem Portugiesischen von Marianne Gareis. Gibt es eine Formel für den Schrecken? Theodor Busbeck, Arzt und Historiker, ist besessen von der Idee, das Übel folge einer inneren Logik, und er arbeitet fieberhaft daran, künftige Schrecken im Voraus berechnen zu können. Seine Exfrau und Patientin Mylia trotzt seit Jahren den Prognosen der Ärzte über ihren immanenten Tod; Ernst Spengler, ihr ehemaliger Geliebter, ist seit seinem Aufenthalt in der Nervenklinik ein gebrochener Mann und des Lebens überdrüssig, und Hinnerk Obst ist ein vom Krieg Gezeichneter. In einer schicksalhaften Nacht treffen all diese Personen aufeinander, und die Gewalt scheint unausweichlich ...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.01.2013

Dieses Kammerspiel der menschlichen Psyche gefällt Nicole Henneberg wegen seiner an Jose Saramago erinnernden stilistischen Lakonie und Kargheit sowie der Radikalität, mit der Goncalo M. Tavares seine ambivalenten Figuren in einer einzigen Nacht aufeinander treffen lässt. Der Ideenroman beeindruckt die Rezensentin durch das Aufspüren feinster, allgemeinen Maßstäben widersprechenden Empfindungen, die, unmerklich fast, sogar ihre eigene Wahrnehmung vermeintlich natürlicher Ordnungsmuster infrage stellen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.06.2012

Sehr beeindruckt, aber auch recht beklommen hat Michael Stallknecht diesen düsteren Roman gelesen, mit dem der Portugiese Goncalo Tavares dem radikalen Pessimismus ein Denkmal setzt. In einem "heillosen Verschuldungszusammenhang" sieht der Rezensent hier die Figuren verstrickt, und kein Entkommen aus Wahnsinn, Krankheit und Tod. "So viel Welterklärungswille war lange nicht mehr", konstatiert Stallknecht, wobei er auch ein wenig ächzt unter der bleiernen Schwere der Geschichte: Der hyperrationalistische Wissenschaftler Busbeck heiratet die schizophrene Mylia, die in der Psychiatrie ein Kind von einem anderen Patienten bekommt, wobei dieses Kind schwerbehindert ist und von einem geistesgestörten Veteranen ermordet wird, wie der Rezensent die finstere Geschichte umreißt. Ungeheuer wird es Stallknecht, wenn Tavares nicht nur die Momente schildert, in denen sich Menschen für das Schlechtere entscheiden, sondern auch sehr lustvoll die Tötung des Kindes.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.06.2012

Ein Jahrhunderttalent nennt Rezensent Mathias Schnitzler den portugiesischen Autor Goncalo M. Tavares und erweckt den starken Eindruck, als würde das deutsche Feuilleton schon wieder einen Roberto Bolano verschlafen. Die Portugiesen selbst überschütten Tavares mit Lob und Preis(en), die Angelsachsen offenbar auch. Dabei scheint seine Literatur recht sperrig und düster, Schnitzler zufolge ist sie geradezu expressionistisch. Verrückte irren fiebernd durch die Nacht; Liebe, Mord und Wahnsinn verschmelzen zu wirren Gedankenwelten und einem Schreckensgemälde, in dem Gut und Böse miteinanderringen, bei klarem "Feldvorteil für das Böse", wie Schnitzler schätzt. Wundert es, dass die Protagonisten deutsche Namen tragen wie Ernst, Theodor und Hinnerk?

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.05.2012

So verstörend Eberhard Geisler diesen Roman, durch den ihm schwarzes Magma zu fließen scheint, auch findet, er lässt ihn nicht los. Den Autor nennt er einen bedeutenden Vertreter der portugiesischen Gegenwartsliteratur, gleich neben Saramago und Antunes. Dass Goncalo M. Tavares allerdings keine Belehrung beabsichtigt wie Saramago, sondern die reine Anschauung der Finsternis, merkt Geisler rasch. Und so stellt sich ihm das nächtliche Stelldichein (mit negativem Vorzeichen) mehrerer problematischer Charaktere dar als Rätsel des Grauens. Verwirrung, Schmerz, Krieg sind die Themen, die der Rezensent immerhin erkennt, und biblische Zeichen, die sich aus dem religiösen Kontext lösen und weltlich werden.
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