Antonio Lobo Antunes

Was werd ich tun, wenn alles brennt?

Roman
Cover: Was werd ich tun, wenn alles brennt?
Luchterhand Literaturverlag, München 2003
ISBN 9783630871462
Gebunden, 701 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Portugiesischen von Maralde Meyer-Minnemann. Als Paulo seinen Vater Carlos im Sarg sieht, ordentlich zurechtgemacht in Anzug und Krawatte, bekommt er einen hysterischen Lachanfall. Jahrelang kannte er ihn nur als Drag Queen, als Star der Lissabonner Nachtclubszene, und nur allzugern ließ er sich in diese zwielichtige Welt am Rande der Gesellschaft hineinziehen. Vor allem Carlos' große Liebe, der jugendliche Draufgänger und Junkie Rui, faszinierte ihn, er führte ihn in die Unterwelt ein, brachte ihn zum Heroin. Jetzt ist auch Rui tot, wird zusammen mit Carlos begraben. In einem halluzinatorischen Furor rekapituliert Paulo sein Leben, die gescheiterte Ehe seiner Eltern, die Frage, ob Carlos wirklich sein Vater ist, die spießige Welt seiner Pflegeeltern, seine Entziehungskur, die noch nicht abgeschlossen zu sein scheint ...

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.06.2004

Verena Auffermann scheint ein großer Fan des portugiesischen Schriftstellers Antonio Lobo Antunes zu sein, der ihres Erachtens in seiner Heimat wenig Anerkennung genießt. Erst die späteren Generationen werden erkennen, behauptet Auffermann, dass er die Sozialgeschichte des Landes vom Kolonialkrieg über die Nelkenrevolution bis hin zum EU-Beitritt schrieb. Doch Antunes, gibt auch die Rezensentin zu, ist kein einfacher Autor, er verweigert sich dem linearen Erzählen, sondern liebt polyphone Strukturen. Die Sprache seiner Romane klingt wie Chorgesang, so Auffermann, wie Rezitative, Arien, Litaneien, ein Sprachfluss, bei dem eine Stimme in die andere übergehe. Im jüngsten Roman scheint sich ihr dieses Sprachkarussell immer schneller zu drehen, Antunes' entwickle eine immer selbstbezüglichere Sprache, die ins Leere zu gehen drohe, schreibt Auffermann. Im Fall dieser "schrillen Vatergeschichte", in der sich der Vater als Transvestit erweist, was den Sohn in einige vorstellbare Probleme stürzt, bleibe der Stoff, die Handlung auf der Strecke, kommt Auffermann zu ihrem großen Bedauern zu einem nicht so positiven Urteil, während die Form scheinbar den Sieg davon trage.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.10.2003

Thomas Laux' Warnung geht auch an die getreuen Anhänger von Antonio Lobo Antunes: Der Portugiese sei einen Schritt weiter gegangen in seiner Suche nach der "reinen", der "sich selbst sprechenden Sprache" - machen Sie sich also "auf eine überaus sperrige Unternehmung" gefasst! Und erwarten Sie nichts von dem, was den Roman als Gattung üblicherweise auszeichnet, insbesondere keine Handlungsstruktur. Denn Antunes gehe es um die Kunst des Romans an sich, und die sei keine Frage des Plots. Zwar gehe es in seinem Buch um etwas - "die Geschichte eines Transvestiten mit den Implikationen von Doppelleben, gebrochener Identität und gesellschaftlicher Marginalisierung" - doch dieses Etwas werde in "versponnenen Segmentierungen" immer weiter zerstäubt, bis - ja, bis außer "poetisch zerklüftetem Terrain" nichts mehr übrigbleibe. Kunst - schön und gut, findet Laux, aber Kunst um der Kunst willen? Man könnte es auch "narrative Entropie" nennen. Antunes, resümiert er, hat seinen "vormals aufklärerischen beziehungsweise gesellschaftskritischen" Ansatz "auf dem Altar der reinen Sprache geopfert".