Geschichte des Ungeborenen

Zur Erfahrungs- und Wissenschaftsgeschichte der Schwangerschaft, 17. bis 20. Jahrhundert
Cover: Geschichte des Ungeborenen
Vandenhoeck und Ruprecht Verlag, Göttingen 2002
ISBN 9783525353653
Gebunden, 328 Seiten, 36,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Barbara Duden, Jürgen Schlumbohm, Patrice Veit. Das ungeborene Kind gilt heute als ein Wesen, das eine regelmäßige Entwicklung vom ersten bis zum letzten Monat der Schwangerschaft durchläuft. Dieses Bild ist in der Wissenschaft gebräuchlich, prägt aber auch die Wahrnehmung schwangerer Frauen. Noch vor wenigen Generationen war die Schwangerschaft dagegen zunächst ein Zustand der Ungewissheit. Was Gelehrte und Ärzte bis ins 18. Jahrhundert darüber schrieben, erscheint uns heute weithin als haltlose Spekulation. Die Autoren des Bandes machen diesen Wandel durch ausgewählte Fallstudien verständlich. Sie fragen nach der Erfahrung der Frauen ebenso wie nach der "Wissenschaft" interessierter Männer. Daneben geht es um die Debatten von Theologen über die Seele und das Seelenheil des werdenden Kindes.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.12.2002

Als "überaus lesenswerten und anregenden" Sammelband würdigt Rezensent Wolfgang Eckart die von Barbara Duden, Jürgen Schlumbohm und Patrice Veit herausgegebene "Geschichte des Ungeborenen". In historischer Perspektive gehen die Autoren der Frage nach, wie die Mutter, ihr kulturelles, soziales und politisches Umfeld und nicht zuletzt die medizinische Wissenschaft das ungeborene Kind im Mutterleib wahrgenommen haben, erläutert Eckart. Er hebt hervor, dass der Band versuche, historisches Neuland zu erschließen, indem er der langen Geschichte der Konzeptualisierung von Schwangerschaft seit dem 17. Jahrhundert folge. Ein Prozess, den Eckart "außerordentlich spannend" findet, der auch keineswegs allein durch weibliche Wahrnehmung und Erfahrung oder die jeweilige medizinische Wissens- und Deutungsmacht determiniert sei. Eines macht der Band nach Ansicht Eckarts über alle Einzelergebnisse hinaus deutlich: Jenseits aller naturwissenschaftlichen Gewissheit bleibe die Natur des Ungeborenen so wie die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Schwangeren bis heute historisch und kulturell geprägt. "Aktuelle Debatten um den Status des Embryos und die Ethik einer hochtechnisierten Reproduktionsmedizin greifen zu kurz", gibt der Rezensent abschießend zu bedenken, "wenn sie diese Bedeutungsdimension verkennen."
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.04.2002

Robert Jütte beschränkt sich in seiner Rezension weitgehend auf das Referat der Erkenntnisse, die er aus dem Band gewonnen hat und enthält sich jeglichen Kommentars zur Machart und Qualität der Beiträge. Seiner angeregten Darstellung kann man allerdings entnehmen, dass er mit dem Band durchaus einverstanden ist. Er schildert, wie der Embryo im Lauf der letzten 200 Jahre zum Objekt sinnlicher Anschauung wurde, hebt hier Ulrike Enkes Beitrag über das mit großen Bildern geschmückte Werk "Icones embryonum humanorum" des Mainzer Anatomen Thomas Soemmering aus dem Jahr 1799 hervor und beschreibt weitere Etappen wie die populärwissenschaftlichen Werke Ernst Haeckels, Rudolf Virchows Wachsfigurenkabinette und Präparate und "Hygiene"-Ausstellungen der zwanziger Jahre die Bilder des Embryos immer weiter popularisierten. Auch aus theologischer Sicht wird die Geschichte des Ungeborenen beleuchtet, schreibt Jütte weiter und macht uns darauf aufmerksam, dass die Debatte, ab wann ein Embryo "beseelt" sei, bereits seit Jahrhunderten geführt wird. Mit einem Blick auf die Geschichte des medizinischen und des staatlichen Umgangs mit dem Ungeborenen, die im Band ebenfalls behandelt werden, schließt Jütte seine wohl positiv gemeinte Rezension.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.03.2002

Das Ungeborene war bis ins 19. Jahrhundert ein Hoffnungsträger, kein öffentlich sichtbarer und zu vermessener Fötus, hat der Rezensent mit dem Kürzel "lx" nach der Lektüre dieser kulturgeschichtlichen Betrachtungen von Embryo und Schwangerschaft erkannt. Viel sei von der schwangeren Frau als einer, die guter Hoffnung ist, nicht mehr übrig geblieben, so "lx". Heute wachten vielmehr Theologen, Ethiker, Mediziner und Politiker über den Bauch der Frau. Die Beiträge in dem Sammelband, ist der Rezensent beeindruckt, haben diesen Prozess der veränderten Aufmerksamkeit einer kritischen Analyse unterzogen und liefern jene historische Fundierung, die für die gegenwärtige Debatte über den Status von Embryonen unerlässlich sei.
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