Georges Hyvernaud

Haut und Knochen

Roman
Cover: Haut und Knochen
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010
ISBN 9783518224564
Gebunden, 112 Seiten, 12,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Julia Schoch. Während Hyvernauds Roman "Der Viehwaggon" (1953) vor allem das Nachkriegs-Paris und das absurde Soldatenleben schildert, wird in "Haut und Knochen" (1949) unmittelbar vom Leben in deutscher Kriegsgefangenschaft und von der Heimkehr erzählt. Einer kommt aus dem Lager nach Hause. Er trifft auf Verwandte, ehemalige Kollegen, die Ehefrau und ist sprachlos: Wie lässt sich in ihrer ignorant harmlosen Welt weiterleben? Fast grenzt "Haut und Knochen" an eine Beweisführung: Warum der Ich-Erzähler an kein heiles Menschenbild mehr glauben kann. Doch dem Autor gelingt etwas Unwahrscheinliches: Schlimmste existentielle Erfahrungen verwandelt er in Scharfsinn, Poesie und Sprachwitz, die Grausamkeiten fängt er durch Wortturbulenzen auf, sodass sie nicht nur empörend oder schlimm, sondern auf schreckliche Weise auch amüsant erscheinen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.07.2011

Es lohnt sich immer Georges Hyvernaud wiederzuentdecken, findet Rezensent Thomas Laux, denn schon dessen erster, 1949 erschienener Roman "Haut und Knochen" zeige seine außergewöhnliche Begabung. Hyvernaud berichtet hier von seinen eigenen Erfahrungen in den deutschen Gefangenlagern des Zweiten Weltkrieges. Selten hat der Rezensent eine derart intensive Beschreibung des erniedrigenden Zusammenlebenmüssens gelesen - ihm erscheint Hyvernauds Bericht wie eine "profane Auslegung Sartrescher Phänomenologie". Dem gekonnt entgegengesetzt sind die Schilderungen der Daheimgebliebenen, gesättigtes Bürgertum, das von dem Rückkehrer abenteuerliche Anekdoten, zumindest aber ein paar kernige "Stubenwitze" erwartet: der Erzähler kann sie jedoch nur mit äußerst realistischen Beschreibungen des "Zufluchtsortes der gemeinschaftlichen Darmentleerung" versorgen. Erfrischender Sarkasmus und beißende Ironie zeichnen dieses Buch aus, dennoch, so der Kritiker, spürt man immer wieder die Verzweiflung des Autors an der menschlichen Existenz.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.03.2011

Äußerst dankbar zeigt sich Rezensent Jan Röhnert der Übersetzerin und (Wieder-)Entdeckerin dieses Autors gegenüber. Das gerade, zeitgenössische Deutsch, das Julia Schoch Georges Hyvernauds kleinem Heimkehrerroman gönnt, scheint ihm angemessen, um das Existentielle der Geschichte und der Erzähler-Stimme zu transportieren: Der Mensch reduziert aufs Kreatürliche, das geht uns alle an. So jedenfalls beschreibt Röhnert seine durchweg positive Erfahrung mit einem Buch, das er einordnet in den Gegenkanon der französischen Literatur, irgendwo zwischen Sartres "Ekel" und Houellebecqs "Ausweitung der Kampfzone".
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.02.2011

Für ganz gut in unsere Zeit passend hält Renate Wiggershaus den illusionslosen, melancholischen Humanismus des Autors. Neben dem Aufwerfen existenzieller Fragen über Zeit, Freiheit, Identität und Geschichte gereichen der Prosa von Georges Hyvemaud für Wiggershaus auch die angewandten Stilmittel des Grotesken, der Ironie, der Wiederholung und der Leitmotivik zur Ehre. Hyvemauds autobiografisch grundierte, die Pein der Kriegsgefangenschaft behandelnde Heimkehrergeschichte von 1946, meint die Rezensentin, verwandelt sich auf die Art erst in nüchterne Poesie.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.01.2011

Ilma Rakusa musste ganz schön schlucken. Georges Hyvernauds Bericht von seiner mehrjährigen Gefangenschaft in einem deutschen Kriegsgefangenenlager ist so unerbittlich und so schonungslos, dass für Heroisches genauso wenig Raum bleibt wie für Schnörkel: "Die Wahrheit heißt Hunger, Zwang, Angst, Scheiße", zitiert die Rezensentin, die so drastisch das Lagerleben selten vor Augen geführt bekommen hat. Deutlich wird, dass für Hyvernaud nicht der Hunger das größte Problem war, sondern der mangelnde Platz, die ständige Nähe der anderen: "Überall Mensch." Bewegt und  erschüttert liest Rakusa diese Aufzeichnungen, aber auch erstaunt, dass dieser Autor so in Vergessenheit geraten konnte. Umso dankbarer ist sie, dass die Autorin Julia Schoch das Werk ins deutsche übertragen hat und dafür auch prompt ausgezeichnet wurde.