Grammatik der Schöpfung

Cover: Grammatik der Schöpfung
Klaus Wagenbach Verlag, München 2001
ISBN 9783446200777
Gebunden, 352 Seiten, 25,46 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Martin Pfeiffer. George Steiners neues Buch handelt von der Idee der Schöpfung, wie sie sich in der westlichen Kultur von der Bibel über Literatur und Kunst bis in die Philosophie und die Wissenschaftsgeschichte verbreitet hat. Und es zeigt, daß vom 20. Jahrhundert, mit seinem Glauben an Wissenschaft und Technik, keine Antworten mehr auf die großen Fragen der Moral, der Politik und der Ästhetik zu erwarten sind. Eine Entwicklung, die in ihren Konsequenzen - laut Steiner - ungeheure Verluste in Kauf nimmt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.02.2002

"Epochal" nennt Hans-Jürgen Heinrichs diese Studie, die ihn wegen ihrer "unglaublichen Dichte, Gelehrsamkeit und auch Poesie" in Staunen versetzt hat. Wie der Autor - "am Schnittpunkt zwischen der vollzogenen Entheiligung der Anfänge und dem Aufkommen einer neuen, universal anmutenden Schöpfungs-Phantasie in der Genforschung" - sämtliche Epochen und Disziplinen der Künste und Wissenschaften durchschreitet, "um die Überschneidungen und Differenzen zwischen uranfänglicher und menschlicher Schöpfung" zu präzisieren, hat Heinrichs tief beeindruckt. Fasziniert zeigt sich der Rezensent insbesondre von der Kreativität des Autors, die sich für ihn darin zeigt, dass Steiner den "Zusammenbruch der Menschlichkeit" im 20. Jahrhundert auf die "Auswirkungen dieses verdunkelten Zustandes auf die Grammatik" transparent machen kann. In den grammatikalischen Formen des Futurs und des Konjunktivs, so Heinrichs, entdecke und verabschiede der Autor "das Potenzial des Hoffens". Nicht schlimm, wenn dabei die Frage nach den "innersten Triebfedern" des Schaffens dennoch offengelassen werde: Innerhalb der Wissenschaften (etwa auch in den Exkursen zu Hölderlin oder Celan), meint Heinrichs, sei dieses Buch schlicht uneinholbar.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.10.2001

Beispielhaft wirkt Tinguelys Werk-Zerstörung des Jahres 1960, der "Künstler als Schöpfer und Zerstörer", meint Ulrich Raulff, der aktuelle Bezüge zum 11. September zu sehen nicht umhin kann und sich hinsichtlich seiner Besprechung nur allzu sehr davon leiten lässt. Der Literaturwissenschaftler George Steiner beklage seit langem schon die "Ermüdung der okzidentalen Kultur", jedoch nie so bewegend wie in seiner vorliegenden, 5 Kapitel umfassenden "Grammatik". Der Untergang der abendländischen Kunst sei unbestritten - der Künstler, der zwischen Teufel und Gott stehe, nähere sich heute dem Teufel und Steiner sei "Zuschauer und Rhapsode ihres Untergangs". Alles in allem ist die Besprechung eine überzeugte und respektvolle Hommage an den Literaturwissenschaftler, dessen Verdienste um die "schwierigen" Autoren (Hegel, Heidegger, Spinoza, Weil etc.) der Rezensent ausdrücklich würdigt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.10.2001

Als "bewusst altmodischen Kopf" bezeichnet Martin Meyer den Philosophen und Literaturwissenschaftler George Steiner, der gegen das Vergessen und Verschwinden unseres kulturellen Erbes polemisiert, für Meyer jedoch durchblicken lässt, dass er auch um die Vergeblichkeit seines Zeterns weiß. "Schöpfung" sei nicht im religiösen Sinn gemeint, erläutert Meyer den Titel von Steiners Buch, sondern bedeute den schöpferisch-künstlerischen Akt, durch den sich der Mensch zur Welt verhält. Die "Grammatik" wäre demnach die Summe aller möglichen Entwürfe von der Welt. Aber nicht alle Entwürfe halten Stand vor Steiners kritischen Augen. Mit der spätmodernen Ästhetik tue sich der Autor schwer, meint Meyer, ihm liege mehr an einer "Liaison mit dem Göttlichen". Ein spannendes Buch, findet der Rezensent, zuweilen etwas unsystematisch, mitunter forciert, im Detail strittig und ganz bestimmt mit einer Überdosis an "name-dropping" belastet; aber, so Meyer, dafür glänzt und besticht das Buch durch seine Beobachtungen am Rande.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2001

Für den Literaturwissenschaftler George Steiner lebten der künstlerische Schöpfungswille "aus dem Drang, die Sterblichkeit zu überwinden", der jedoch in der westlichen Avantgarde des 20. Jahrhunderts nicht mehr existiere. Künstlertum und Tod seien untrennbar verbunden gewesen. Mit dem zeitgenössischen Umgang mit Tod und Sterben verschwinde auch die Kunst und ihr Anspruch nach Unsterblichkeit. Einen Schlussstrich habe nach seiner Meinung Tinguely gezogen, der im Jahre 1960 eine seiner Skulpturen selbst dekonstruiert habe: das "Ende künstlerischer Schöpfung". Für Otto Kallscheuer trifft dies alles zu, "aber es trifft nicht." Warum? Das lässt uns der Rezensent dann allein ausgrübeln.