Friederike Mayröcker

Paloma

Cover: Paloma
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008
ISBN 9783518419564
Gebunden, 198 Seiten, 16,80 EUR

Klappentext

"Paloma": Das Buch trägt den Namen der Tauben im Flieder, der geflügelten Boten im Azur. 99 Briefe auf der Kreisbahn eines Jahres, von Mai 2006 bis April 2007: "lieber Freund, die weiszen Lilien, die du mir zur Tür gelegt hast, sind eine grosze Lust mein Schreibzimmer voll Glanz und Duft : das wird mich anfeuern zu schreiben", hebt der erste von ihnen an, in den Frühling geschrieben, den dichtenden Vögeln nach. "Fern Schreiben" sind es, an den Freund, den Leser und an ihn, den abwesenden Verbündeten, der dahin ist und doch nie gegangen. Während draußen die Gegenstände wie Bühnenkulissen wechseln und das Leben sich im Fenster vis-a-vis spiegelt, hält Friederike Mayröcker Zwiesprache mit sich selbst: "bin den ganzen Tag am Lauschen : Worte, Wortbilder, Sätze, (?) fliege immer wieder auf und nieder, hierhin und dahin."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.05.2008

Jörg Drews lässt sich von den 99 "Briefen" an einen "lieben Freund", in denen Friederike Mayröcker doch eher stille Zwiesprache mit sich selbst hält, bezaubern und er betont, dass es sich bei den zwischen Mai 2006 und April 2007 entstandenen, je höchstens zwei Seiten langen Briefen weder um trockene Zustandsberichte noch um mühsame Reflexionsprosa handelt. Dominierende Themen der 84-jährigen Autorin seien das Altern, das Erinnern, die tiefe Trauer um den verstorbenen Lebensgefährten Ernst Jandl und die Angst vor dem Versiegen ihrer poetischen Inspiration. Dazwischen gehe sie immer wieder gedanklichen Assoziationen und auftauchenden Bildern nach, die insgesamt ein "inneres Gemurmel" bilden, das dabei aber nie indezent werde. Mayröckers Hang zur Selbstironie mildert die durchaus vorhandene "Egozentrik" der Briefe, versichert Drews, der sich von den "durchsonnten und durchleuchteten" Texten gefangen nehmen lässt. Dass es sich bei dem Band um ein "Buch über Körperbewusstsein" handelt, wie Mayröcker selbst resümiert, ist dem Rezensenten zu kurz gegriffen, er sieht darin dagegen ein Zeugnis einer "langsamen Beruhigung".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.03.2008

In ihrem neuen Buch hat Friederike Mayröcker dem Eindruck von Rezensent Paul Jandl zufolge ihre immer noch tiefe "erdschwere Trauer" um ihren verstorbenen Gefährten Ernst Jandl in "flügelschlagende Poesie" verwandelt. Es handelt sich, wie der Rezensent schreibt, um neunundneunzig im Verlauf von elf Monaten verfasste Briefe, die die Dichterin an einen nicht näher bezeichneten "lieben Freund" adressiert habe. Zwar wird dem Rezensenten beim Lesen schnell klar, dass dieser Adressat lediglich eine "Hilfskonstruktion des Herzens" für die Autorin ist. Doch die radikale Intimität des Tons, den diese Form ermöglicht, empfindet er als großen Vorteil dieser Komposition. Das jeweilige Datum ordne die Notate chronologisch und lasse den gleichmachenden Strom der Zeit durch sie hindurch fließen, in dem Jandl Erhabenes und Banales, Gegenwart und Erinnerung, Traum und Alltag zu einer Sprache der Poesie verschwimmen sieht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.03.2008

Ebenso anrührend wie existenzerhellend fand Rezensent Otto A. Böhmer dieses Buch der bedeutenden österreichischen Schriftstellerin über das Altwerden und Jungbleiben, das Leben und Träumen und ihren verstorbenen Gefährten, den epochalen Dichter Ernst Jandl. Es ist wohl besonders die Mischung von kühler Selbstbeobachtung und radikaler Subjektivität, aus der Friederike Mayröckers Buch für den Rezensenten seine Kraft bezieht. Aber auch das Ineinander von Erinnerung und Gegenwart macht auf Böhmer einigen Eindruck.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.03.2008

Eine liebevolle, fast zärtliche und auch bewundernde Kritik von Harald Hartung. Auch dieses Buch ist der Erinnerung an Mayröckers verstorbenen Lebensgefährten, den Dichter Ernst Jandl, gewidmet. 99 fingierte Briefe an einen "lieben Freund" hat Mayröcker geschrieben. Mit Namen nennt sie Jandl dabei nicht, die Rede ist immer nur von "ER", was Jandl in den Augen des Rezensenten etwas geradezu geisterhaftes verleiht. Mayröcker spricht von der "fortdauernden geistigen Gemeinschaft" mit Jandl, so Hartung, aber auch von der Angst, ihn zu vergessen. Das Buch ist aber keine Hagiografie, versichert der Rezensent. Dafür ist Mayröcker viel zu realistisch. Es ist eine "Wiener Melange", melancholisch und heiter, etwa wenn Mayröcker ihr Alltagsleben integriert, Sarraute liest, mit der Callas "grölt" oder von der Wiener "Kaffeehaus-Literaturwelt" träumt. All dies beschreibe Mayröcker mit einer Sprache, die "mit Taubenflügeln fliegt".
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