Franzobel

Das Floß der Medusa

Roman
Cover: Das Floß der Medusa
Zsolnay Verlag, Wien 2017
ISBN 9783552058163
Gebunden, 592 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

18. Juli 1816: Vor der Westküste von Afrika entdeckt der Kapitän der Argus ein etwa zwanzig Meter langes Floß. Was er darauf sieht, lässt ihm das Blut in den Adern gefrieren: hohle Augen, ausgedörrte Lippen, Haare, starr vor Salz, verbrannte Haut voller Wunden und Blasen … Die ausgemergelten, nackten Gestalten sind die letzten 15 von ursprünglich 147 Menschen, die nach dem Untergang der Fregatte Medusa zwei Wochen auf offener See überlebt haben. Da es in den Rettungsbooten zu wenige Plätze gab, wurden sie einfach ausgesetzt. Diese historisch belegte Geschichte bildet die Folie für Franzobels epochalen Roman, der in den Kern des Menschlichen zielt. Wie hoch ist der Preis des Überlebens?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.10.2017

Rezensentin Judith von Sternburg hat Franzobels Roman "Das Floß der Medusa" mit gemischten Gefühlen gelesen. Das Konzept des österreichischen Schriftstellers, das historische Unglück von einem allwissenden Erzähler aus der Gegenwart schildern zu lassen, will laut Kritikerin nicht recht aufgehen: Vergleiche mit Leonardo di Caprio und Kate Winslet auf der Titanic oder Hinweise auf die Gefährdung von UV-Strahlen erscheinen Sternburg zu "klabautermannisch" und bringen den Roman aus der Balance, meint sie. Auch Franzobels Bestreben, das Geschehen immer wieder mit weiteren großen historischen Katastrophen in Verbindung zu setzen, um den "Zivilisationsbruch" sichtbar zu machen, kann die Rezensentin nicht viel abgewinnen. Die Stärke des Romans liegt für Sternburg vielmehr in Franzobels Vermögen, das menschliche Versagen der Führung auf dramatische Weise vor Augen zu führen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.07.2017

Rezensent Rainer Moritz wundert sich, dass der Mythos um die 1816 gesunkene Fregatte "Medusa" in der Literatur eher selten aufgegriffen wurde. Dass sich der österreichische Schriftsteller Franzobel in seinem ambitionierten, faktengesättigten historischen Roman nun der Katastrophe annimmt, rechnet ihm der Kritiker zwar hoch an - das Ergbebnis findet er allerdings eher mau: Zu weitschweifig gerät ihm die - immerhin mit allerlei "drastischen" Szenen angereicherte, chronologisch erzählte Geschichte, in der der Autor historische Distanz mit "postmodernen Spielereien" überbrückt, etwa wenn hier in Nebenrollen Frankenstein, Stephen King oder Walt Disney auftreten. Insbesondere aber vermisst der Rezensent neben essentiellen Botschaften und facettenreichen Charakteren - Spannung.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.04.2017

Franzobel tut das exakte Gegenteil von dem, was Überlebende von Katastrophen, dramatischen und grausamen Ereignisse in der Regel tun, erklärt Rezensent Harald Eggebrecht: Statt das Grauen des Untergangs der französischen Fregatte Medusa Ende des 19. Jahrhunderts für sich sprechen zu lassen, es nackt und so wahrhaftig wie nur möglich darzustellen, bläst er es künstlich auf und muss immer weiter blasen, denn seine monströse Groteske verliert schon nach wenigen Seiten an etlichen Stellen an Luft, spottet der Rezensent. Freilich, Konsequenz und Ambitioniertheit kann man diesem Roman nicht absprechen, räumt er ein, Konsequenz nur leider vor allem in Bezug auf die ausnahmslos überzeichneten, karikaturenhaften Gestalten und die bis zum Ende durchgehaltene Lautstärke dieses Romans.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.03.2017

Alexander Kosenina kann sich gar nicht genug wundern und freuen über diesen schrägen Streich von Franzobel. Ein historischer Roman über das legendäre Ende der französischen Fregatte Medusa im Jahr 1816? Aber was für einer, meint Kosenina, der Franzobels literarisches Programm, dem begrifflich Unbegreiflichen mit wilder Fabulierlust, abrupten Wechseln der Erzählperspektive, Brüchen und der Vermischung von Fakten und Fiktion zu begegnen, sehr schätzt. Die vielen monströsen Szenen und abgetrennten Gliedmaßen im Buch nimmt der Rezensent dafür gern in Kauf. Dass der Autor die historischen Quellen und die nautische Sprache dennoch gut kennt, scheint Kosenina bemerkenswert. Eine wuchtige, groteske, verstörende Allegorie auf die Menschennatur, findet Kosenina, ein Buch, wie er es selten gelesen hat.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 18.02.2017

Für Rezensent Tilman Krause ist dieser Roman das "Gipfelwerk" des österreichischen Autors Franzobel. Die Courage muss man erstmal haben, sich mit dem Untergang der Medusa im Jahre 1816  einem "Topos der europäischen Unheilserfahrung" derart unbefangen und mit solch "schöpferischer Wucht" zu nähern, staunt der Kritiker. Mehr noch: Wie Franzobel mit einer Prise Humor, vor allem aber mit viel detailreicher Drastik das größte "Grausamkeitstheater" seit Grimmelshausen entwirft, dabei auf Splatter-Elemente verzichtet und stets nachvollziehbar bleibt, ringt dem Rezensenten allergrößte Anerkennung ab. Trotz seiner bisweilen "plebejisch" unerschrockenen Erzählhaltung verletzt der Autor nie die Würde der Opfer oder die Ernsthaftigkeit des Sujets, schließt der Kritiker, der selten einen so temporeichen und raffinierten Historienroman gelesen hat.
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