Franz Kafka

Brief an den Vater

Mit einem unbekannten Bericht über Kafkas Vater als Lehrherr und anderen Materialien
Cover: Brief an den Vater
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2004
ISBN 9783803136121
Gebunden, 160 Seiten, 19,50 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Hans-Gerd Koch und mit einem Nachwort von Alena Wagnerova. Franz Kafkas Brief an den Vater hat unser Bild von Hermann Kafka geprägt. Die neu aufgefundenen Erinnerungen des Lehrjungen Frantisek Basik an seine Jahre in der Galanteriewarenhandlung der Kafkas vermitteln allerdings überraschend andere Eindrücke.Seit seiner Erstveröffentlichung im Jahr 1952 hat Kafkas von persönlicher, selbstverständlich subjektiver Wahrnehmung geprägter Brief an den Vater als Quelle für biographische Studien gedient. Als Frantisek Xaver Basik 1940 seine Lebenserinnerungen niederschrieb, wußte er nicht, daß der Weltruhm des Sohnes seines ehemaligen Lehrherrn bereits eingesetzt hatte. Er wollte ja auch nicht über Franz Kafka oder dessen Familie schreiben, sondern über seine Lehrjahre von 1892 bis 1895 in einer Prager Großhandlung, deren Inhaber zufällig ein gewisser Hermann Kafka war. Absichtslos, sozusagen in Nebensätzen liefert er uns ein lebendiges Bild vom Alltag der Kafkas.
Hans-Gerd Koch stellt Kafkas Brief an den Vater und die Erinnerungen Basiks in ihren zeitgenössischen Kontext. Alena Wagnerova stellt die Problematik der Vaterfiguren und der Frauen der Gründerzeit anhand ausgewählter Einzelschicksale dar.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.06.2005

In seiner sehr genauen Prüfung der neueren Kafka-Forschung geht Hartmut Binder scharf mit dieser Edition ins Gericht. Zwar hält er es unbedingt für ein Verdienst des Verlegers Klaus Wagenbach, diese Lebenserinnerungen des Frantisek Basik, eines Angestellten von Kafkas Vater, publiziert zu haben, immerhin gaben sie ihm Einblicke in Struktur und Atmosphäre des Prager Geschäftsbetriebs. Doch als zuverlässige Quelle will Binder sie nicht gelten lassen. So sieht er in Wagenbachs Vorwort einige fragwürdige Behauptungen aufgestellt, die ihn in keiner Weise dazu veranlassen konnten, sein negatives Bild von Kafkas Vater zu revidieren.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.05.2004

Entscheidend an dieser Neuausgabe von Franz Kafkas "Brief an den Vater" im Wagenbach Verlag ist, wie uns Julia Encke in Kenntnis setzt, der darin enthaltende Bericht über eben diesen Hermann Kafka, der keinerlei Ähnlichkeiten mit dem grausamen Bild aufweist, das Kafka selbst von seinem Vater gezeichnet hatte. Geschrieben hat ihn Frantisek X. Basik, der in den Jahren zwischen 1892 und 1895 im Galanteriewarenladen der Kafkas gearbeitet hatte. Basik beschreibt darin den Vater als "kräftigen, ruhigen etwa 35-jährigen Mann, von großer Gestalt und irgendwie sympathisch", wie Encke zitiert. Eine Sensation? Keineswegs, meint Encke. Für sie ist dieser Text nicht mehr als ein weiteres "biografisches Puzzlestück". Denn auch wenn er an dem Bild von Kafkas Vater tatsächlich rütteln sollte, wie der Verlag den Bericht anpreist, fragt sich Encke, "was es überhaupt bringt, daran zu rütteln". Vielleicht war Hermann Kafka kein Monster - na und? "Für Franz Kafka war er eins, und das zählt."
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.05.2004

Kafkas zu Lebzeiten nie veröffentlichter "Brief an den Vater" ist legendär, doch übersteht er seine Neuveröffentlichung als Parallelabdruck zu einem unbekannten Bericht des einstigen Tschechisch-Lehrers Kafkas unbeschadet, meldet Katharina Rutschky beeindruckt. Der einstige Tschechisch-Lehrer Franz Kafkas war ein Proletarierjunge namens Frantisek X. Basik, ein Lehrling in der Firma Hermann Kafkas, der zur Gesellschaft und zum Sprachunterricht des Jungen abgestellt war. Basik schrieb 1940 seine Erinnerungen nieder; seine Auskünfte, meint Rutschky, seien auch deshalb so kostbar, weil er keine Ahnung von der späteren Berühmtheit des ihm anvertrauten Zöglings hatte. Für Basik präsentierten sich die Eltern in einem viel positiveren Licht als dem Sohn: sie kommen als liberale Arbeitgeber und weltoffene Menschen weg, erklärt Rutschky, die sich ihrem Sohn gegenüber liberal und einfühlsam benommen hätten. Um so mehr imponiert Rutschky, wie modern Kafka in dem "Brief an den Vater" gedacht und geschrieben hat. Schon bald hätte er die persönliche Ebene der Abrechnung hinter sich gelassen und zu seinem eigentlichen Sujet gefunden, das über die Beziehung hinaus von allgemeinem Interesse sei: laut Rutschky die "unschuldig schuldhaften Generationsbeziehungen". Unbedingt noch mal lesen, rät die Rezensentin.