Emmanuel Carrere

Yoga

Cover: Yoga
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2022
ISBN 9783751800587
Gebunden, 328 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Claudia Hamm. Alles beginnt gut: Emmanuel Carrère fühlt sich souverän als Herr über sein gelungenes Leben und plant ein heiteres, feinsinniges Büchlein über Yoga zu schreiben. Mit leichter Ironie, aber auch echter Hingabe wollte er dem Leser seine Erkenntnisse über Yoga enthüllen, das er er seit einem Vierteljahrhundert betreibt: ein Buch voller Weisheit über das Verhältnis zur Welt, wenn man Abstand zum eigenen Ego gewinnt. Zunächst läuft alles bestens, doch dann wird er während seiner Recherchen vom Tod eines Freundes beim Anschlag auf Charlie Hebdo eingeholt und gleich darauf von einer unkontrollierbaren Leidenschaft erschüttert. Von einem Tag auf den anderen kippt sein Leben, eine bipolare Störung wird diagnostiziert, und Carrère verbringt vier quälende Monate in der geschlossenen Psychiatrie, wo er versucht, seinen Geist mit Gedichten an die Leine zu legen. Entlassen und verlassen lernt er auf Leros in einer Gruppe minderjähriger Geflüchteter ganz anders Haltlose kennen. Zurück in Paris stirbt sein langjähriger Verleger - und doch gibt es am Ende auch wieder Licht. Denn "Yoga" ist die Erzählung vom mal beherrschten, mal entfesselten Schwanken zwischen den Gegensätzen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.03.2022

Bestens gelaunt trifft sich Ijoma Mangold mit Emmanuel Carrere in Paris, der Frühling hat begonnen und den Schriftsteller verehrt der Kritiker ohnehin. Die Begegnung verläuft allerdings ernüchternd, in Plauderlaune ist Carrere nicht, Mangolds Kritik fällt dennoch hymnisch aus. Die Nähe zum Autor, die im Gespräch nicht aufkommen will, findet der Rezensent im Buch: Carrere erzählt von einem Yoga-Retreat, das er aufgrund des Terroranschlags auf die Zeitschrift Charlie Hebdo frühzeitig beendet. Ein Zusammenbruch und die Diagnose "Bipolare Störung" folgen, das Projekt, ein heiteres Yoga-Büchlein zu schreiben, stirbt, resümiert der Kritiker. Wie der Autor dann aber das Disparate verknüpft, Meditation und Gewalt, Leere und Schmerz, dabei stets wie ein Balletttänzer zwischen moralischen "Tellerminen" tanzt, findet Mangold meisterlich.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.03.2022

Rezensent Niklas Bender macht sich Gedanken über die Wahrheit angesichts des neuen Buches von Emmanuel Carrere. Ist es ein Roman oder doch Autofiktion? Bender konzentriert sich auf die mit Kontrasten arbeitende Schreibkunst des Autors, der im Buch von seinen Yoga-Erfahrungen ebenso "elegant" untertreibend berichtet wie von seiner Depression oder seiner Arbeit mit Flüchtlingen in Griechenland. Hinter der harmlosen Schreibe des Autors vermutet Bender so allerhand, etwa einen ganz eigenen Wahrheitsbegriff und einen nostalgischen Blick zurück auf die eigene Existenz.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.03.2022

Rezensentin Christina Lutz bekommt mit dem neuen Buch von Emmanuel Carrere nicht die gewohnte Stringenz und Verve aus Carreres Romanen. Stattdessen liest sie eine "Sammlung von Bruchstücken", in denen der Autor von seinem Aufenthalt in einem Yoga-Retreat berichtet, vom Schock der Anschläge auf "Charlie Hebdo" und von der eigenen Depression. Mit abrupten Enden und Katastrophen und dem Blick in den Abgrund der Existenz muss sich der Leser hier abfinden, warnt Lutz. Der bekannte "autofiktionelle Habitus" prägt laut Lutz allerdings auch dieses Carrere-Buch.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.03.2022

Rezensent Hubert Winkels bemüht sich, den Blick weg von der Person Carrère und auf dessen literarisches Projekt zu lenken, und Carrère versucht in seinem Buch im Grunde dasselbe, wobei es kompliziert zugeht, wie Winkels vermittelt: So sei das ganze Buch im Grunde ein "Widerspruch in actu", weil der Pariser Intellektuelle dabei der Yoga-Praxis als Aufhebung allen Wollens auf den Grund gehe, dabei aber eben sehr viel will - vor allem will er unbedingt von etwas anderem als sich selbst erzählen, entkomme der permanenten Selbstreflexion dabei aber (natürlich) nicht, so Winkels. Außerdem wolle Carrère dem Kritiker nach aus der Meditation in die praktische Ethik zu gelangen und seinem selbstauferlegten Gesetz gerecht werden, dass in der Literatur nicht zu lügen sei. Das alles sei wenn nicht vergeblich so doch zumindest schwierig und auf jeden Fall auch typisch für den ruhelosen Schriftsteller, meint Winkels - für ihn entfaltet dieses Abstrampeln, die Suche nach der "Erlösung vom Ich-Zwang", dennoch einen großen Reiz.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 05.03.2022

Peter Praschl ist hin- und hergerissen von Emmanuel Carrères Selbstbespiegelung. Was der Autor so alles schultert im Leben (Terrortod eines Freundes, Scheidung, Depression, Yoga-Retreat), davor kann Praschl nur den Hut ziehen. Aber wie Carrère immer wieder auch das eitle Schriftstellerego raushängen lässt, dem es gelingt, noch die schlimmste Krise in schimmernde Literatur zu verwandeln, nervt den Rezensenten auch ganz schön. Am Ende kann Praschl ihm weder die eitle Selbstsorge noch das pfauartige literarische Spreizen richtig übelnehmen. Keiner schreibt so packende Autofiktion, meint er.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 04.03.2022

Rezensentin Sigrid Brinkmann folgt Emmanuel Carrere sehr gern von einem Yoga-Retreat in die rauhe Wirklichkeit der Anschläge auf die Redaktion von Charlie Hebdo und über die Diagnose einer bipolaren Störung bis auf eine griechische Insel, wohin sich der Autor begibt, um Geflüchtete zu unterrichten. Ausschlaggebend für den Gewinn des Lesers beim Lesen von Carreres sehr persönlichen Aufzeichnungen sind für Brinkmann der flüssige Stil, die radikale Offenheit des Autors und eine Transzendenz, die aus dem Text mehr macht als eine narzisstische Übung.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 04.03.2022

Rezensent Dirk Fuhrig liest Emmanuel Carreres Selbsterkundungen beim Yoga, beim Arzt und bei der Unterstützung von Flüchtlingen stets mit Gewinn. Über persönliche Krisen und Ängste berichtet der Autor ohne Wehleidigkeit, sachlich, aber mit Humor und Selbstironie, versichert Fuhrig. Die Beobachtungen des Autors unter Geflüchteten findet Fuhrig außerdem "extrem genau". Anmerkungen über Kunst und Literatur und allerhand Zitate von Schopenhauer bis Stephen Hawking bereichern den Text, meint er. Carrere ist wie Houellebecq, nur frischer und berührender, so Fuhrig.