Dzevad Karahasan

Tagebuch der Übersiedlung

Cover: Tagebuch der Übersiedlung
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021
ISBN 9783518429815
Gebunden, 223 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Bosnischen von Katharina Wolf-Grießhaber. Mit Abbildungen. In kurzen, unvergesslichen Szenen beschreibt Dževad Karahasan das Leben im belagerten Sarajevo. Einen Mann, der aus der Warteschlange tritt, sich auf ein Mäuerchen setzt und stirbt. Die Evakuierung der jüdischen Gemeinde. Das absurde Gespräch mit einem französischen Korrespondenten über Hunger und Kälte. Sarkasmus, Humor und Güte charakterisieren die Haltung, mit der Karahasan vom Alltag im Krieg und von der Übersiedlung einer kulturell und religiös polyphonen Stadt in die Sphäre des Idealen schreibt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.10.2021

Rezensent Hannes Hintermeier geht mit Dzevad Karahasan und seinen erweiterten, neu übersetzten Kriegsaufzeichnungen zurück ins eingekesselte Sarajevo und ahnt: Das Schlimmste hat der Autor für sich behalten. Schlimm genug sind die Eindrücke aus der belagerten Stadt, von Sterbenden und von der Zerstörung, findet Hintermeier allerdings. Formal ist der Text keine Kriegsreportage, sondern eine Sammlung von Szenen und Reflexionen, erklärt der Rezensent, die sich nicht zuletzt um die Ursachen des Krieges drehen, um Propaganda (aktuell!, findet Hintermeier) und den Erhalt des multiethnischen Erbes der Stadt.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 26.06.2021

Für den Rezensenten Marko Martin bleibt Dzevad Karahasans Essayband von 1993 aktuelle Lektüre. Die um einige spätere Texte ergänzte und von Katharina Wolf-Grieshaber neu übersetzte Ausgabe empfiehlt er angesichts "einzementierter Identitäten". Augen öffnend findet er Karahasans Beschreibungen des Alltags in Sarajevo, die ihm zeigen, welche Diversität und Inklusion möglich waren, aber auch verdeutlichen, warum die Stadt serbischen Nationalisten ein Dorn im Auge sein musste. Dass sich der Autor zur Zeit der Niederschrift in der belagerten Stadt befand, macht die Texte für Martin noch eindringlicher.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 26.06.2021

Rezensentin Ursula März hält den Essayband des bosnischen Schriftstellers Dzevad Karahasan für gut gealtert. Galt das Buch bei seinem ersten Erscheinen 1993, während der Belagerung von Sarajevo, als tagesaktuelle Chronik der Ereignisse aus ihrem Zentrum, so lässt es März mit seiner "gedanklichen Originalität" und seiner Mischung aus Reflexion und Alltagsbericht heute das Beispielhafte Sarajevos erkennen: als Metapher für die Fragilität ethnischer und kultureller Diversität.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.06.2021

Rezensent Tobias Lehmkuhl erachtet Dževad Karahasans Tagebuch, bereits 1993 erstmals auf Deutsch erschienen und nun um einige Essays ergänzt neu aufgelegt, für einen wichtigen Teil des Bildes, das sich das kulturelle Gedächtnis von der Belagerung Sarajevos gemacht hat. Im Jahre 1992, aus dem das Tagebuch berichtet, gab es fast keine Grundversorgung, dafür Frost, Granaten und Scharfschützen, erfährt der Kritiker, der es für bemerkenswert hält, dass Karahasan nicht vom eigenen Leid, sondern vom Leid anderer erzählt - beispielsweise davon, wie ein Mann um seinen natürlichen Tod in einem Bunker beneidet wird. Den "beiläufigen" Ton, in dem erzählt wird, hat Katharina Wolf-Grießhaber gelungen ins Deutsche übertragen, lobt Lehmkuhl. Aus einem dem Buch angehängten Interview mit Karahasan erfährt der Rezensent, dass der Autor vor allem den großen Verlust bedauert, den die Belagerung für das ausgesprochen vielfältige kulturelle Erbe der Stadt bedeutete. Das Sarajevo, um das Karahasan trauert, sei nur noch in der "idealen Sphäre" der Literatur erreichbar, schließt Lehmkuhl.
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