David I. Kertzer

Der erste Stellvertreter

Papst Pius XI. und der geheime Pakt mit dem Faschismus
Cover: Der erste Stellvertreter
Theiss Verlag, Darmstadt 2016
ISBN 9783806233827
Gebunden, 608 Seiten, 38,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Martin Richter. Zwei Stellvertreter Gottes standen dem Faschismus gegenüber: Der eine Papst, Pius XII., schwieg öffentlich zum Holocaust. Sein Vorgänger, Pius XI. (1922-1939), galt als wahrer Stellvertreter Christi, der auf der Seite der verfolgten Juden stand und Hitler durch die Enzyklika "Mit brennender Sorge" in seine Schranken verwies. In der packenden Geschichte über die Geheimbeziehungen des Vatikan zur faschistischen Führung wird deutlich, dass sich Mussolini und Pius XI. zwar hassten, sich aus Gründen des Machterhalts aber dennoch stützten. Der ungebildete, ungläubige Duce und der gottesfürchtige Kleriker schlossen einen verhängnisvollen Pakt. Erst mit Einführung der Rassengesetze 1938 und der immer größer werdenden Nähe zu Nazi-Deutschland dämmerte es Pius XI., mit wem er da paktiert hatte. Als er starb, konnte sein Nachfolger Eugenio Pacelli diesen Pakt fortsetzen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.12.2016

David I. Kertzer macht es sich zu einfach, findet Rezensent Hans Woller vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin. Dass die Literatur zum Verhältnis zwischen Achille Ratti und dem "Duce" bisher zu keinem Konsens gefunden hat, scheint ihm nur folgerichtig. Wenn der Autor nun mit großer Geste Dokumente auftischt, die den Pakt zwischen Mussolini und dem Papst belegen sollten, bleibt Woller skeptisch. Allzu dünn scheinen ihm die Belege, geeignet allenfalls zur Ergänzung einer alten Debatte. Daran, dass viele Geschäfte zwischen Staat und Vatikan faul waren, muss Woller dabei gar nicht zweifeln. Nur bleiben die ebenfalls bestehenden Konflikte in dieser Sicht analytisch unterbelichtet, findet der Rezensent. Nein, eine Sensation ist der Band für Woller nicht und auch kein Muster angelsächsischer Geschichtsschreibung. Zu viel Detailmalerei, zu wenig differenzierte Analyse und ausgewogene Deutung, meint er.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.12.2016

Rezensent Ignaz Müller scheint kein großer Liebhaber saftiger Details zu sein. Über die erotischen Erinnerungen der Liebhaberinnen Mussolinis etwa, die David I. Kertzer in sein Buch aufnimmt, spricht er eher despektierlich. Was der Autor sonst so aus den umfangreichen Akten der faschistischen Spitzeldienste herausfiltert und aufschreibt, überzeugt Müller weniger durch literarische Finesse als durch Detailfreude. Wie Pius XI. sich mit Mussolini arrangierte, als der Duce die Rassengesetze einführte, erfährt Müller im gelungensten Kapitel des Buches. Dankbar ist er dem Verlag für die Auswahl der Illustrationen und eine insgesamt "anständige" Ausstattung.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.11.2016

Clemens Klünemann lernt in David Kertzers Buch die fließenden Übergänge zwischen kirchlichem Antijudaismus und Mussolinis Rassenideologie kennen. Wenn der Autor die Lebenswege des "Duce" und von Pius XI. parallel nachzeichnet, ahnt Klünemann, dass die beiden Linien sich irgendwo kreuzen müssen. Auch wenn der Autor laut Klünemann keine Doppelbiografie vorlegt, sondern vieles über Mussolini ausspart, namentlich dessen ureigenen Antisemitismus, wie der Rezensent überrascht feststellt, kann er Klünemann überzeugen, sobald er Pius XI. und die katholische Kirche bei ihrem "Werben" für den Antisemitismus zeigt. Dass der Autor dabei die Legende zerstört, wonach Pius bloß aus Angst vor dem Kommunismus mit dem Faschismus paktierte, nimmt Klünemann mit Genugtuung zur Kenntnis.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.09.2016

Jörg Ernesti liest David I. Kertzers Studie zu Papst Pius XI. Mit Spannung. Das liegt an der "brillanten" Erzählweise des Autors und seinen anschaulichen Charakterisierungen der Protagonisten. Ein Drama sondergleichen, meint Ernesti. Doch dann stellt er fest, dass Kertzer häufig allzu maliziöse Urteile fällt und der bestehenden Forschung außer einer zugespitzten These eigentlich nichts Neues hinzufügt. Vor allem stören den Rezensenten beim Lesen zunehmend die undifferenzierten Überzeichnungen und suggestiven Behauptungen, die ihm bisweilen sogar die Grenzen zur Unseriosität zu überschreiten scheinen. Den Pakt mit dem Teufel Mussolini kann Ernesti jedenfalls nicht erkennen, darüber, meint er, muss weiter gestritten werden, am besten etwas seriöser.
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