Dasa Drndic

Sonnenschein

Roman
Cover: Sonnenschein
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2015
ISBN 9783455405163
Gebunden, 400 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Kroatischen von Brigitte Döbert und Blanka Stipetic. Eine Mutter wartet auf ihren Sohn. 62 Jahre zuvor ist er von den Nazis aus Gorizia in der Nähe von Triest entführt worden. Hier hatte sie als junges Mädchen eine Affäre mit einem SS-Offizier. Anders als der Rest ihrer jüdischen Familie hat sie überlebt - und jahrzehntelang nach ihrem Sohn gesucht. Bei ihrer Suche stößt sie auf andere Schicksale, liest Zeugenaussagen, betrachtet Fotos und Erinnerungsstücke. Daša Drndic zeigt die Mechanismen des Bösen auf, führt vor, wie aus gewöhnlichen Menschen Verbrecher wurden und schreibt gegen das Vergessen und die Vertuschung an. Sie beschwört die Vergangenheit herauf und verflucht in Sebaldscher Manier Fakt und Fiktion, um sich dem zu nähern, was die Wahrheit sein könnte.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.11.2015

Rezensentin Anna-Lena Scholz schaut mit Respekt auf die Art von Geschichtsschreibung, wie sie die Kroatin  Dasa Drndic betreibt. Drndics dokumentarischer Holocaust-Roman, der mit Fakten und Fotos zu Konzentrationslagern, Deportationen, Heimen und Gaskammern für die Rezensentin in erster Linie ein erschütterndes lexikalisches Panoptikum darstellt, entwickelt zudem eine Poetik der Dokumentation, wie Scholz schreibt. Indem Drndic ihre Daten entlang der Lebensgeschichte eines Lebensborn-Kindes aufreiht, entsteht für Scholz ein sehr kraftvolles Stück Prosa, das seine Doppelidentität immer mit reflektiert.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.09.2015

Ilma Rakusa warnt die potenzielle Leserin von Dasa Drndics Roman: Fakten und Fiktion sind in diesem Buch nicht leicht zu trennen, zumal die Autorin ihre Montagetechnik offenbar bewusst verschleiert, wie Rakusa annimmt. Besonders verstörend wirken laut Rezensentin die in die Geschichte einer Jüdin eingebundenen historischen Daten, Listen ermordeter Juden und Partisanen, Fotos oder detaillierte biografische Informationen über die politischen und administrativen Verantwortlichen in der Operationszone, SS-Sturmbannführer Christian Wirth etwa. Dass die Autorin so absichtlich Distanz zu ihrer Figur schafft, die ihrerseits Nachforschungen anstellt auf der Suche nach ihrem verschleppten Kind, kann Rakusa nur vermuten. Plastisch werden das Leiden der Opfer und die Greueltaten der Nazis für sie im Text allemal, auch wenn die dokumentarischen Elemente im Buch sie irritieren.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.06.2015

Sonja Vogel ist sehr beeindruckt von diesem Roman der kroatischen Autorin Dasa Drndic, die in einer "Mischung aus Drastik und Poesie" von den Geschicken einer Familie aus der Region Triest erzähle. Es geht um die jüdische Familie Tedeschi, die, um der Verfolgung zu entgehen, zum Katholizismus konvertiert und bei Mussolinis Faschisten mitmacht. Einer Frau dichtet sie auch eine Affäre mit einem SS-Mann an, der ihr später das gemeinsame Kind rauben wird. Doch das Buch belässt es nicht bei der Fiktion, in einem Kapitel listet es die Namen der 9.000 deportierten Jüdinnen und Juden auf. Vogel liest das als wütende Abrechnung mit dem kroatischen Faschismus und als Kritik am postjugoslawischen Nationalismus.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 18.04.2015

Die zwei Jahre Recherche merkt Rezensentin Carmen Eller dem Roman an. Dass Dasa Drndic die fiktive Geschichte der 1923 an der italienisch-slowenischen Grenze Jüdin Haya Tedeschi mit der realen Figur des SS-Mannes Kurt Franz verbindet, scheint ihr allerdings eher als Schwachpunkt des Romans, als wenig glaubhafte Klammer zwischen Täter- und Opfergeschichte. Dabei hätte Eller das Buch als Dokumentarroman über das Grauen des 20. Jahrhunderts, das die Autorin aus Protokollen, Verhören und Fotos rekonstruiert, als Erzählung von Krieg, Gewalt und Verfolgung in Europa, durchaus überzeugt. Zumal Drndic für Eller zu einer bestechenden Sprache findet - vielgestaltig, poetisch und genau.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.02.2015

Tomasz Kurianowicz kann nicht genug beteuern, wie erzählenswert die Opfergeschichten aus den KZs sind, die auch die kroatische Autorin Daša Drndić in Form von kursiv gesetzten Erlebnisberichten in ihren Roman einflicht. Für den Rezensenten sind sie der Kern des Buches, gemahnen an die Schuld der Täter wie an das Leid der Opfer gleichermaßen. Die von Drndić erzählte fiktive Geschichte der Affäre zwischen einem SS-Offizier und einer Jüdin erhält so laut Rezensent ein wahres Zentrum und ermöglicht die Vermittlung des Unerklärlichen.
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