Colm Toibin

Marias Testament

Roman
Cover: Marias Testament
Carl Hanser Verlag, München 2014
ISBN 9783446244849
Gebunden, 128 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Ditte Bandini und Giovanni Bandini. Die Geschichte Marias, wie sie die Bibel nicht erzählt: Lange Jahre, nachdem Christus am Kreuz gestorben ist, will die Mutter Jesu von der Heiligkeit ihres Sohnes noch immer nichts wissen. Seinen Wundern gegenüber ist sie skeptisch und den Schmerz über seinen Verlust hat sie nie überwunden. Dann erzählt sie ihre eigene Version von der Passion Christi - von ihrer ganz persönlichen Trauer, ihrer fehlenden Frömmigkeit und ihrem Eigensinn. Es ist die Geschichte einer Frau, die nicht verstehen will, weshalb ihr Sohn sich von ihr abwandte, und die auch nicht an den christlichen Gott glaubt. Durch ihre Augen eröffnet Colm Tóibín einen völlig neuen Blick auf das Christentum und erschafft ein ungeahnt menschliches Porträt der Ikone Maria.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.03.2014

So etwas hat Rezensentin Verena Lueken noch nicht gelesen. Marias Geschichte kennt sie ja, aber hier ist sie live dabei, vernimmt das Gekeuche der Menge, die Blutrünstigkeit des Kreuzigungszugs, als Marias Sohn stirbt, als hätte der Autor ein Gemälde von Cranach vertextet, meint sie ganz aufgeregt. Kurz ist dieser Text von Colm Toibin, aber laut Lueken so dicht und und dabei einfach, dass ihr der Begriff "biblisch" in den Sinn kommt. Und auch in Bezug auf die Bildlichkeit passt dieses Wort für Lueken - längst vergangen, denkt sie, und doch, so luzide und genau, als wäre man dabei.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.03.2014

Rezensent Christopher Schmidt schätzt Colm Toibins analytische Erzählungen über das Verhältnis von Müttern und Söhnen - umso erwartungsvoller hat er den neuen Roman "Marias Testament", der die Beziehung zwischen Jesus und seiner Mutter beleuchtet, gelesen. Der irische Autor erzählt hier die Geschichte aus der Perspektive einer Mutter, die sich selbstzweifelnd fragt, ob und wie sie ihrem Kind, das sich als Gottes Sohn bezeichnet, hätte beistehen können und ob der Tod ihres Sohnes wirklich notwendig war. Der Kritiker liest keinen blasphemischen Roman, sondern einen Text, der einen neuen hintergründigen Blick auf die vertraute Überlieferung wirft, der aufschlussreiche Fragen stellt. Auch wenn Schmidt inhaltlich nichts gegen den Roman einzuwenden hat, muss er gestehen, dass ihn der Roman formal noch allzu sehr an die Vorlage des Theaterstücks erinnert, so dass ihm einige Passagen nicht nur allzu parabelhaft, sondern auch zu sehr in "dekorative Redundanz" gekleidet erscheinen. Nichtsdestotrotz kann er diesen Roman unbedingt empfehlen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.02.2014

In seinem Roman "Marias Testament" stößt der irische Schriftsteller Colm Tóibín das Holzfigürchen der Mutter Gottes vom überhöhten Altar und ersetzt es durch eine Maria aus Fleisch und Blut, die mit Sorge und Zorn auf das Gerede der Männer reagiert, die Jesus zum Sohn Gottes erklären wollen und ihr selbst deshalb ausführlich den Vorgang der Empfängnis beschreiben, berichtet Sylvia Staude. Als alte Frau erinnert sich Maria an diese Ereignisse, und trotz der sicherlich ausführlich recherchierten Details des damaligen Lebens kommt Staude diese Frau alles andere als historisch entrückt vor. So oder ähnlich könnten viele Mütter noch heute denken und fühlen, meint die Rezensentin. Ob Marias Perspektive auf den Kult um ihren Sohn wahr ist oder nicht, das lässt Tóibín klug im Dunkeln ihrer Subjektivität verschwinden, verrät Staude, hier spielt ohnehin sie selbst die Hauptrolle.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.02.2014

Der irische Schriftsteller Colm Tóibín hat ein Talent dafür, sich in historische Stoffe hineinzuschreiben und hinter seinen Ich-Erzählern ganz zu verschwinden, berichtet Ulrich Greiner. In seinem neuen Roman "Marias Testament" erzählt er die Geschichte der Mutter Jesu aus ihrer eigenen Perspektive, einer klaren, kritischen Perspektive, aus der das Bohei um ihren Sohn merkwürdig und besorgniserregend wirkt, erklärt der Rezensent. Größtenteils vermeidet Tóibín häretische Töne, im vergangenen Jahrhundert wäre das Buch wahrscheinlich trotzdem auf dem Index gelandet, vermutet Greiner.