Chico Buarque

Mein deutscher Bruder

Roman
Cover: Mein deutscher Bruder
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016
ISBN 9783100024602
Gebunden, 256 Seiten, 19,99 EUR

Klappentext

Aus dem Portugiesischen von Karin von Schweder-Schreiner. Rio de Janeiro - Berlin. Der Brasilianer Chico Buarque, heute weltberühmter Samba-Sänger, steht am Anfang seiner Musikerkarriere, als er von seinem Halbbruder in Berlin erfährt. Dort lebte der Vater in den späten Zwanzigern und verschwieg, dass er fern von Rio einen Sohn hat. Also macht sich Chico selbst auf die Suche und findet die bezaubernd, verrückte Geschichte von Sergio Günther. Auch Sergio war Sänger, und zwar einer der bekanntesten der DDR. Mit brasilianischem Blick zeichnet Chico Buarque ein überraschendes und sehr persönliches Bild des ehemals geteilten Deutschlands.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.08.2016

Wie der brasilianische Musiker und Autor Chico Buarque in einer Mischung aus Fakten und Fiktion von seiner berühmten Familie erzählt und dabei mit einer Chronik der 1964 in Brasilien errichteten Militärdiktatur verknüpft, hat Michaela Metz gut gefallen: Sie folgt Buarques Alter Ego auf der Suche nach seinem Bruder Sergio, den der gemeinsame Vater, der Journalist und Historiker Sergio Buarque de Hollanda, während seines Aufenthaltes als Zeitungskorrespondent in Deutschland 1929/1930 zurückließ. Die Rezensentin bewundert auch Buarques Vermögen, seinen zunächst humorvollen Coming-of-Age-Roman zu einer drastischen und finsteren Geschichte über das totalitäre Regime Brasiliens werden zu lassen. Dass Karin von Schweder-Schreiners Übersetzung gelegentlich ein wenig "manieriert" wirkt, kann Metz verzeihen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.07.2016

Es ist ein schwindelerregender Reigen aus Fakt und Fiktion, was der Brasilianer Chico Buarque in seinem Roman "Mein deutscher Bruder" da treibt, verrät Martina Läubli. Wie der Autor Chico Buarque ist sein Erzähler Ciccio Sänger und Schriftsteller, und wie sein Erzähler ist Buarque in der Bibliothek seines Vaters auf einen Brief gestoßen, der ihm die Existenz eines Halbbruders in Deutschland enthüllte, erklärt die Rezensentin. Während Ciccio sich in Brasilien mit der Militärdiktatur herumschlagen muss - sein brasilianischer Bruder wird von der Polizei gesucht -, versucht er herauszufinden, was es mit dem verschollenen Halbbruder auf sich hat und malt sich die unterschiedlichsten Szenarien aus, fasst Läubli beeindruckt zusammen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.06.2016

Rezensentin Katharina Teutsch bewundert Chico Buarque für seine Leichtigkeit im Umgang mit Geschichte und seine Fähigkeit, zwischen Dichtung und Dokumentation zu erzählen. Im neuen Roman macht sich der Autor bzw. sein Erzähler auf die Suche nach einem im nationalsozialistischen Deutschland verschollenen Halbbruder, der als Adoptivkind in der DDR aufwuchs. Den Verzicht auf Kitsch und allzu Rührendes rechnet Teutsch dem Autor hoch an. Die im Buch ausgebreiteten Lesefrüchte des brasilianischen Bruders gehen ihr nicht auf die Nerven. Im Gegenteil Buarques Leichtfüßigkeit macht die Familiengeschichte für sie zum Genuss.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 21.05.2016

Der neue Roman von Chico Buarque hat einen konkreten autobiografischen Hintergrund, weiß Detlef Diederichsen: Mit 22 erfuhr der brasilianische Schriftsteller und Sänger, dass er einen aus einer Affäre seines Vaters stammenden Halbbruder in der DDR hat, der sich dort als Radiosprecher und Gelegenheits-Sänger einer bescheidenen Berühmtheit erfreute. Seine weitgehend ergebnislos gebliebenen Recherchen verdichtet Buarque allerdings zu keinem Tatsachenbericht, so der Kritiker weiter, sondern zu einem fiktionalen Werk, das nur lose mit der Wirklichkeit korrespondiere. Eher gehe es dem Autor um die Erinnerung an die Zeit unter der brasilianischen Militärdiktatur, als Leute oft unerklärlich verschwanden - und so auch in der Familie, um die sich diese Geschichte dreht. Dies münde in eine "surreale Suche" und einen "hypnotisierend-anziehenden Irrgarten der Interpretation", in dem sich Vorstellungswelt und sonderbare DDR-Realität nach Ansicht des Rezensenten erzähltheoretisch potenzieren - allerdings zu dem Preis, dass brasilianische Leser wenig Neues aus dem Buarque-Clan erfahren und die deutschen Leser wenig über Sergio Günther.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.05.2016

Angesichts solcher Literatur bleibt einem nicht viel anderes übrig als die wonnige "Kapitulation vor einem überlegenen Verstand", gesteht Rezensent Jens Jessen. Der brasilianische Autor Chico Buarque erzählt in seinem Roman "Mein deutscher Bruder" eine autobiografisch motivierte Geschichte, die er mit allen Mitteln der Kunst zu fiktionalisieren weiß, sodass noch das kleinste Detail seinen bewussten Platz im großen Ganzen erhält, erklärt der Rezensent. Es ist die Geschichte eines jungen, erfolglosen Autors, der durch einen verräterischen Brief auf einen deutschen Halbbruder aufmerksam wird, den er fortan besessen sucht, weil er den einzigen Bruder, den er bisher kannte, nicht ausstehen kann. Weltliteratur, Klassiker - für Buarques Buch dürfen die großen Etiketten der Literatur gefahrlos bemüht werden, staunt Jessen.
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