Carolin Wiedemann

Zart und frei

Vom Sturz des Patriarchats
Cover: Zart und frei
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2021
ISBN 9783957579492
Gebunden, 218 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Es gibt derzeit kaum ein Thema, mit dem sich so viel Hass mobilisieren lässt wie mit Genderpolitik. Das Ressentiment reicht vom Spott über das Gendersternchen bis zu den Manifesten rechtsradikaler Terroristen. Carolin Wiedemann zeigt auf, dass der antifeministische Diskurs ein zentrales Element des politischen Rechtsrucks ist - und bis in die politische Linke Sympathisanten hat. Dagegen hilft keine individualisierte Verweigerung und auch kein neoliberales Durchschlagen, sondern nur kollektive queerfeministische Praxis. Die Autorin stellt neue (antipatriarchale) Beziehungs- und Verhaltensweisen wie Co-Parenting und Post-Romantik vor, mit denen schon vielerorts ein zarter Umgang miteinander erprobt wird, der auch jene befreien wird, die noch immer unter Druck stehen, ihre Männlichkeit zu beweisen. Eine Analyse der Gewalt heutiger patriarchaler Herrschaft, eine Anstiftung zum rebellischen und zärtlichen Miteinander und ein Mutmacher für all jene, die sich seit Langem mit sexistischen Geschlechterverhältnissen auseinandersetzen, sie bekämpfen und ihnen im Alltag doch so oft nicht entkommen.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 30.04.2021

Rezensentin Anne Waak liest drei feministische Neuerscheinungen der Journalistin Rebekka Endler, der Soziologin Caroline Wiedemann und der indisch-britischen Schriftstellerin Priya Baseil im Vergleich. Alle drei Bücher beschäftigen sich mit Gleichberechtigung, fährt die Kritikerin fort, die alle drei Bücher guten Gewissens empfehlen kann. Endler lege anhand von Produktwelt und Medizin dar, dass der Mann als "Maß aller Dinge" und die Frau in der Regel als "Abweichung" gelte, erklärt Waak, die hier nicht nur interessante und erkenntnisreiche Einblicke erhält, sondern auch den zum "Lachen und Weinen" anregenden Biss der Autorin hervorhebt. Das Buch "Zart und frei", indem die Soziologin Wiedemann die Verbindungen von Kapitalismus und Patriarchat in Beziehungen, Liebe und Kleinfamilien analysiert überzeugt die Rezensentin trotz des mitunter aktivistischen Tons indes durch präzise Analyse. Sie erfährt anhand von Beispielen, wie Menschen versuchen, sich innerhalb ihrer Beziehungen vom Patriarchat zu lösen. "Im Wir und Jetzt" besticht laut Waak hingegen durch die Intimität, mit der Priya Basil von ihrer Mutter, die vom Vater vergewaltigt wurde, von ihrer Großmutter und von ihren Erfahrungen bei einem Vogue-Modeshooting erzählt. Überzeugende Schilderungen und Bilder der immer wieder durchlebten "Dilemmata" lassen die Kritikerin eine klare Leseempfehlung aussprechen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.03.2021

Der hier rezensierende Verfassungsrechtler Christoph Möllers begrüßt grundsätzlich das Buch von Carolin Wiedemann als Überblick über den Stand des Feminismus und die Geschichte des Patriarchats. Dass Wiedemann soziale und ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse und den Kampf dagegen zusammendenkt, findet Möllers zunächst in Ordnung. Im Fortgang der Studie wird Wiedemann laut Möllers allerdings etwas sprunghaft, sodass der Leser bei all der Materialfülle Schwierigkeiten hat zu folgen. Außerdem vermisst Möllers zunehmend eine differenziertere Darstellung der Ambivalenzen zwischen Privatheit, Wirtschaft und Politik. Wenn Wiedemann nach Lösungen gegen das Patriarchat sucht, verbleibt sie zu sehr im Privaten, meint er, schaut auf Beziehungsformen und soziale Praxis, anstatt in die Vorstandsetagen und auf politische Fragen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 06.02.2021

Rezensentin Marlen Hobrack hat ein Problem mit Carolin Wiedemanns Darstellung der Verknüpfung von Patriarchat und Kapitalismus und ihrer Idee von der Umsetzung alternativer Beziehungskonzepte. Erstens findet Hobrack Wiedemanns Analysen zu oberflächlich und undifferenziert, etwa, wenn die Autorin die Rolle von Arbeiterinnen in der Arbeiterbewegung übersieht, wie Hobrack meint. Zweitens scheint ihr Wiedemanns Vorstellung von Reformen durch "individuelle Beziehungsentscheidungen" und Identitätspolitik statt durch politische Veränderung ein feministischer Ansatz neoliberaler Prägung zu sein. Am besten gefällt ihr das Buch noch, wenn die Autorin neuen, freien Beziehungsformen in ihrer unmittelbaren Umwelt nachspürt und etwa von Frauenfamilien berichtet.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 01.02.2021

Rezensentin Barbara Eisenmann empfiehlt dieses Buch der Soziologin und Journalistin Carolin Wiedemann als Überblickswerk zum gegenwärtigen Stand der Genderdebatte. Dass der Begriff des "Patriarchats" keineswegs überholt sei, kann ihr die Autorin in ihrem zwischen Erfahrung, Recherche und Theorie mäandernden Text mit Blick auf den Anstieg transfeindlicher Gewalttaten oder angesichts der hitzig geführten Diskussionen um Gendersternchen klarmachen. Zugleich erfährt die Kritikerin in dem "klugen" Buch nicht nur wie sich der Patriarchats-Begriff im Zuge der queerfeministischen Bewegung auch für Klassismus, Kapitalismus und "rassistische Ausbeutungsverhältnisse" öffnete, sondern auch, wie weit der Antifeminismus wieder auf dem Vormarsch ist. Zahlreiche Beispiele machen das Buch für Eisenmann zudem gut lesbar.