Bernhard H. Bayerlein, Hermann Weber

Der Thälmann-Skandal

Geheime Korrespondenzen mit Stalin
Cover: Der Thälmann-Skandal
Aufbau Verlag, Berlin 2003
ISBN 9783351025496
Gebunden, 368 Seiten, 22,50 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Helmut Ettinger, aus dem Französischen von Bernhard H. Bayerlein. Der "Wittorf-Skandal" 1928: Der Hamburger Parteisekretär Wittorf hatte Parteigelder unterschlagen und Thälmann versucht, dies zu vertuschen. Dies führte zur einstweiligen Absetzung Ernst Thälmanns als Vorsitzenden des ZK der KPD. Nach zwei Wochen war er jedoch wieder im Amt. Zweieinhalb Monate später war Ernst Thälmann politisch voll rehabilitiert und die KPD absolut auf ihn und Stalin orientiert. Das vorliegende Buch dokumentiert den Stalinisierungsprozess der KPD von der Spitze aus. Der Korruptionsskandal war nicht nur einer um Thälmann, sondern auch einer um Stalin. Mit seinen Helfern, "Emissären" und "Instruktoren" instrumentalisierte er den internationalen Kommunismus. Stalins Strategie, alle selbständig denkenden "Abweichler" auszuschließen, hat nicht nur die KPD gegenüber dem auflebenden Nationalsozialismus geschwächt, sondern den internationalen Kommunismus zersetzt. Die "Wittorf-Affäre" war für die KPD in Deutschland der Abschluss der Stalinisierung und die Vorstufe ihres Unterganges 1933.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.11.2003

Recht aufschlussreich findet Rezensent Alfred Cattani diesen von Hermann Weber und Bernhard H. Bayerlein herausgegebenen Band. Den Titel "Der Thälmann-Skandal" hält er allerdings ein wenig für irreführend: nicht Thälmann, sondern Stalin und die Umformung der KPD nach seinem Willen stehe im Mittelpunkt des Bandes. Die zahlreich abgedruckten Dokumente zeigen nach Ansicht Cattanis ein "gespenstisches Bild" des Kommunismus in der Zeit der Weimarer Republik und von Stalins Hatz auf "Abweichler", "Versöhnler" und "Ultralinke". Bei den abgedruckten Dokumenten handelt es sich zumeist um Aktenbestände aus dem ehemaligen Archiv des Zentralkomitees der KPdSU und dem Komintern-Archiv in Moskau, von denen viele zum ersten Mal veröffentlicht wurden, hält Cattani fest. Der Band führt seines Erachtens "eindrücklich" vor Augen, "wie Stalin sein Herrschaftssystem über ein verwickeltes Geflecht persönlicher Beziehungen zu seinen Untergebenen und Informanten aufbauen und sichern konnte".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.06.2003

Hermann Webers und Bernhard H. Bayerleins Buch über den "Thälmann-Skandal", das Aufstieg, Fall und die bald einsetzende Mythifizierung des KPD-Vorsitzenden beleuchtet, hat Rezensent Markus Mohr im großen und ganzen überzeugt. Im Herbst 1928 wegen der Wittdorf-Affäre von allen Aufgaben entbunden, wurde Thälmann durch eine Intervention Walter Ulbrichts bei Stalin kurz darauf rehabilitiert. Nachdem Weber die wesentlichen Aspekte der Wittdorf-Affäre schon vor längerer Zeit beschrieben hat, berichtet Mohr, dokumentiert sein nun gemeinsam mit Bayerlein herausgegebener Band 86 ausgewählte, weitgehend chronologisch präsentierte Textdokumente aus der Zeit von Mitte 1927 bis März 1929, darunter eine Reihe bisher nicht edierter Quellen aus den Archiven der Komintern und des ZK der KPdSU. Mohr findet das präsentierte Material aufschlussreich, belegt es doch, wie die für Thälmanns Parteikarriere so bedeutsame "Wittdorf-Affäre" innerhalb der KPD in kurzer Zeit sorgfältig verdrängt und der Mythos des Arbeiterführers Thälmann kreiert wurde. Für "irreführend" hält es Mohr allerdings, dass die Herausgeber von der "Wittorf-Affäre" als einem "Ursprungsskandal" sprechen. Seines Erachtens ist der Skandal und seine Folgenlosigkeit für Thälmann nicht der Ursprung, "sondern höchstens Symptom für die Stalinisierung der deutschen KP Ende der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.05.2003

Als "Schlüsselepisode in der Geschichte des Kommunismus" bezeichnet Rezensent Volker Ullrich die Umstände der Thälmann-Affäre von 1928, welche kurzzeitig zu einem Sturz Thälmanns geführt hatte. Anschließend ist Thälmann jedoch auf Geheiß Stalins rehabilitiert worden, wobei auch gleich eine parteiinterne Säuberung erfolgte. Als gut recherchiert sieht Ullrich die Umstände dieser Rehabilitation in dem vorliegenden Buch. Erstmals seien nun Dokumente aus dem Komintern-Archiv und dem des ZK der KPDSU ausgewertet worden, welche ein geheimes personelles Netzwerk enthüllen, mittels dessen Stalin sich sowohl die Komintern als auch die KPD zu willen machte, so der Rezensent. Thälmann war nun völlig von Stalin abhängig und folgte der Direktive, in den Sozialdemokraten und nicht in den Nationalsozialisten den Hauptfeind zu sehen, was nicht unwesentlich zum Untergang der Weimarer Republik beigetragen hat, so Ullrich. Abschließend gibt er zu bedenken, dass der Protegé Stalin seinen Parteifreund Thälmann später fallen gelassen hat und wenig Interesse am Schicksal Thälmanns gezeigt hat. Thälmann war nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 verhaftet und 1944 in Buchenwald ermordet worden.