Antonio Moresco

Aufbrüche

Roman
Cover: Aufbrüche
Ammann Verlag, Zürich 2005
ISBN 9783250600718
Gebunden, 833 Seiten, 28,90 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Ragni Maria Gschwend. In einem Kloster irgendwo in Italien beobachtet ein namenloser Seminarist die unterschwelligen Konflikte zwischen Mönchen und Priestern, läuft Rollschuh in einem leeren Schwimmbecken und erfindet dabei verträumte Liturgien. Aber bald verzweifelt er am Widerspruch zwischen der sich ihm offenbarenden malerischen Schönheit der ländlichen Kulisse und der zerstörerischen Kraft der Welt. Er wird Mitglied einer revolutionären Bewegung, organisiert politische Kundgebungen mit einer Gruppe klappriger Genossen, vernimmt die unglaubliche Geschichte der Einbalsamierung von Lenin und beschließt die Reise mit einer persönlichen und epochalen Katastrophe.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.02.2006

Mit der Geschichte dieses Romans will Joachim Sartorius sich nicht lange aufhalten. Der eigentliche Held des Buches nämlich sei die Beschreibungskunst des Autors, "ein Crescendo hin zu einer halluzinatorischen Wahrnehmung", das, so Sartorius, vor allem im Mittelteil des 650 Seiten-Schinkens für die "stärksten Passagen" sorge. Bis er zu diesen "skurrilen Einzelszenen" gelangt, "traurigkomische, verrückte, somnambule Ereignisse", die ihn an Fellini erinnern, hat sich der Rezensent allerdings durch einen "immer surrealer, aber auch immer ausgeleierter" erscheinenden Mix aus Entwicklungs-, Künstler-, und Zeitgeschichtsroman gekämpft, der ihn fragen lässt, ob das Verhältnis von Stoff und Genre stimmig ist und bei einem Entwicklungsroman wirklich auf alle Psychologie verzichtet werden kann. Mag der Autor auch die hochtrabenden Ankündigungen seines Verlages von einem "großen Roman" auch nicht ganz erfüllen, irgendwas findet Sartorius an diesem Moresco. Und sei es bloß ein "gefriergetrockneter Bunuel", ein "spröder Phantast" und "phantasievoller Langstreckenläufer".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.08.2005

Um ein Haar, weiß Rezensentin Maike Albath zu erzählen, wäre Antonio Morescos "Hauptwerk" gar nicht veröffentlicht worden. Der Autor habe nämlich den Fehler begangen, in einem Arbeitsjournal nicht nur von der Entstehungsgeschichte des Buches zu plaudern, sondern auch, warum es geschlagene 10 Jahre gedauert habe, bis der Roman im menschlich und literarisch mediokren italienischen Literaturbetrieb einen Verleger fand. Morescos "Aufbrüche", so die Rezensentin, haben aber nicht allein wegen dieser Beschimpfungen zu einer "Spaltung" der literarischen Öffentlichkeit geführt. Vielmehr habe Morescos bilderreicher und oft ins "Groteske" schlagender Erzählstil für Begeisterung bei einem jüngeren Publikum gesorgt, das keine Lust mehr hatte auf den realistisch-ironischen Mainstream der italienischen Gegenwartsliteratur. Bei Moresco hingegen gerieten die "Raum-Zeit-Strukturen ins Schlingern", begeistert sich die Rezensentin, und berichtet von einem "grandiosen Bilderbogen".Wie durch eine verzerrende "Vergrößerungslinse" blicke der Roman auf die prägenden Eindrücke seines notorisch passiven Helden. Ein Priesterseminar, ein Müllberg, das Bett der schielenden Pesca, eine revolutionäre Zelle, und schließlich "zwielichtige Verleger". Für Rezensentin Albath besteht kein Zweifel, Moresco reize das "Erkenntnispotenzial der Unschärfe" vollkommen aus. Die "politisierten siebziger Jahre" seien kaum je so eindrucksvoll beschrieben worden.

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