Antanas Skema

Das weiße Leintuch

Roman
Cover: Das weiße Leintuch
Guggolz Verlag, Berlin 2017
ISBN 9783945370100
Gebunden, 255 Seiten, 21,00 EUR

Klappentext

Aus dem Litauischen von Claudia Sinnig. Antanas Škėma (1910-1961) hinterließ einen Roman, der bis heute bedeutenden Einfluss auf die litauische Literatur ausübt: "Das weiße Leintuch". Geschrieben zwischen 1952 und 1954, wurde er noch nie zuvor ins Deutsche übersetzt. Der Protagonist Antanas Garšva, ein litauischer Exilschriftsteller, arbeitet als Liftboy in einem vielstöckigen New Yorker Hotel. Antanas Garšva, Alter Ego von Antanas Škėma, ist vor den Sowjets aus Litauen geflohen, hadert aber mit der bigotten litauischen Leitkultur und der Trivialität der amerikanischen Konsumgesellschaft. In Rückblenden und Reflexionen versucht er seinen dramatischen Lebensweg zu verarbeiten und ihm einen Sinn zu geben, in der New Yorker Gegenwart findet er sich verstrickt in ein Dreiecksverhältnis mit seiner Geliebten Elena und ihrem Ehemann.
Aus den aufwühlenden Episoden ergibt sich ein Puzzle des 20. Jahrhunderts, das Škėma mit kraftvollem sprachlichem Reichtum schildert - ein Wirbel an Wahrnehmungen und Erinnerungen, die über Garšva hereinbrechen, um deren Bewältigung er mit immer neuen literarischen Anläufen ringt. Eindrücke von den Straßen New Yorks, Liedverse und Reminiszenzen an Litauen drängen assoziativ in den Text hinein, treiben den Protagonisten voran, bedrängen ihn. "Das weiße Leintuch" erzählt aber auch von der Verantwortung des Schriftstellers in einer unsicheren Welt, von Formen der Anpassung und Möglichkeiten des Widerstands.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 01.12.2017

Rezensent Jörg Plath kann trennen zwischen der offensichtlichen "ästhetischen Qualität" dieses einflussreichen, 1958 verfassten Romans und einer politischen Position, die Plath für recht schwierig, auf jeden Fall diskutabel hält. Die Geschichte, die der litauische Autor in "Das weiße Leintuch" erzählt und die nun erstmals sehr gelungen ins Deutsche übersetzt wurde, handelt von einem Litauer Liftboy in New York, von seinem Leben und Lieben unter prekären Verhältnissen und von seinen Erinnerungen an die Vergangenheit, aus denen, dies sei dem Roman anzurechnen, fern von Betroffenheitsprosa und Anklageschriften, erzählt wird. Ein "kraftvolles und musikalisches Zeugnis der Moderne" nennt Plath den Roman einerseits und macht andererseits auch auf die Lücken aufmerksam, die der Text lässt, Lücken, die etwas bedeuten - Litauen wird hier an keiner Stelle als Mittäter, sondern immer als Opfer dargestellt - "problematisch", findet das der zwiegespaltene Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.04.2017

Hymnisch bespricht Jochen Schimmang Antanas Skemas bereits zwischen 1952 und 1954 entstandenen Roman "Das weiße Leintuch", der nun in einer brillanten Übersetzung von Claudia Sinnig auf Deutsch vorliegt. Skemas autobiografisch geprägter Roman, der die Geschichte des litauischen Schriftstellers Antanas Garsva erzählt, der nach der Flucht aus seinem von den Sowjets besetzten Heimatland im New Yorker Exil als Liftboy in einem Luxushotel arbeitet, ein Verhältnis zu einer verheirateten Frau eingeht und todkrank ist, erinnert den Kritiker in seiner atemberaubenden Polyphonie an den "Ulysses": Großartig, wie der Autor alle Stilmittel des modernen Romans benutzt, "Pseudo-Dokumentarisches" mit Gedichten und Kinderliedern verknüpft, und das New York der Fünfziger ebenso lebendig werden lässt wie das provinzielle Litauen der Zwischenkriegszeit, schwärmt der Rezensent. Skemas gelungene Mischung aus Ironie, Sarkasmus, Ernsthaftigkeit und Emotionalität machen diesen Roman, der auch die Abgründe des 20. Jahrhunderts beleuchtet und zugleich an Aktualität nichts eingebüßt hat, für den Rezensenten zu einem Meisterwerk.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.03.2017

Rezensent Ulrich Rüdenauer hält Antanas Skemas erstmals auf Deutsch veröffentlichten einzigen Roman aus dem Jahr 1958 für ein Ereignis. Die Geschichte von Skemas Alter ego, einem verhinderten litauischen Dichter, der sich Ende der 1940er im New Yorker Exil als Liftboy verdingt, von seiner eigenen Vergangenheit nicht loskommt und darüber jeden Halt verliert, führt Rüdenauer zurück in die Kindheit des Helden, die Zeit der sowjetischen Besatzung, und vermittelt in ihrem Bewusstseinsstrom die existenzialistische Sehnsucht des Gestrandeten. Eindringlich expressiv, dann wieder poetisch dahinfließend erscheint dem Rezensenten der Roman, experimentell und avanciert, nicht frei von Pathos, aber allemal als eine Entdeckung.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.03.2017

Großartig und erschütternd findet Rezensent Gerhard Gnauck Antanas Skemas autobiografisch grundierten Roman über eine zuende gehende Dreiecksgeschichte in New York, die mit Kindheitserinnerungen an ein ebenfalls verlorenes Litauen der Vorkriegszeit durchsetzt ist. Der starke Sog der Geschichte, der für Gnauck auch mit der plastischen Schilderung der litauischen Landschaft zu tun hat, zieht den Rezensenten in den 1958 erschienenen, wie Gnauck meint, wichtigen modernen Klassiker, den er durch Claudia Sinnig präzise übertragen findet. Ein starker Beitrag für Leipzig, lobt der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 22.03.2017

Rezensent Tilman Krause ist hin und weg von diesem symphonischen, das brausende Manhattan der 50er so lebendig zeichnenden Roman über einen litauischen Dichter, der als Liftboy in einem großen New Yorker Hotel arbeitet. Das Auf und Ab des Lifts steht auch für die Stimmungschwankungen des Liftboys, oder das Auf und Ab der litauischen Geschichte, die in Erinnerungen vergegenwärtigt wird, so Krause. Vor allem beeindruckt ihn die ungeheure Lebendigkeit dieses Romans, die kongenial von Claudia Sinnig im Deutschen eingefangen sei. Der Band ist außerdem noch schön ausgestattet und kommentiert, freut sich Krause. Ganz klar eine Leseempfehlung.
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