Anna Kim

Die große Heimkehr

Roman
Cover: Die große Heimkehr
Suhrkamp Verlag, Berlin 2017
ISBN 9783518425459
Gebunden, 558 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Seoul, im April 1960. Johnny Kim, seine Geliebte Eve Moon und sein bester Freund aus Kindertagen Yunho Kang sind auf der Flucht vor der berüchtigten Nordwest-Jugend, einer antikommunistischen, paramilitärischen Schlägertruppe im Dienst der Regierung Südkoreas. Diese steht kurz vor dem Zusammenbruch, seit Wochen geht die Bevölkerung gegen den autokratischen Präsidenten Rhee auf die Straße. Gemeinsam wagen Johnny, Eve und Yunho die illegale Überfahrt nach Japan und finden Unterschlupf und Arbeit im koreanischen Viertel Osakas. Doch schon bald werden sie von ihrer Vergangenheit eingeholt: Ein Mädchen ist verschwunden, und der Verdacht fällt auf Johnny …
Das Buch erzählt von den Folgen der Teilung der koreanischen Halbinsel und den Anfängen des heutigen Nordkorea, als die Gewaltherrschaft Kim Il Sungs noch in den Kinderschuhen steckte. Und es stellt sich der Frage: Wem gehört Geschichte? Den Siegern, die Archive verschließen und Dokumente schwärzen? Oder dem Einzelnen, der seine Erfahrungen von Verlust und Verlorenheit an andere weitergibt, Verlierer wie er selbst?

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.03.2017

Mit viel Lob bespricht Rezensent Ijoma Mangold Anna Kims historischen Roman "Die große Heimkehr", der ihm die Geschichte des Kalten Krieges in Korea erzählt. Allein die sorgfältige Recherche, die die in Korea geborene und in Wien aufgewachsene Autorin vor Ort in Fotoarchiven und durch Gespräche mit Verwandten betrieben hat, ringt dem Kritiker größte Anerkennung ab. Wie Kim die in Korea geborene und von deutschen Eltern adoptierte Hanna als Stellvertreterfigur auf Spurensuche nach ihrer Herkunft auf den alten Yunho treffen lässt, der ihr von einer Menage a trois, dem Leben im Bürgerkrieg, der Gewalt, Unterdrückung und dem Gesinnungsterror in Nord- und Südkorea und der Machtübernahme durch das Pak-Regime erzählt, findet Mangold "raffiniert". Ein grandioser, atmosphärisch "sinnlicher" Roman, der Geschichte demontiert und die Komplexität koreanischer Identität beleuchtet, schließt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.02.2017

Fabelhaft in unsere Zeit passend findet Tilman Spreckelsen den Roman der koreanischen, in Wien aufgewachsenen Autorin Anna Kim. Die Geschichte der Willkürherrschaft in Nord- und Südkorea nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, die Kim ihre Protagonistin auf der Suche nach ihren Wurzeln rückschauend erkunden lässt, scheint Spreckelsen zwar die Merkmale des historischen Romans zu tragen. Die Verortung des Textes in der Gegenwart mit all ihren Erkenntnissen über die Vergangenheit erkennt er allerdings ebenso unzweifelhaft. Dazu passt für ihn Kims nüchterner Ton, der das Fiktive der Handlung jedoch nicht überstrahlt, wie er meint. Ein Roman über die koreanische Geschichte, erläutert Spreckelsen, der die Mechanismen von Angst, Verstrickung, Liebe und Desillusion offenlegt, wie sie in jedem von Willkür bestimmten System wirksam sind.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.02.2017

Sabine Vogel hält Anna Kims Roman für wunderbare Literatur. Wie die Autorin die Heimkehr und die familiäre Spurensuche einer jungen Frau in Seoul inszeniert, mit viel Gespür für die Atmosphäre der Stadt, aber auch für die geschichtlichen Verwerfungen Koreas, hat Vogel beeindruckt. Die Bilder des Buches gehen ihr noch lange nach wie eine Melodie.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.01.2017

Ulrich Baron liest Anna Kims Roman als Geschichtslektion. Wie die Autorin den Leser ins propagandistisch umkämpfte Korea der Jahre 1959/60 mitnimmt und die von Gewalt und Korruption geprägte Atmosphäre der Zeit in einer Mischung aus historiografisch gesicherten Fakten und einer individuellen Geschichte um Freundschaft, Liebe und Verrat vermittelt, hat Baron gefallen. Dabei stellt das Buch die Frage nach der Wahrheit auch des biografischen Erzählens, meint Baron, und reiht sich in die Tradition von Orwells "1984".
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 14.01.2017

Wohin das Postfaktische führt, lernt Paul Jandl in Anna Kims zweitem Roman "Die große Heimkehr", dem er eine hymnische Besprechung widmet. Der Kritiker taucht hier in ein "Wimmelbild" aus politischen Lügen, Denunziation und Nationalismus auf der Koreanischen Halbinsel des 20. Jahrhunderts und bewundert Kims Vermögen, mit Sinn für Exotik, Einfühlungsvermögen und Präzision ein Panorama einer missglückenden Gesellschaft zu zeichnen, in dem von der nordkoreanischen Propaganda mit dem Heimatwunsch der Menschen gespielt wird. Erzählt wird die Geschichte von Yunho, der verdächtigt wird, für die nordkoreanischen Kommunisten zu arbeiten und die rote Umerziehung, Läuterungsprozesse und schließlich die tödliche antikommunistische Paranoia miterlebt. Großartig, wie Kim die Freundschaft zwischen Yunho und dem antikommunistischen Johnny schildert, lobt der Rezensent, der in diesem beeindruckenden "Soziogramm" um Lügen, Illusionen und Identitätswechsel auch beobachtet, wie leise Schönheit in Trauer umschlagen kann.